transnationales / antimilitarismus

Israelischem Pazifisten drohen 3 Jahre Haft

Jonathan Ben-Artzi (Neffe des israelischen Außenministers) vor Militärgericht

| Jonas Lähnemann

Innerhalb der nächsten zwei Wochen wird der israelische Kriegsdienstverweigerer Jonathan Ben Artzi, der mit 200 Tagen im Militärgefägnis bereits länger inhaftiert war als alle früheren israelischen Verweigerer, vor ein Militärgericht gestellt. Dieses kann ihn zu einer Haftstrafe von bis zu 3 Jahren verurteilen.

Seit er letzten August das erste mal eingezogen wurde, hat der 20-jährige bereits sieben Haftstrafen von 28 oder 35 Tagen in einem israelischen Militärgefägnis abgesessen. Zwischendurch verbrachte er nur einzelne Wochenende im Kreise seiner Familie, um danach direkt wieder eingezogen und auf erneute Verweigerung hin zu einer weiteren Strafe verurteilt zu werden.

Dieses hatte sich in der Vergangenheit drei bis vier Mal wiederholt, bevor der Verweigerer für untauglich erklärt wurde.

Jonathan Ben-Artzi hatte vor seiner Haft bereits das Interesse der israelischen Medien geweckt, besonders da seine Tante mit dem ehemaligen Ministerpräsident und jetzigen Außenminister Benyamin Netanyahu verheiratet ist. Im letzten halben Jahr stieg auch das Interesse der internationalen Medien – in Deutschland berichteten unter anderem FAZ, taz und ND. Durch seine starke Öffentlichkeitswirkung und dem Anstieg der Zahl von Verweigerern unter den jugendlichen Wehrdienstpflichtigen, nachdem in den letzten 18 Monaten knapp 300 Oberstufenschüler eine Verweigerung angekündigt haben, macht die Armee aus Jonathan einen Präzedenzfall, der bereits länger inhaftiert wurde als bisher üblich und nun erstmalig auch wegen Desertion vor einem Militärgericht angeklagt werden soll.

Der Jerusalemer Mathe- und Physikstudent hatte zuerst versucht vor dem Obersten Gericht zu klagen, welches jedoch entschied sich nicht in einmischen zu wollen. Damit blieben sowohl die Bevorzugung religiöser Jugendlicher, die unter bestimmten Umständen keinen oder zumindest keinen vollen Militärdienst leisten müssen, als auch der Widerspruch zu internationalem Recht, wonach Israel die Möglichkeit einer Ersatzdienstes schaffen müsste, ungeklärt. Weiterhin wendete er sich an das „Verweigerer-Komitee“ der israelischen Armee. Dieses ausschließlich von Militärs, die sicher kein Wissen und Interesse in pazifistischer Philosophie haben, hatte jedoch noch keine Verweigerer anerkannt. So wurden auch zwei Gutachten von Universitätsprofessoren ignoriert, die Jonathans Pazifismus bestätigt hatte. Er trat bereits in der Schulzeit durch kritische Aufsätze und die Weigerung an Veranstaltungen mit dem Militär oder einem Judo-Kurs teilzunehmen hervor. In Vorbereitung auf seine Verweigerung beschäftigte er sich dann intensiv mit pazifistischer Ideologie und Philosophie. Dies hatte die hochrangigen Militärs jedoch in keinster Weise beeindruckt. Bewusst wählte er die offene Verweigerung gegenüber der relativ einfachen Möglichkeit sich von einem Arzt für geistig unfit erklären zu lassen. Darauf folgte die wiederholte Inhaftierung seit letztem Sommer.

Während seiner letzten Haftstrafe wurde Jonathan vor einen General geführt. Dieser erschien freundlich und bot ihm, wie schon früher geschehen, einen Militärdienst ohne Waffe und Uniform an, wozu er ihm Bedenkzeit geben würde. Für Jonathan war seine Antwort wie auch schon früher klar. Er wäre bereit einen zivilen Dienst für sein Land zu leisten, ohne jedoch in das Militär eingegliedert zu sein – eine Option die es bisher nur für israelische Frauen gibt. In eine Organisation eingegliedert zu sein die darauf aufgebaut ist Gewalt anzuwenden und zu Töten kommt für ihn nicht in Frage. Dies trifft auf jede Armee zu, besonders jedoch auf eine die im Rahmen einer Besatzung an der Unterdrückung eines Volkes beteiligt ist. Nach dieser erneuten Weigerung mit der IDF zu kooperieren wurde er über den bevorstehenden Prozess vor einem Militärgericht informiert und im Gefägnis härter behandelt. So kam er in eine Zelle ohne jegliche Einrichtung und wurde bei jedem Gang in Handschellen gelegt.

Am 19. Februar fand eine Vorverhandlung im Militärgericht in Jaffa statt. Geklärt werden sollte ob Jonathan die Zeit bis zum Ende des Prozesses in Haft verbleiben müsse. Nachdem der Militärstaatsanwalt dies gefordert hatte um die Disziplin der Armee nicht zu gefährden und Jonathan als „nicht besser als jeder Deserteur und Drogenabhängige“ beschrieben hatte folgte eine lange Verhandlung. Verfolgt vom Interesse einiger Journalisten und vieler Sympatisanten der Verweigerer wurde mehrere Stunden debattiert. Am Ende wurde der Kompromiss eines offenen Vollzugs in der Einzugsbasis geschlossen und die strittige Frage des nächtlichen Aufenthaltsortes vom Richter zugunsten Jonathans entschieden. Er darf nun die Nächte mit seiner Familie verbringen, ehe er vermutlich eine längere Haft antreten wird. Innerhalb der nächsten zwei Wochen wird der Beginn des Prozesses gegen ihn erwartet.

Inzwischen hat Jonathan die offene Haft angetreten und gegenüber den zuständigen Offizieren erneut den Militärdienst verweigert. Neben Jonathan sind jedoch noch 10 andere Verweigerer bereits wiederholt inhaftiert worden, von denen zwei Ende Januar für mehrere Wochen in Hungerstreik getreten waren. Es bleibt ungeklärt wie die Armee sich gegenüber ihnen verhalten wird.

Kontakt

Infos: www.laehnemann.de/israel

Protest an die israelische Botschaft: berlin@israel.org

Solidaritaet mit Jonathan: mbartzi@yahoo.com

Anmerkungen

Inzwischen gilt das gleiche auch für Dror Boymel, der am 21. Februar seine Vorverhandlung hatte.