antimilitarismus

Polizeigewalt auf Leipziger Buchmesse

Erklärung von Ausstellern der Buchmesse Leipzig zu Polizeigewalt gegen Demonstranten

Mit einem gewaltsamen Polizeieinsatz hat die Messeleitung der Leipziger Buchmesse am Samstag, den 27. März, den Verleger Dietmar Koschmieder (Verlag 8. Mai Berlin) als Sprecher einer Demonstration gegen die Präsenz der Bundeswehr als einer der größten Einzelaussteller wie einen Kriminellen behandelt. 41 Autorinnen und Autoren (darunter Peter Handke, Kerstin Hensel, Hermann Kant, Harry Rowohlt, Gerhard Zwerenz) und Verlage (u.a. Argument, Eugenspiegel/Das Neue Berlin, Edition Nautilus, Ossietzky, PapyRossa, Graswurzelrevolution) hatten zuvor bei der Messeleitung gegen die „Privilegierung eines branchenfremden Ausstellers“ protestiert. In dem Appell, die Bundeswehr zukünftig nicht mehr zur Buchmesse zuzulassen, heißt es: „Die massive Präsenz dieser Institution führte schon im vergangenen Jahr zu Protesten von Ausstellern, Autoren und Besuchern. Die Bundeswehr stellt keine Bücher aus, sondern nutzt die Messe, um für ihr neues Konzept weltweiter Militäreinsätze besonders unter Jugendlichen und Lehrern zu werben.“

Im Sinne dieses Appells zogen am Samstag Mittag über 200 VerlegerInnen, AutorInnen und BesucherInnen gemeinsam vor den Stand der Bundeswehr, wo Koschmieder als Sprecher der DemonstrantInnen den Appell über Handmegaphon vortrug und erläuterte.

Eine Gruppe von Feldjägern stürzte sich ohne Vorwarnung auf Koschmieder, und zahlreich bereitstehende Polizeibeamte fesselten ihn an Händen und Füßen – angeblich zu seinem eigenen Schutze. Dabei erlitt er eine Handverletzung. Beamte rissen ihn zu Boden und knieten sich auf ihn. Feldjäger in Zivil versuchten, Pressevertreter und Fotografen abzudrängen, und bedrohten sie. Umstehende BesucherInnen und DemonstrantInnen reagierten empört und riefen in Sprechchören: „Bundeswehr raus!“

Die Messeleitung übernahm später gegenüber Koschmieder ausdrücklich die Verantwortung für den Polizeieinsatz und erteilte ihm und dem Verlag zunächst Hausverbot. Nach Beratung wurde das Hausverbot bis Montag ausgesetzt. Begründet wurde das Hausverbot mit angeblicher Gefährdung von Leib und Leben der Messebesucher.

An den Messeständen mehrerer Verlage unterschrieben inzwischen weit über 1000 VerlegerInnen und VerlagsmitarbeiterInnen, BuchhändlerInnen und BesucherInnen – darunter auch mehrere Angehörige der Bundeswehr – den oben zitierten Appell an die Messeleitung.

Die provokative Präsenz der Bundeswehr – sie wendet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Comic-Verlagen hauptsächlich an Jugendliche, die zu einem Weltregierungsspiel eingeladen und dabei an militärische Konfliktlösung (einschließlich Atomwaffeneinsatz) herangeführt werden – veranlasste bei der vorjährigen Buchmesse den ostdeutschen Scheunen-Verlag zu der Ankündigung, der Buchmesse 2004 fernzubleiben, falls die Bundeswehr wieder zugelassen werde. Der Verlag machte diese Ankündigung im Einvernehmen mit seinen AutorInnen wahr. Der friedliche Literaturaustausch ist also schon auf der diesjährigen Buchmesse beeinträchtigt. Der skandalöse Vorfall von Samstag zwingt zu Überlegungen, verstärkt auf die Messeleitung einzuwirken, damit die Bundeswehr nicht weitere Siege über die Literatur erringt.

Leipzig, den 28.3.2004

Erstunterzeichner: Eckart Spoo, Verlag Ossietzky; Matthias Oehme, Eulenspiegel -Verlagsgruppe Das Neue Berlin; Dr. Klaus-P. Anders, Märkischer Verlag; Kai Homilius, Kai-Homilius-Verlag; Jürgen Harrer, PapyRossa-Verlag

Mehr Informationen: www.jungewelt.de/2004/03-29/001.php

Bis zum 28.03.2004 lagen folgende weitere Unterschriften unter die Erklärung vor:

Michael Baiculesan, Verlag Mandelbaum; Dinu Popa, Popa Verlag, Frankfurt/Main; Wieser Verlag Klagenfurt; Folie Verlag Wien; IG Autorinnen/Autoren Wien; Natalic Tornai, NP Buchverlag; Dr. A. Lellek, Löckerverlag, Wien; Christian Winzer, Album Verlag Wien; Wilhelm Gülcin, Zeitungsverlag Freitag; Dipl.Kfm. Alexander Hutzier, Grafik Werkstatt Bielefeld; Hannes Hofbauer, Promedia-Verlag; V. Schmidt; VG EFMD, Erfurt; Herbert Stascheit, GNN-Verlag und Schkeuditzer Buchverlag; Bärbel Stascheit, GNN-Verlag; Olaf Koppe, Neues Deutschland, Berlin; Vera Seehausen, Argument, Berlin/Bücher-Frauen e.V., Berlin; Joachim Schmidt von Schwind, Schmidt von Schwind-Verlag, Verlag für Hörbuch und Buch, Köln; Andreas Peter, Guben; Wolfgang Kettler, Neuenhagen; Margot Prust/Inge Bärisch, Findling Verlegerinnen, Neuenhagen; Jürgen Repschläger, Antiquariat Walter Markov, Bonn; Esther Winkelmann, Antiquariat Walter Markov, Bonn; Kustina, tageszeitung, Berlin; Simons, tageszeitung, Berlin; Fröba, Transit-Verlag; Seikat, Transit-Verlag; Ines Schäfer, SOVA; Heiko Stalzer, SOVA; Helmut Richter, Christine Krauss, Karl Dietz Verlag Berlin; Jörn Schütrumpf, Verlag Das Blättchen, Berlin, Verlag Dr. Bussert & Stadeler, Jena; Dr. Bernd Drücke, Verlag/Redaktion Graswurzelrevolution, Münster; Adolf Bademann, Garbe/Nürnberg; Ellen Kinkel, Garbe/Nürnberg; Matthias Berger, Schöneworth Verlag, Hannover; Rohde, VFLL; Maria Glusgold, Revonnah Verlag Hannover; Stefan Maechler, Maechler-Verlag; P. Schaeder, Maecher-Verlag/Illustrator; Sigurd Goldenbogen, ddp Goldenbogen; Arne Drews, Revonnah-Verlag Hannover; Katrin Hermann, Interdruck Berger GmbH, Hannover; Ronald Koch, Zambon Verlag, Frankfurt/Main; Michell Gyo, Verlag Neue Kritik, Frankfurt/Main; Birgit Hiller, Verlagshaus Hilby, Stade; Thomas Hiller, Verlagshaus Hilby, Stade; Christiane Krause, Bremen; Christiane Lang, Aviva-Verlag, Berlin; Claudia Reinhardt, Berlin; Karin Kramer, Karin Kramer Verlag, Berlin; B. Jürgs, Aviva-Verlag, Berlin; C. Ebeling, Nautilus-Verlag, Hamburg; Joachim Jahn, Dingsda-Verlag, Querfurt; Angelika Kleinfeld, Klatschmohn-Verlag, Bentwisch; Bergmann, Trikont-Verlag; Britta Wollenweber, Wostock-Verlag Berlin; Dr. Michael Fisch, Parthas-Verlag, Berlin; Jürgen Nowak, Zeitschrift Eulenspiegel, Berlin