transnationales / antimilitarismus

Türkei: Die Verfolgung der Kriegsdienstverweigerer geht weiter

Inan Süvers Verhandlung vertagt - Halil Savda rechtskräftig verurteilt

| Rudi Friedrich

In der Verhandlung gegen den türkisch-kurdischen Kriegsdienstverweigerer Inan Süver am 7. März wurde das Verfahren wegen Desertion und Befehlsverweigerung vertagt, da die offizielle Bestätigung für seine Ausmusterung noch nicht vorlag. Das berichtete Süvers Rechtsanwältin. Das Verfahren wird am 6. Juni fortgesetzt.

In einem Verfahren gegen Halil Savda, das am Freitag, 4. März stattfand, wurde ein Urteil wegen öffentlicher Äußerungen zur Kriegsdienstverweigerung vom Berufungsgericht bestätigt. In einer Presseerklärung hatte er am 1. August 2006 seine Solidarität mit den israelischen Kriegsdienstverweigerern Itzik Shabbat und Amir Pasteur erklärt. Er wurde deswegen nun rechtskräftig wegen "Distanzierung des Volkes vom Militär" zu fünf Monaten Haft verurteilt, so die Internetplattform Bianet. In Kürze muss er seine Haft antreten.

Connection e.V. verurteilt die Strafverfolgung der Kriegsdienstverweigerer in der Türkei. "Auf breiter Front gehen die türkische Regierung und das türkische Militär gegen Kriegsdienstverweigerer vor," so Rudi Friedrich von Connection e.V. heute. "Immer wieder werden dabei schwere Menschenrechtsverstöße begangen. Wir fordern die Türkei auf, hier umgehend Abhilfe zu schaffen und alle Verfahren gegen Kriegsdienstverweigerer einzustellen."

Zu Inan Süver

Inan Süver war 2001 zum Militärdienst einberufen worden. Wegen mehrmaliger Desertion wurde er in drei Verfahren zu insgesamt 25 Monaten Haft verurteilt. Sieben Monate verbüßte er bereits vor mehreren Jahren. Nach seiner vorläufigen Entlassung tauchte er unter.

Als Inan Süver desertierte, wusste er nichts von der Idee der Kriegsdienstverweigerung. Erst am 10. Oktober 2009 verweigerte er offiziell.

Am 5. August 2010 wurde er erneut verhaftet. Wie andere Kriegsdienstverweigerer wurde er in der Haft mehrmals misshandelt. Da er den größten Teil der bisherigen Haftstrafe verbüßt hat, ist mit einer vorzeitigen Entlassung von Inan Süver zum 6. Juni 2011 zu rechnen. Aber gegen ihn sind weitere Militärstrafverfahren anhängig: Wegen Desertion im Jahre 2007 und wegen seiner Weigerung, nach der Verhaftung im August 2010 eine Uniform anzuziehen. (1)

Zu Halil Savda

Halil Savda war früher Angehöriger der PKK, der Kurdischen Arbeiterpartei, die einen bewaffneten Kampf gegen die Türkei führte und führt. Er wandte sich im Jahre 2004 von der PKK ab, als er wegen seiner Mitgliedschaft eine Haftstrafe verbüßte: "Im Gefängnis setzte ich mich intensiv mit der Gewaltfrage auseinander. Ich las von anderen Kriegsdienstverweigerern und ihrem Kampf, was mich sehr ansprach. Ich fühlte, dass dies meiner inneren Überzeugung entsprach und wurde so selbst zum Kriegsdienstverweigerer."

Zuletzt saß Halil Savda vom 27. März bis 25. November 2008 wegen Desertion und Ungehorsam im Gefängnis. Am 25. April 2008 wurde er ausgemustert.

Gegen Halil Savda ist noch ein weiteres Verfahren wegen kritischer Äußerungen gegen das Militär anhängig. Gemeinsam mit drei anderen Aktivisten wurde er im Juni 2010 wegen der Unterstützung des türkischen Kriegsdienstverweigerers Enver Aydemir angeklagt und zu sechs Monaten Haft verurteilt. Gegen das Urteil legten die Angeklagten Berufung ein. (2)

Zum Hintergrund

Die Türkei verfolgt Kriegsdienstverweigerer auf zweierlei Art und Weise. Zum einen werden öffentliche Äußerungen gegen das Militär unter Strafe gestellt. Zum anderen wird das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkannt. Kriegsdienstverweigerer wie Halil Savda, Osman Murat Ülke, Mehmet Tarhan oder Mehmet Bal wurden wegen Befehlsverweigerung bzw. Ungehorsam bis zu sieben Mal verurteilt. Die Wehrpflicht gilt erst nach Ableistung des Militärdienstes als erfüllt.

Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur EU hatte die Europäische Kommission wiederholt die Strafverfolgung von Meinungsäußerungen kritisiert (3). Zudem verstößt die Türkei mit der Verfolgung der Kriegsdienstverweigerer gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. Januar 2006. Darin hatte das Gericht festgestellt, dass wiederholte Anklagen gegen Kriegsdienstverweigerer in Verbindung mit der Möglichkeit einer lebenslangen Strafverfolgung "im Missverhältnis zu dem Ziel stehen, die Ableistung des Militärdienstes sicherzustellen", und damit die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen. (4)

Kontakt & Infos

Aktionsseite unter www.Connection-ev.de/aktion-tuerkei.php

Connection e.V.
Gerberstr. 5
63065 Offenbach
Tel.: 069-82375534
Fax: 069-82375535
www.Connection-eV.de
office@Connection-eV.de