Als im Sommer 1972 in Augsburg die Nullnummer der graswurzelrevolution (GWR) erschien, prophezeiten viele dem gewaltfrei-anarchistischen Blatt nur eine kurze Lebensdauer.
Doch es kam anders. Das alternative und bis heute selbst verwaltete Organ überlebte alle Höhen und Tiefen der neuen sozialen Bewegungen. Seit Anfang der achtziger Jahre erscheint es zehnmal im Jahr als „Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft“ (Untertitel), und mit Auflagen zwischen 3.000 und 6.000 Stück. GWR-Extrablätter wie die 2003 im Vorfeld des Golfkriegs herausgebrachte NO WAR!-Aktionszeitung erreichten sogar Auflagen bis zu 55.000 Stück.
Im Juni 2005 erschien die graswurzelrevolution Nr. 300. Ein Grund zum Feiern. Und das tut die Redaktion in dieser Ausgabe ausgiebig. „Als langlebigstes und ältestes Organ des Anarchismus in Deutschland gönnen wir uns mal ein bisschen Selbstbeweihräucherung, ein bisschen Verherrlichung des gewaltfreien Widerstands, des libertären Konsensprinzips, der Anarchie“, so heißt es im Editorial.
Während viele „68er“ längst den langen Marsch durch die Institutionen angetreten und einst-mals linke Blätter „die Chefredaktion“ eingeführt haben oder verschwunden sind, funktioniert die GWR auch nach 33 Jahren immer noch nach basisdemokratischen Prinzipien. „Und die Themenvielfalt, die Utopiefreudigkeit, die Analysen aus gewaltfreier und libertärer Sicht, die Vitalität globaler Graswurzelbewegungen, die sich in unserem Blatt widerspiegeln, das sucht mensch in allen anderen Zeitungen vergebens.“
Neben einem hauptamtlichen Koordinationsredakteur im Münsteraner GWR-Büro arbeiten rund 30 AktivistInnen aus der ganzen Republik ehrenamtlich im HerausgeberInnenkreis der Zeitung mit; darüber hinaus beteiligen sich weitere, in den Bewegungen engagierte Menschen mit Aktionsberichten und Analysen. Auch VertreterInnen anderer Alternativmedien (z.B. labournet und CILIP/Bürgerrechte und Demokratie) veröffentlichen Gastkommentare.
Die graswurzelrevolution ist assoziiertes Mitglied der War Resisters‘ International (WRI), der Internationale der KriegsgegnerInnen, die sich 1922 gegründet hat und heute aus 90 Mitgliedsgruppen in 45 Ländern besteht. Diese globale Vernetzung mit „Bewegungen von unten“ spiegelt sich auch im Inhalt der Zeitung wider.
„Unter den Kleinen eine der Größten“, so titelte anlässlich des Kongresses zum 30sten Geburtstag der graswurzelrevolution im Sommer 2002 das Neue Deutschland.
Der Sozialwissenschaftler Ralf Vandamme konstatiert in seiner 2001 publizierten Doktorarbeit über „Basisdemokratie als zivile Intervention“: „Die periodisch erscheinende ‚Graswurzelrevolution‘ ist das Hauptorgan basisdemokratischer Akteure.“
Gruppen und Initiativen, die zum Beispiel zu Themen wie Ökologie, Anti-Atom, Antirassismus, Antimilitarismus, Antikapitalismus oder Frauenbewegung arbeiten, nutzen die GWR als Sprachrohr und Diskussionsplattform. Gleichzeitig verzichten die Zeitung und die in ihr aufgeführten Aktionsgruppen nicht auf eine eigenständige Programmatik: den gewaltfreien Anarchismus. Von der ersten Ausgabe an schreibt die graswurzelrevolution gegen das Klischee des „bombenwerfenden Anarchisten“ an und versucht das Konzept der gewaltfreien Revolution entgegenzusetzen, das sich in der Tradition der anarchistischen Bewegung findet. So unterschiedliche Theorien wie diejenigen Gustav Landauers, Mahatma Gandhis, Michail Bakunins, Leo Tolstois, Emma Goldmans, Martin Luther Kings oder der niederländischen feministischen Antimilitaristinnen Clara Wichmann und Henriette Roland-Holst werden als Inspiration und historische Beispiele heran gezogen für das, was GraswurzelrevolutionärInnen in den heutigen sozialen Auseinandersetzungen erreichen wollen.
Zur aktuellen Ausgabe
Die graswurzelrevolution Nr. 300 enthält einen Comic, der typische Arbeitsfelder aufgreift, und beleuchtet gewaltfreie Aktionen, die die Welt veränderten, z.B. den antirassistische Bus-Boykott in Montgomery vor 50 Jahren und den Salzmarsch in Indien vor 75 Jahren. Es finden sich Berichte über Konsens als gewaltfreie Entscheidungsfindung, über Illegalisierte in Spanien, die Situation von (Totalen) Kriegsdienstverweigerern u.a. in der Türkei, in Finnland und in Griechenland.
GraswurzelrevolutionärInnen erinnern sich an ihr „1. Mal“ und analysieren Macht ohne Herrschaft als Realisierung einer Möglichkeit.
Der Politologe Ekkehardt Krippendorff beschäftigt sich in seinem Artikel mit Vietnam, der zu erinnernden offenen Wunde. Und natürlich wird auch das neueste Buch aus dem Verlag Graswurzelrevolution vorgestellt: „Krieg ist der Mord auf Kommando“, ein Werk, in dem die österreichische Professorin Beatrix Müller-Kampel bürgerliche und anarchistische Friedenskonzepte, namentlich von Bertha von Suttner und Pierre Ramus, vergleicht. (1)
Graswurzelrevolution
Graswurzelrevolution bezeichnet eine tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, in der durch Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen. Wir kämpfen für eine Welt, in der die Menschen nicht länger wegen ihres Geschlechtes oder ihrer geschlechtlichen Orientierung, ihrer Sprache, Herkunft, Überzeugung, wegen einer Behinderung, aufgrund rassistischer oder antisemitischer Vorurteile diskriminiert und benachteiligt werden. Wir streben an, daß Hierarchie und Kapitalismus durch eine selbstorganisierte, sozialistische Wirtschaftsordnung und der Staat durch eine föderalistische, basisdemokratische Gesellschaft ersetzt werden. Schwerpunkte unserer Arbeit lagen bisher in den Bereichen Antimilitarismus und Ökologie. Unsere Ziele sollen – soweit es geht – in unseren Kampf- und Organisationsformen vorweggenommen und zur Anwendung gebracht werden. Um Herrschafts- und Gewaltstrukturen zurückzudrängen und zu zerstören, setzen wir gewaltfreie Aktionsformen ein. In diesem Sinne bemüht sich die anarchistische Zeitung Graswurzelrevolution, seit 1972, Theorie und Praxis der gewaltfreien Revolution zu verbreiten und weiterzuentwickeln.
(1) Auszüge aus der Graswurzelrevolution Nr. 300 finden sich auf www.graswurzel.net.
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