Seit mehreren Jahren gibt es von den unterschiedlichsten Gruppen Kampagnen gegen Landminen, ob von Medico International oder christlichen Gruppen oder kritischen Daimler-Benz- AktionärInnen. Der durchschlagende Erfolg ist den Kampagnen bislang verwehrt geblieben, zu lukrativ erscheint immer noch das Geschäft mit dem Tod. Auch der Geist der Landminenkritikerin Lady Di konnte die Herzen der Regierenden nur solange erweichen, wie es nicht um materielle Interessen ging. Präsident Clintons Trauer wich dann schnell knallharten Anweisungen an seine Delegation für die internationale Landminenkonferenz in Wien, jeden substantiellen Beschluß zu verhindern. Es wird also auch zukünftig nötig sein, die Produktion und Verbreitung von Landminen von unten zu bekämpfen. Vor der nächsten Kampagne ein Überblick über Geschichte und Gegenwart der Landminenproduktion. (Red.)
Ursprünglich wurden für militärische Zwecke angelegte unterirdische Stollen oder Kammern, die mit Sprengmitteln gefüllt wurden, als Minen bezeichnet. Zuerst wurden Minen von der türkischen Armee Anfang des 16. Jahrhunderts zum Angriff auf Festungen und zur eigenen Verteidigung eingesetzt. Der letzte massenhafte Einsatz derartiger Minenstollen fand während der Stellungskämpfe im 1. Weltkrieg statt.
Die Entwicklung der Mine als bereits fertiger, transportabler Sprengkörper begann bereits vorher und erreichte während dieses Krieges immer größere Bedeutung. Im 2. Weltkrieg verwendeten die Streitkräfte aller beteiligten Staaten in großem Umfang Anti-Personen-Minen (damals Infanterie-Minen genannt) und Anti- Panzerminen. Zu Beginn der 60er Jahre begann die Entwicklung und massenhafte Produktion moderner Minen und Zünder sowie von Verlegemitteln. Der Trend ging in Richtung erhöhter Wirksamkeit bei gleichzeitiger Verkleinerung. Die Minen wurden durch moderne (meist Plastik-) Gehäuse langlebiger, witterungsresistenter und schwerer zu orten, durch die Einführung neuer Zünder auch schwerer räumbar.
Wurden Minen bis in die 60er Jahre vorwiegend von Hand oder mit relativ einfachen Verlegemitteln ausgelegt, so änderte sich das Bild grundlegend mit Einführung der sogenannten „Streuminen“. Das sind Minen, die durch Fernverminungsmittel wie Flugzeuge, Raketen und Granaten an jedem beliebigen Ort eingesetzt werden können. So ist das Minenverlegesystem MW-1 (Mehrzweckwaffe 1) der Luftwaffe in der Lage, einen Minen- und Munitionsteppich von 3-500 Metern Breite und 180-2 500 Metern Länge sekundenschnell zu erzeugen – und wird damit zur Offensivwaffe.
Landminen werden üblicherweise drei Generationen zugeordnet. Die sogenannten Teller- oder Tretminen mit einem durch direkten Kontakt ausgelösten einfachen Druck- oder Zugzünder gelten als erste Generation. Die zweite bilden Minen mit technisch weiterentwickelten Zündern. Ohne daß das Opfer direkt mit der Mine in Kontakt kommt, wird sie durch einen elektronischen oder chemischen Zünder zur Detonation gebracht. Verlegt werden diese Minen von Hand oder mit mechanischen Hilfsmitteln. Die dritte Generation bilden schließlich zielsuchende oder fernsteuerbare Minen. Sie sind mit Sensoren ausgerüstet, die auf unterschiedlichste Signale reagieren. Sie besitzen außerdem meist einen Selbstzerstörungsmechanismus.
Außerdem unterscheidet man/frau Minen aufgrund ihrer Hauptziele: Sie richten sich entweder gegen Panzer und Fahrzeuge (Antipanzerminen) oder gegen Menschen (Antipersonenminen). Durch die Entwicklung moderner „Hybridminen“, die sowohl gegen Panzer als auch gegen Menschen wirken, ist diese Unterscheidung zunehmend irreführend. In Militärkreisen werden neuere Minen gerne als „Submunition“ bezeichnet. Damit hofft man, sie aus der Diskussion um die Ächtung der Landminen heraushalten zu können.
Wer sind die Opfer?
Weltweit stellen etwa 100 Firmen in 55 Ländern rund 360 Typen von Antipersonenminen her. Die Jahresproduktion liegt zur Zeit bei etwa 5 Mio. Stück im Wert von rund 100 Mio. Dollar. Die wichtigsten Hersteller der billigen Antipersonenminen sind Firmen aus China, der ehemaligen Sowjetunion, Italien, der ehemaligen Tschechoslowakei, dem ehemaligen Jugoslawien, Ägypten, Pakistan und Südafrika.
Alle 20 Minuten explodiert irgendwo in den Krisengebieten dieser Welt eine Landmine. Über 10 000 Menschen verlieren dabei pro Jahr ihr Leben, weitere 20.000 werden schwer verletzt und verstümmelt, so die grausige Bilanz der UN. In Afghanistan, Angola und Kambodscha allein liegen etwa 28 Millionen Minen vergraben. 85 % der Minenopfer kommen aus diesen drei Ländern. Insgesamt wird die Zahl der ausgelegten Minen weltweit auf zwischen 60 und 110 Mio. in 68 Ländern geschätzt, weitere 100 Mio. Minen warten in Depots auf ihren Einsatz. UNICEF schätzt, daß jedes dritte bis vierte Minenopfer ein Kind ist. Beim Spielen übersehen Kinder häufig Warnschilder und durch ihren flacheren Blickwinkel bemerken sie Minen in bewachsenem oder unebenem Gelände spät oder gar nicht. Minen verletzen gerade Kinder sehr schwer: ihre lebenswichtigen Organe befinden sich näher am Boden als bei Erwachsenen.
Die Minenopfer müssen oft mehrmals operiert werden, was sich gerade in den betroffenen Ländern kaum jemand leisten kann. Die Folgen der Landverminung treffen jedoch nicht nur die unmittelbaren Opfer, denn ökonomisch katastrophal wirkt auch die Verminung von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Nahrungsmittelproduktion wird blockiert, was für die überwiegend aus der Umgebung versorgten Menschen Hunger und Vertreibung zur Folge hat.
Minen bei der Bundeswehr. Deutsche Minen-Exporte
Seit Gründung der Bundeswehr wurden in der BRD fast 5 Mrd. DM für die Beschaffung und etwa 1 Mrd. DM für Forschung und Entwicklung von Landminen ausgegeben. 1996 betrug dieser Posten immerhin noch 110 Mio. DM. Die wichtigsten deutschen Minenproduzenten sind die großen Rüstungsfirmen: DASA (ehem. MBB), Rheinmetall, Dynamit Nobel, Diehl, sowie weitere 30 Firmen.
Der Waffenproduzent Dynamit Nobel – Eigenwerbung: „Bei Minen die erste Adresse“ – nennt in Werbeanzeigen folgende Produktionszahlen: Für das Light Artillery Rocket System (LARS) 300 000 Minen, für den Minenwerfer „Skorpion“ 640 000 Minen und für das Mittlere Raketenwerfer-System MARS 226 000 Minen.
Aus der BRD wurden zudem mehrere Hunderttausend Minen in andere Staaten exportiert. Der Großteil ging in andere NATO-Staaten oder an unproblematisch erachtete Staaten Europas. Nachgewiesen sind ebenfalls Direkt-Exporte an Israel und Saudi-Arabien. Doch es gibt eine ganze Reihe weiterer Staaten, in denen deutsche Minen gefunden wurden: Äthiopien, Angola, Eritrea, Irakisch-Kurdistan, Kambodscha, Mosambik, Nicaragua, Sambia und Somalia. Dabei handelt es sich zum Teil auch um DDR-Minen, wovon wahrscheinlich viele erst nach der NVA-Auflösung in diese Länder gelangten.
Es gibt zumindest Hinweise, daß zu den zahlreichen an die Türkei gelieferten deutschen Waffen auch Minen gehören. Das türkische Militär vermint die Grenze zum Irak, nicht etwa um einen äußeren Feind abzuwehren, sondern ganz gezielt, um Bewegungen der kurdischen Minderheit zu minimieren. Aus der Türkei gibt es auch genügend Berichte, daß Dörfer im Anschluß an ihre Zerstörung durch das Militär vermint wurden, um die Rückkehr ihrer BewohnerInnen unmöglich zu machen.
Auch wenn die Bundesregierung und die deutschen Minenproduzenten vorgeben, keine Kenntnis zu haben, wie diese Minen dorthin gelangt sein könnten, steht fest: Deutsche Minen sind – wie auch immer – in Krisen- und Kriegsgebiete gelangt und dort im Einsatz.
Minenräumung. Wer profitiert?
Die Kosten für die weltweite Minenräumung werden von der UN auf rund 33 Mrd. Dollar geschätzt. Nach dem Golfkrieg 1991 ließ Kuwait für rund 1 Mrd. Dollar seine verminten Gebiete von Spezialfirmen (u.a. deutsche!) räumen. Die meisten minenverseuchten Staaten der Erde können diese Summen zur Minenräumung nicht aufbringen.
Im Jahr 1993 konnten nur 84 000 Minen von UN-Minenräumern gefunden und entschärft werden, ca. 46 000 weitere von privaten Hilfsorganisationen. Wie aussichtslos diese Bemühungen letztlich sind, verdeutlicht die Tatsache, daß jährlich ca. 2-5 Mio. Minen neu verlegt werden. Während es eine einfache Antipersonenmine bereits zum Preis von 3 Dollar zu kaufen gibt, kostet deren Räumung zwischen 300 und 1000 Dollar.
Auch die deutsche Minenindustrie hat den Markt „Minenräumung“ entdeckt: Die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) ist ein Tochterunternehmen des Rüstungskonzerns Diehl. Die Firma wirbt seit Frühjahr 97 mit einem Satz von Außenminister Kinkel, den er auf einer Expertenkonferenz im Dezember 96 geäußert haben soll: „Es ist höchste Zeit, dem maschinellen Minenräumen zum Durchbruch zu verhelfen.“ FFG – so die Eigenwerbung – „verfügt über langjährige Erfahrungen im Sonderfahrzeugbau und hat daher ein System zum mechanischen humanitären Minenräumen entwickelt.“ Die „humanitären“ Projekte der FFG nennen sich „Minebreaker 2000“ und „Mineclearer 2000“ und kosten im Doppelpack etwa drei Mio. DM. Ab Herbst 97 sollen sie auf Kosten des Auswärtigen Amtes (AA) in Bosnien- Herzegowina erprobt werden. Der Minebreaker ist ein umgebauter Kampfpanzer vom Typ Leopard I, dem eine hydraulisch angetriebene Fräswalze vorgeschaltet wurde. Allein zwei Mio. DM hat das AA für 1997 eingeplant, um das schwere Räumgerät der FFG und einen weiteren Bundeswehr-Panzer-Zwilling aus dem Hause Rheinmetall zu protegieren: „Rinho“, eine Weiterentwicklung des bei der Bundeswehr eingesetzten „Keiler“.
„Das Perfide liegt darin, daß oft dieselben Firmen, die an der Verlegung der Minen verdient haben, jetzt Schlange stehen, um an ihrer Räumung zu verdienen“, ärgerte sich der Pax Christi-Vorsitzende und Sprecher des Bundesdeutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen, Bischof Hermann Josef Spital. Kritik wird von den Kampagnen gegen Landminen vor allem an der einseitigen Förderung von Großräumgerät geübt: Große gepanzerte Minenräumgeräte werden nämlich nach militärischen Kriterien entwickelt und sind somit nicht an den Bedürfnissen der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten orientiert. Nach militärischen Maßstäben gilt eine Minenräumung bereits dann als erfolgreich, wenn 80 bis 90 % der Minen entfernt worden sind. Großgeräte sind denkbar ungeeignet für hügeliges Gelände, für Pfade zur Wasserstelle, für brachliegendes Ackerland, für die Minensuche an Brücken und in der Nähe von Häusern. Hundertprozentige Minenfreiheit kann hier nur mühsame Handarbeit mit Detektor und Schaufeln garantieren.
Nach Auffassung der Kampagnen gegen Landminen müssen die Kriterien der Geldvergabe geändert werden. Die notwendigen Gelder müssen aus dem Verteidigungshaushalt genommen werden. Um den Kampf gegen Landminen nicht ad absurdum zu führen, dürfen die Projektgelder keinesfalls an diejenigen Unternehmen fließen, die bereits an der Produktion von Landminen verdient haben und verdienen.
Bei einem nicht unerheblichen Teil der Außenamtsgelder, die als „humanitäre Hilfe bei Minenräumprogrammen“ deklariert werden, handelt es sich um nichts anderes als um Subventionen für die Rüstungsindustrie und einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Minenprogrammen. Die Steigerung der Minenkampffähigkeit erfordert natürlich parallel die Steigerung der Minenräumfähigkeit. Beide Elemente sind gemeinsamer Bestandteil der Kriegsführung. Für die zivile, humanitäre Minenräumung wurden im Haushalt 1996 insgesamt 13 Mio. DM, für Ausrüstung zum militärischen Minenräumen 58,8 Mio. DM bereitgestellt.
UN-Konferenzen. Ergebnisse, Widersprüche.
Trotz der seit 1981 geltenden Konvention der UN zur Einschränkung des Mineneinsatzes wurden zwei Drittel aller Minen nach 1980 verlegt. Deshalb trat im September 1995 in Wien eine UN-Konferenz zusammen, um die unzureichenden Regelungen zu verschärfen. Schnell jedoch wurde klar, daß zwischen den Interessen der Teilnehmerländer schwer zu vermitteln war. Die Industriestaaten wollten, daß ihre modernen Minenentwicklungen nicht verboten werden, sondern nur die einfachen Antipersonenminen. Darin sahen die sogenannten Schwellenländer den Versuch, eine sie diskriminierende „Zwei-Klassen-Konvention“ zu schaffen. Ein Diplomat aus der „Dritten Welt“ kommentierte: „Was die Industriestaaten wirklich wollen ist, daß wir unsere ‘dummen’ Minen zerstören und ihre teuren High-Tech-Minen kaufen.“
Auf einer Fortsetzungskonferenz im Frühjahr 96 kam es deshalb auch nur zu sehr minimalen Verschärfungen der Minenkonvention: Es wurde der Einsatz von nicht detektierbaren (metallosen) Antipersonenminen untersagt. Allerdings gilt dies nicht für die sogenannten „Hybridminen“, die sowohl gegen Fahrzeuge als auch gegen Personen wirken. Auch Antipersonenminen, die als Räumschutz für Antipersonenminen dienen, können weiterhin undetektierbar sein. Außerdem wurde für die Umrüstung der metallosen Minen eine neunjährige Frist eingeräumt.
Weiterhin wurde beschlossen, daß fernverlegbare Minen einen Mechanismus zur Selbstzerstörung und Entschärfung besitzen müssen. Dabei wurden allerdings Fehlerquoten von bis zu 10 % eingeräumt. Das heißt, bei einem Minenteppich von 10 000 Minen „dürfen“ nach der Selbstzerstörung noch 1 000 Minen scharf bleiben!
Die westlichen Industriestaaten haben also ihre Interessen als Produzenten von High-Tech-Minen durchgesetzt, statt sich wirklich um eine Eindämmung der Minenproduktion zu bemühen. UNICEF bewertet das Ergebnis so:
„Humanitäre Bedenken gegenüber Landminen wurden als Argumente für die weltweite Umrüstung von Minen und Minentechnologie auf den neuesten Stand mißbraucht.“
Die Kampagne „Daimler Minen Stoppen“ begründet ihre Forderung nach einem Stopp der Minenentwicklung und -produktion bei Daimler Benz folgendermaßen:
„Es ist unmoralisch und unglaubwürdig, auf der einen Seite das Verbot von Billigminen zu fordern und auf der anderen Seite weiterhin ungleich effektivere Landminen herstellen und exportieren zu wollen. Jede in Deutschland und in den westlichen Industrieländern hergestellte neue High-Tech-Mine schafft die Legitimation dafür, daß anderswo tausende Billigminen produziert und ausgelegt werden.“
Solange es den Industrieländern gelingt, die Welt der Minen in „böse“ (d.h. billige Antipersonenminen) und „gute“ (d.h. moderne High-Tech-Minen) aufzuteilen, kann sich Außenminister Kinkel problemlos auf internationalem Parkett als vehementer Minengegner profilieren. Denn die Bundeswehr hat ihre alten Antipersonenminen bis auf geringe Restbestände längst ausgemustert. Die deutsche Minenindustrie jedenfalls wird durch ein Verbot einfacher, älterer Landminentypen nicht getroffen. Sie gehört aber bei der Entwicklung von High-Tech-Minen zu den führenden Akteuren, hat sich in der jüngsten Vergangenheit Patentrechte für moderne Minen, Zündertechnologien und Verlegesysteme gesichert und könnte damit in Zukunft eine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt erobern.
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