Im Mai 2014 erschien "Agonistik", das neueste Werk von Chantal Mouffe, der wohl wichtigsten Vertreterin des sogenannten Postmarxismus. Mit dem Slogan der "radikalen Demokratie" hat der Postmarxismus starken Einfluss auf die intellektuelle Linke. Sogar einige Anarchist_innen behaupten, dass radikale Demokratie eigentlich dasselbe sei wie Anarchie. Das soll Anlass genug sein, sich mit der Frage zu beschäftigen, was "Demokratie" eigentlich für eine emanzipatorische Politik bedeutet. Sollten Anarchist_innen angesichts der kleiner werdenden Gruppe der Stimm-Abgeber_innen den Verfall der Demokratie bedauern? Kann Demokratie als anarchistischer Bezugspunkt gelten? Oder ist "radikale Demokratie" ein Widerspruch in sich, in etwa so wie "Anarchokapitalismus", oder "militärische Lösung"?
Unter dem Eindruck der zusammenbrechenden Sowjetunion verfasste Mouffe zusammen mit ihrem Ehemann Ernesto Laclau 1985 das mittlerweile zum Klassiker avancierte Buch „Hegemonie und radikale Demokratie“. Damit wollten sie den orthodoxen Marxismus mit seinen „unzweifelhaften Wahrheiten“ des putschistischen Revolutionsmodells und der Arbeiter_innenklasse als einzigem Bezugspunkt reformieren.
An ihre Stelle tritt das Konzept vom Ringen um Hegemonie des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci (1891-1937), der nicht zuletzt aufgrund des Werkes von Laclau und Mouffe einen regelrechten Hype erfuhr.
Gramsci war Mitbegründer der Kommunistischen Partei Italiens und widmete den Großteil seines Denkens deren strategischer Entwicklung. In seinem Versuch, über den marxistischen Ökonomismus hinauszugelangen und die zentrale Rolle von Alltagskämpfen und Kultur herauszustellen, entwarf er das Konzept der Hegemonie.
Damit meinte er einen Typus von Herrschaft, der sich in parlamentarischen Demokratien entfaltet. Dieser basiert darauf, dass eine gesellschaftliche Gruppe, ihre Interessen mit einer Mischung aus Konsens und Zwang als Allgemeininteressen definiert und durchsetzt. Das Ringen um Hegemonie verstand er als ein „ständiges Sich-Bilden und Überwunden-Werden instabiler Gleichgewichte“ (1). Das Erreichen dieser Hegemonie, also die Repräsentation der gesamten Bevölkerung durch die Gruppe des Proletariats, ist das Ziel, das Gramsci vorschwebte.
Bei Gramsci bleibt, trotz seiner Anerkennung der Wichtigkeit sozialer bzw. kultureller Revolution, die Eroberung des Staatsapparates wesentlicher Bestandteil der sozialistischen Strategie: „[D]er Kommunismus [ist] nicht gegen den ‚Staat‘ gerichtet, im Gegenteil, er widersetzt sich erbittert den Feinden des Staates, den Anarchisten und den Anarchosyndikalisten, indem er ihre Propaganda als utopisch und gefährlich für die proletarische Revolution entlarvt.“ (2)
Für die Revolution, so Gramsci „wird die Organisierung eines sehr fest gefügten sozialistischen Staates notwendig sein, der so schnell wie möglich der Zersetzung und der Disziplinlosigkeit Einhalt gebietet, der dem sozialen Gefüge eine konkrete Form gibt und der die Revolution gegen die äußeren Angriffe und die inneren Rebellionen verteidigt. Im Interesse ihrer Existenz und ihrer Entwicklung muß die Proletarische Diktatur einen betont militärischen Charakter annehmen.“ (3)
Die Sozialdemokratie der Frau Mouffe
Mouffe und Laclau betonen im Gegensatz zu Gramsci die Heterogenität der Menschen aufgrund derer sie nicht weltweit durch eine einzige Organisation repräsentiert werden könnten. Selbst wenn diese Repräsentation durch ein gewähltes Weltparlament vonstatten gehen würde, so wie es die Vertreter_innen einer „Cosmopolitan Democracy“ vorschlagen, könne das niemals den unauflöslich widersprüchlichen Interessen verschiedener Gruppen gerecht werden. „Würde dieses Projekt jemals verwirklicht“, folgert sie, „so könnte es nur die weltweite Hegemonie einer beherrschenden Macht bezeichnen, der es gelungen wäre, dem ganzen Planeten ihre Weltsicht zu oktroyieren, einer Macht, die ihre Interessen mit den Interessen der Menschheit identifizieren […] würde.“ (4)
So weit, so vernünftig. Genauso wie die totale globale Demokratie lehnen Laclau und Mouffe aber auch das völlige Aufgeben einer Politik der Repräsentation (also der Parteien) ab. Hierarchische Repräsentation ist für ihre Politik nicht nur notwendig, sondern wünschenswert, da nur durch sie ein „hegemonialer Block“ gebildet werden könne, der gesellschaftliche Transformation möglich macht. Wie sie zu dieser Überzeugung kommen, die angesichts einer jahrhundertelangen Geschichte nichtstaatlicher und nichthierarchischer Sozialer Bewegungen, in der sich deren Sprengkraft immer wieder offenbart hat, als recht realitätsresistent gelten muss, teilen uns Laclau und Mouffe nicht mit. Wie in der Schule müssen wir einfach glauben, dass es keine Alternative zur Demokratie gibt.
So plädiert Mouffe für die Beibehaltung und „Radikalisierung“ einer liberalen parlamentarischen Demokratie auf Nationalstaatenebene.
Im Zentrum steht das Konzept des „Agonismus“, in dem verschiedene Gruppen, in einer „geregelten Arena“ (also einem Parlament) konträre Interessen vertreten. In ihren neuen Büchern wird sie expliziter und versteht diese Gruppen mit Carl Schmitt (ja, dem „Kronjurist-des-Dritten-Reiches“-Schmitt) als „Völker“ mit einer geschlossenen „kulturellen Identität“, die souverän agieren sollen, und zwar vor allem gegeneinander, in einem klaren Freund/Feind-Schema. (5)
Die Vereinheitlichung der Welt
Hier haben wir den springenden Punkt: während Mouffe auf internationaler Ebene die unauflösbare Mannigfaltigkeit menschlicher Existenzweisen zugibt, vergisst sie diese auf lokaler Ebene plötzlich wieder.
Genau diese Vorstellung von in sich einheitlichen „Blöcken“ (Gramsci) und „Völkern“ (Mouffe) ist der Moment, in dem sich der Herrschaftscharakter der Demokratie offenbart: Um jeden Preis muss dieses Volk (der demos der Demokratie) als einheitliche Masse hergestellt werden. Das funktioniert durch allerlei willkürliche Grenzziehungen: Um ein bestimmtes Gebiet werden ein paar Linien gezogen, voilá: ein Land. Einigen Menschen darin wird ein Stück Papier in die Hand gedrückt, weil sie Geld, einen bestimmten Stammbaum oder ähnliches vorweisen können, voilá: ein Volk. Von der Gruppe mit Papieren werden alle abgezogen, die unter einer Mindestzahl von Lebensjahren liegen, die sich auf eine Weise verhalten, die als „krank“ definiert wird, oder die gegen Regeln verstoßen haben, die sich ein paar (natürlich gewählte!) Herrscher_innen ausgedacht haben: voilá: mündige Bürger_innen. Pech gehabt hat, wer sich nicht innerhalb dieser Grenzen befindet. Zum Beispiel wer nicht innerhalb des Staatsterritoriums, sondern auf der Insel lebt, auf der gerade (natürlich demokratisch legitimiert) eine Atombombe getestet werden soll. Oder wer zwar innerhalb des Territoriums lebt, aber von diesem (natürlich demokratisch legitimiert) in ein anderes deportiert werden soll, weil sie nicht die richtigen Papiere hat.
Aber was wäre, wenn wir uns nicht die demokratischen Polizeistaaten der Gegenwart vorstellen, die auch nach ihren eigenen Prinzipien gemessen nicht wirklich als demokratisch bezeichnet werden können, sondern eine „partizipative Demokratie“? Auch dann wäre es nötig, dass das gesamte Volk eine einheitliche Entscheidung trifft, in der Fiktion, es würde einheitliche Interessen verfolgen. Jede Gruppe, die dann noch selbstständig, ohne das gesamte „Volk“ eine Entscheidung trifft, und diese selbstorganisiert durchführt, müsste dann als antidemokratisch bekämpft werden. Dieser Logik entspringt auch die Extremismusthese, die linke, rechte und religiöse „Extremist_innen“ in einen Topf wirft. Niemand muss sich mehr mit Inhalten auseinandersetzen, zur Delegitimierung reicht die Feststellung einer zu großen Distanz zur gesellschaftlichen „Mitte“, die selbst natürlich inhaltsleer bleibt.
Das Problem wird auch nicht viel kleiner, wenn die Einheit nicht als Volk, sondern, wie bei Gramsci, als Klasse bezeichnet wird. („Wer Herr der Geschichte ist und ihr den Rhythmus des Fortschritts aufzwingt […], das sind nicht die Bohemiens, die Dilettanten, die langhaarigen und frenetischen Romantiker, sondern das sind die großen Massen der klassenbewußten Arbeiter, die stählernen Bataillone des bewußten und disziplinierten Proletariats.“ (6))
Sogar Lenin hielt die Diktatur des Proletariats für die Vollendung der Demokratie, die in der „Sowjetunion“ verwirklicht sei, die „einen Bruch mit der bürgerlichen Demokratie und den Aufstieg eines neuen bahnbrechenden Typs der Demokratie darstellt: proletarische Demokratie oder die Diktatur des Proletariats.“ (7) Da nach der Revolution alle Proletarier_innen sind, gehören auch alle zur herrschenden Einheit. Laut Engels würde diese Herrschaft „ihren politischen Charakter verlieren“ und nur noch „die wahren sozialen Interessen hüten.“ (8) Es gibt dann also nur noch ein bestimmtes fixiertes Set von „wahren Interessen“, das durch den proletarischen Staat verkörpert wird. Alle, die mit diesen nicht übereinstimmen, begehen „Verrat an der Bewegung des Proletariats“ (9) Das Problem dabei drängt sich von selbst auf.
Ein spezifisches Problem dieser klassenbasierten Form der Einheits- bzw. Identitätspolitik ist, dass ihre Identität sich genau auf das System bezieht, dem ihre Unterdrückung entspringt, nämlich der ihr vom Kapitalismus zugewiesenen Rolle der Arbeiter_innen. Diese Konzeption führte zu mehreren Problemen des Marxismus: Erstens zu der Annahme, dass alle Menschen, die sich in einem Lohnarbeitsverhältnis befinden, potentielle Revolutionär_innen sind, was sich immer wieder als Irrtum erwiesen hat. Zweitens führte es zu Forderungen, die den Kapitalismus nicht überwinden, sondern reproduzieren. Insbesondere trifft das auf die Forderung nach einem „Recht auf Arbeit“ zu.
Kropotkin und andere Anarchist_innen stellten dem ein Recht auf Wohlstand gegenüber: „Das Recht auf Wohlstand bedeutet die Möglichkeit, als menschliche Wesen zu leben […], während das ‚Recht auf Arbeit‘ das Recht bedeutet, ewig Lohnsklave zu bleiben, ein Arbeitstier, das geleitet und ausgebeutet wird durch den Bourgeois von morgen. Das Recht auf Wohlstand ist die soziale Revolution, das Recht auf Arbeit ist günstigstenfalls ein industrielles Arbeitshaus.“ (10)
Klassenkampf könnte vor diesem Hintergrund mit John Holloway verstanden werden als Kampf darum, nicht klassifiziert zu werden.
Auch die „emanzipatorischen“ Konzeptionen der Einheit begründen sich stets auf der simplen Behauptung, dass nur (hierarchisch organisierte) einheitliche Organisationen politisch wirksam werden könnten.
So sind für Mouffe nichthierarchische Bewegungen „nur der Anfang; für eine tatsächliche Veränderung der Machtverhältnisse bedarf es institutioneller Bahnen.“ (11)
„Politik“ heißt bei Mouffe offensichtlich Parteipolitik. Das heißt, Bewegungen, deren Ziel es nicht ist, das politische Feld in ihrem Sinne zu beherrschen und zu vereinheitlichen, können überhaupt nicht als politisch verstanden werden. „Horizontalistischen“ Protestbewegungen und anarchistischen Theoretiker_innen zugleich unterstellt sie: „Indem sie den Staat beharrlich als monolithische Einheit sehen und nicht als komplexes, dynamisches Zusammenspiel von Beziehungen voller Widersprüche, verkennen sie die vielfältigen Möglichkeiten […] die aus der Kontrolle über die staatlichen Institutionen erwachsen würden.“ (12) (Mouffe 2014: 175 f)
Angesichts der Tatsache, dass sich Anarchist_innen seit über einhundertfünfzig Jahren mit dem Wesen des Staates beschäftigen, muss diese Darstellung jedoch mehr als verkürzt erscheinen. Ein Beispiel dafür sind die Überlegungen des Anarcho-Pazifisten Gustav Landauer (1870-1919).
Der liberale und der proletarische Leviathan
Landauer steht dem Staat, wie alle Anarchist_innen, mit radikaler Ablehnung gegenüber. Gleichzeitig erkennt er jedoch an, dass der Staat keineswegs gleich einer fremden Macht sich über die Menschheit zu deren Unterdrückung herabsenkt, sondern in täglichen Machtbeziehungen reproduziert wird.
„Einen Tisch kann man umwerfen und eine Fensterscheibe zertrümmern“, schreibt er, „aber die sind eitle Wortmacher und gläubige Wortanbeter, die den Staat für so ein Ding halten, den man zertrümmern kann, um ihn zu zerstören. Der Staat ist ein Verhältnis, ist eine Beziehung zwischen den Menschen, ist eine Art, wie Menschen sich zueinander verhalten; und man zerstört ihn, indem man andere Beziehungen eingeht, indem man sich anders zueinander verhält.Der absolute Monarch konnte sagen: ‚Ich bin der Staat‘. Wir, die wir im absoluten Staat uns selbst gefangen gesetzt haben, wir müssen die Wahrheit erkennen: Wir sind der Staat – und sind es so lange, als wir nichts andres sind, als wir die Institutionen nicht geschaffen haben, die eine wirkliche Gemeinschaft und Gesellschaft der Menschen sind.“ (13)
Offensichtlich trifft also das Gegenteil von Mouffes Behauptung, dass Anarchist_innen den Staat nur als monolithischen Block verstehen würden, zu: Gerade weil sie im Gegensatz zu den staatssozialistischen Ansätzen den Staat nicht einfach als neutrales Instrument fassen, sondern eben als komplexes, dynamisches Zusammenspiel von Beziehungen, sehen sie die Kontrolle über die staatlichen Institutionen nicht als Teil einer emanzipatorischen Politik.
In einer solchen antistaatlichen Politik sah Gramsci in seinen Auseinandersetzungen mit den italienischen Anarchist_innen nur eine Spielart des Liberalismus: „Die gesamte liberale Tradition ist gegen den Staat. […] Die politische Geschichte des Kapitalismus wird durch einen ständigen und stürmischen Kampf zwischen dem Bürger und dem Staat gekennzeichnet.“ (14) Auch Mouffe hat sich ein Jahrhundert später keine klügere Diffamierung einfallen lassen als die, dass der Anarchismus „mit seiner Dämonisierung des Staates […] die liberale Ethik der Verherrlichung von Vielfalt und Toleranz auf die Spitze“ treibe. (15)
Es ist schwer vorzustellen, dass Gramsci und Mouffe sich nicht darüber im Klaren sind, dass der Staat für den (Neo-)Liberalismus keineswegs Dämon, sondern Voraussetzung ist.
Die Institutionen der Kommodifizierung sind ganz und gar vom Staat und dessen Regulations- und Repressionspotential abhängig. Die Lohnarbeit hätte, ganz zu schweigen vom Privateigentum, ohne staatlichen Zwang nicht durchgesetzt können. Das stellte schon Thomas Hobbes, der Begründer der liberalen Staatstheorie, fest. (16)
Es ist eher Mouffe, die dem seit Hobbes in den politischen Theorien fast aller Richtungen herumgeisternden liberalen Irrtum aufsitzt, dass Staat und Zivilgesellschaft zwei völlig voneinander getrennte Dinge seien.
Daraus resultieren zwei falsche Annahmen, die den Staats-Marxismus von seiner leninistischen Version bis zu Mouffe prägen: Erstens, der Staat sei eine neutrale Struktur, die erobert werden könne, um die Gesellschaft umzustrukturieren. Zweitens, in einem demokratischen Staat repräsentiere der Staatsapparat die Bevölkerung (ohne eigene Interessen zu verfolgen) und könne so unmittelbar deren Willen ausführen.
Anarchistische Mannigfaltigkeit
Anarchismus dagegen ist keine Form der Demokratie, auch keine „radikale“. Demokratie heißt immer Vereinheitlichung in einer Struktur, die über den Individuen steht und mit ihnen selbst nichts zu tun hat.
Anarchie ist stattdessen die organisierte Mannigfaltigkeit, die jede Vereinheitlichung sprengt.
Sie ist das, was geschieht, wenn sich Individuen für emanzipatorische Kämpfe zusammenschließen. Sie besteht nicht aus einer Repräsentation der politischen Gruppen auf einer anderen Ebene, sondern nur aus dem, was im Hier und Jetzt präsent ist. Somit ist sie, im Gegensatz zur Demokratie auch keine fixierte Struktur, sondern immer nur unmittelbar vor Ort im Prozess der Organisierung und des Kampfes anwesend.
Landauers Vision der Kommunen, mit denen er die Gesellschaft strukturell erneuern wollte, könnte in diesem Sinne erweitert werden: Die Kommune wäre dann anwesend, wenn Menschen sich in ihren Kämpfen um Emanzipation in einer Weise zusammenschließen, die ihre Ziele bereits andeutet.
Wenn sie also keine Forderungen an eben jene Institutionen stellen, die für ihre Unterdrückung verantwortlich sind (und damit bei Demokrat_innen wie Mouffe für Empörung sorgen: „Tatsächlich lehnen einige Aktivisten allein das Ansinnen, Forderungen zu formulieren rundheraus ab.“ (17)). Wenn sie nicht Herrschaft im Namen der Freiheit ausüben, sondern ein Geflecht von nichthierarchischen Beziehungen entwickeln, aus denen direkte Aktionen hervorgehen, also Handlungen, die nicht darauf abzielen, dass eine externe Instanz eine Forderung erfüllt, sondern die Forderung selbst erfüllen.
Typische Formen der Direkten Aktion waren in der Geschichte der anarchistischen Bewegung vor allem der Generalstreik, aber auch Sabotageaktionen (beispielsweise die Zerstörung von Produktionsmaschinen oder Militärgerät) und praktische Solidarität (beispielsweise das Aufbauen von kollektiven Lebensformen oder Hilfe für Flüchtende bei der Überwindung von Nationalgrenzen).
Eine solche Form der Politik ist bereits das, was sie fordert, nämlich mit Landauer gesprochen „ein Bund von Bünden von Bünden von Bünden; ein Gemeinwesen von Gemeinschaften von Gemeinden, eine Republik von Republiken von Republiken.“ (18)
Im Gegensatz zur Demokratie ist Anarchie deshalb auch kein Zustand, der irgendwann erreicht sein kann, sondern ein permanenter Prozess des Kampfes gegen Herrschaftsstrukturen.
Ein solcher Kampf geht über die bloße Kritik hinaus und bedeutet ein nie abgeschlossenes Experimentieren mit Formen des Politischen, in denen die begehrte Emanzipation sich bereits andeutet.
(1) Antonio Gramsci (1996): Gefängnishefte 7. Hamburg/Berlin: S. 1561
(2) Antonio Gramsci (1919): Der Staat und der Sozialismus. Nachwort zu einem Artikel von For Ever "Zur Verteidigung der Anarchie" vom 28. Juni bis 5. Juli 1919
(3) Gramsci: Der Staat und der Sozialismus.
(4) Mouffe, Chantal (2007): Über das Politische. Frankfurt a. M.: S. 140
(5) Mouffe: Über das Politische: S. 152 ff.
(6) Gramsci: Der Staat und der Sozialismus. Mit den "langhaarigen und frenetischen Romantikern" meint Gramsci natürlich die Anarchist_innen
(7) Lenin zit. n. Richard Day (2005): Gramsci is dead. Anarchist Currents in the Newest Social Movements. London/Toronto: S. 62
(8) Karl Marx, Friedrich Engels (1977): Werke. Band 18. Berlin: S. 308
(9) Ebd.
(10) Peter Kropotkin (1989): Die Eroberung des Brotes. Bern/Grafenau: S. 18 Hervorhebung im Original
(11) Mouffe, Chantal (2014): Agonistik. Die Welt politisch denken, Frankfurt a. M.: S. 171
Mouffe: Agonistik S. 175 f.
(12) zit. n. Bernd Drücke: Anarchie als gelebte Utopie und Inspiration. In: ders. (Hg.): Anarchismus hoch 2: Soziale Bewegung Utopie Realität Zukunft. Karin Kramer Verlag, Berlin 2014: S. 11
(13) Gramsci: Der Staat und der Sozialismus.
(14) Mouffe: Agonistik S. 174
(15) Thomas Hobbes (2010): Leviathan. Herausgegeben und eingeleitet von J.P. Mayer. Leipzig/Zürich: S. 83
(16) Mouffe, Chantal (2014): Agonistik. Die Welt politisch denken, Frankfurt a. M.: S. 170
(17) Gustav Landauer (1967): Aufruf zum Sozialismus. Frankfurt a. M.: S. 166