ökologie

Raus aus Kohle und Atom!

Es regt sich Widerstand gegen die Klima-Killer im Rheinischen Revier

| Emilio Weinberg

Am 16. November 2014 erklärte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dass das Klimaziel der Bundesregierung nicht mehr zu halten sei. "Grund ist vor allem die Weigerung des Ministers, alte Kohlemeiler abzuschalten", so der SPIEGEL. Den katastrophalen Folgen des Klimawandels zum Trotz will der Kohlekonzern-Lobbyist Gabriel weiter auf Kohle-Nutzung setzen. "Man könne Atomenergie und Kohle nicht zeitgleich verbannen." Pah! Der sofortige Ausstieg aus Atomkraft- und Kohlenutzung wird nicht von Lobbyisten und ihren Regierungen durchgesetzt, sondern von sozialen Bewegungen. Wir werfen einen Blick auf das Rheinische Braunkohlerevier sowie den Widerstand gegen Klima-Killer und für eine echte Energiewende. (GWR-Red.)

Die Chance ist da. 2015 könnte das Rheinische Revier zu einem Brennpunkt sowohl der jungen Anti-Kohle-Bewegung als auch der seit 40 Jahren aktiven Anti-Atom-Bewegung werden. Es liegt auf der Hand. Kohle und Atom sind sich hier ganz nah.

Mitten im Rheinischen-Braunkohle-Revier, zwischen den Braunkohle-Tagebauen Inden, Hambach und Garzweiler befindet sich im Forschungszentrum Jülich ein verstrahlter Reaktor und Atom-Müll, der aktuell in die USA exportiert werden soll.

Vielfältige Protest- und Widerstandsaktionen sind von beiden Bewegungen auch für 2015 geplant. Schauen wir genauer hin.

Das Rheinische Braunkohlerevier ist ein Dauer-Katastrophengebiet

Bekannter ist schon die Tatsache, dass hier durch jährlich ca. 100 Millionen Tonnen CO2-Emissionen die globale Klima-Katastrophe von RWE, dem Klima-Killer Nr.1 in Europa, mit verursacht wird.

Aber wer zum ersten Mal die drei riesigen Tagebaue im Westen von Köln sieht, kann das Ausmaß an den weiteren Zerstörungen kaum glauben.

Hier „fressen“ sich täglich 24 Stunden die größten Bagger der Welt immer weiter und bis zu 450 Meter tief in die Erde und verursachen die Zerstörung wertvoller Landschaften: über eine Million Bäume des ursprünglichen Naturschutzgebietes „Hambacher Forst“ sind schon gerodet, viele Dörfer, wertvollste Acker-Böden sind schon in den zusammen ca. 170 Quadratkilometer großen Tagebauen verschwunden.

Ca. 40.000 Menschen sind schon „umgesiedelt“ worden, viele erleben das als „Vertreibung“.

Fünf gigantische Braunkohle-Kraftwerke verursachen gefährliche Emissionen. Diese „Wolkenmacher“ emittieren neben dem CO2 u.a. auch Arsen, Stickoxide und das starke Nervengift Quecksilber.

Atom-Müll und verstrahlter Reaktor im Rheinischen Revier, in Jülich

In Jülich lagern aus der Betriebszeit des dortigen Kugelhaufenreaktors (AVR) noch 300.000 strahlende Brennelementkugeln in 152 Castoren. Da dem veralteten Lager von der zuständigen Aufsichtsbehörde die Betriebsgenehmigung entzogen wurde, prüft man aktuell, diesen Atommüll zum militärischen Atomkomplex Savannah River Site in den USA zu exportieren.

Jeder Transport von Atommüll bedeutet ein erhebliches Risiko, für den Abtransport aus Jülich wären 38 (!) Castortransporte durch Deutschland nötig.

Darüber hinaus hat am 11. November 2014 die hochgefährliche Verlagerung des 1988 nach etlichen Störfällen stillgelegten AVR-Reaktordruckbehälters in Jülich begonnen.

Nach einem jahrelang vertuschten schweren Störfall im Jahr 1978 ist nicht nur der Reaktordruckbehälter verstrahlt, sondern auch der Boden darunter u.a. mit Strontium-90, Cäsium-137 und Kohlenstoff-14. Dieser radioaktiv verseuchte Untergrund soll freigelegt und saniert werden.

AtomkraftgegnerInnen haben seit Monaten vor dem weltweit einmaligen und riskanten Manöver gewarnt, den 2.100 Tonnen schweren Versuchsreaktor im Forschungszentrum Jülich umzukippen, um diesen in ein ca. 200 Meter entferntes Zwischenlager zu transportieren.

Braunkohle und Radioaktivität – Die Bagger wirbeln radioaktiven Feinstaub auf

Täglich werden allein im Tagebau Hambach ca. 3 Millionen und 170 Tausend Kubikmeter Erde, Abraum und Kohle hin und her bewegt durch die größten Bagger der Welt.

So werden sowohl Grob- und Feinstaubpartikel als auch das überall im Boden vorkommende URAN in schier unglaublicher Menge in die Luft und ins Grundwasser emittiert: ca. 250 Kilogramm am Tag.

Das natürlich vorkommende Uran-238 zerfällt schnell in zahlreiche Radionuklide: Radium-226, das Edelgas Radon-222 und Polonium 210, also radioaktive Alphastrahler. Die radioaktiven Isotope verbinden sich mit den lungengängigen Feinstaub-Partikeln. Feinstaubpartikel sind mikroskopisch klein: Sie sind Teilchen die lediglich einen Durchmesser von weniger als 0,01 Millimeter haben.

Das radioaktive Zerfallsproduktes Radon-222 (Halbwertszeit: ca. 4 Tage) kann über den im Tagebaubetrieb unvermeidlich austretenden Kohlestaub in den menschlichen Organismus gelangen.

Nicht nur für die Beschäftigten besteht diese Gefahr, sondern auch für alle in der Westwindzone wohnenden Menschen bis in den Kölner Raum. Tochternuklide der natürlich in der Kohle und dem Abraum vorkommenden radioaktiven Stoffe werden über den Feinstaub, und das abgepumpte Wasser in die Umwelt freigesetzt.

Aber nicht nur die Tagebaue emittieren radioaktive Stoffe, sondern auch die Braunkohlekraftwerke. Bereits 1978 wies das US-amerikanische Oak Ridge National Laboratory (ORNL) darauf hin, dass die radioaktive Belastung im Umfeld kohlebefeuerter Kraftwerke sogar noch höher liegt als in der Umgebung von Atomkraftwerken. Radioaktive Isotope finden sich in den großen Deponien mit Kraftwerksaschen und werden auch über die Schornsteine ausgestoßen. Weltweit gelten Braun- und Steinkohlekraftwerke neben Atomkraftwerken als größte Quelle radioaktiver Verseuchung der Umwelt.

Zu den Gesundheitsgefahren einer Feinstaub-Belastung sei auf die HEAL-Studie „Was Kohlestrom wirklich kostet, Gesundheitsfolgen und externe Kosten durch Schadstoffemissionen“ vom April 2013 verwiesen sowie auf die Greenpeace-Studie „Tod aus dem Schlot“.

Feinstaub ist extrem gefährlich, da er wie ein „Gift-Taxi“ neben den radioaktiven Stoffen auch weitere Schadstoffe aufnimmt und den Weg direkt über die Lunge in die Blutbahnen findet. Aufgrund seiner Winzigkeit kann er nicht in den Lungenbläschen gestoppt werden.

Die Realität der Feinstaubbelastung durch Braunkohletagebaue wurde allen Interessierten deutlich klar, als am 23. Januar 2013 an der Messstation in Elsdorf-Berrendorf eine Feinstaubwert PM10 von 82 µg/m3, an der Messstation in Niederzier 152 µg/m3 gleichzeitig gemessen wurde. Beide Dörfer sind Grubenranddörfer, Berrendorf direkt nordöstlich am Tagebau Hambach, Niederzier südöstlich. An diesem Tage kam der Wind ausnahmsweise aus Nordost. Die Steigerung um 70 µg/m3 am Messpunkt Niederzier kann nur aus dem Tagebau stammen, denn etwas anderes befindet sich nicht zwischen den beiden Orten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt angesichts der vom Feinstaub ausgehenden Gesundheitsgefahren in ihren Luftgüte-Richtlinien folgende Grenzwerte für Feinstaub: Jahresmittel PM10 20µg/m³; Tagesmittel PM10 50 µg/m³ ohne zulässige Tage, an denen eine Überschreitung möglich ist. Diese Werte liegen deutlich unter den Grenzwerten der EU: Seit dem 1. Januar 2005 beträgt hier der Jahresmittelwert für PM10 doppelt soviel: 40 µg/m³; der einzuhaltende Tagesmittelwert für PM10 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr.

Nervengift Quecksilber und Klimagift CO2

Quecksilber ist ein starkes Nervengift und schon in kleinsten Mengen gefährlich: Es kann zu geistigen Behinderungen, zu Verzögerungen bei der Entwicklung oder zu Gedächtnisverlust führen. Der ORNL-Studie zufolge überschreiten fast 50 deutsche Kohlekraftwerke die Grenzwerte einer neuen internationalen Vereinbarung.

Allein das Kraftwerk in Niederaußem emittiert pro Jahr 497 kg Quecksilber. Dazu erklärt der Energie-Experte des WDR, Jürgen Döschner: „In Deutschland sind die gesetzlichen Vorschriften weniger streng als in den USA, die ja sonst nicht als besonders umweltfreundlich gelten. (…) Würde man den US-amerikanischen Grenzwert, der sich an einer neuen internationalen Vereinbarung orientiert, in der Bundesrepublik anwenden, müssten 50 deutsche Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke bis auf eine Ausnahme stillgelegt werden.“

Das Rheinische Braunkohlerevier bzw. der Konzern RWE als Eigentümer der Tagebaue, Kohlebahnen, Kraftwerke und Strom-Trassen ist auch der KLIMA-KILLER Nr.1 in Europa. Ca. 100 Millionen Tonnen Braunkohle werden hier jährlich „verstromt“, das bedeutet eine Emission von ca. 100 Millionen CO2. Das sind ca. 12,5 % aller CO2-Emissionen in Deutschland. Zum Vergleich: Ca. 20% erzeugt der gesamte Verkehr (PKW- und LKW-Verkehr zusammen). Über 51 Millionen Kraftfahrzeuge sind in Deutschland angemeldet.

Die fünf Braunkohlekraftwerke im Revier sind also genauso klimaschädlich wie über 30 Millionen Kraftfahrzeuge. Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger überhaupt. Denn nur maximal 43% der Ursprungs-Energie wird in Strom umgewandelt – im Vergleich z.B. Gas zu ca. 50 – 60%, Steinkohle zu ca. 46%. Dabei werden bei der Braunkohleverstromung mehr als doppelt soviel CO2-Emissionen produziert wie beim Energieträger Gas.

Eine gewichtige Ursache der Klimakatastrophe, die vor allem für die Menschen im globalen Süden schon begonnen hat, liegt nachweislich auch in der hiesigen Braunkohle-Verstromung.

RWE, die Bundesregierung und die Landesregierung NRW behaupten die Unverzichtbarkeit der Braunkohle noch für viele Jahre. Versorgungssicherheit für die Allgemeinheit und den Industriestandort NRW sei nur mit der Braunkohle möglich.

Damit wird die Vorrangstellung festgeschrieben eines aus meiner Sicht von interessierter Seite konstruierten allgemeinen Interesses an der Braunkohle-Verstromung vor den Interessen all der Menschen, die im Revier, in der Region und auch z.B. in Bangladesh leben. Und es wird erwartet, weitere „Opfer“ für das nationale Gemeinwohl zu erbringen.

Noch mehr Menschen als die bisherigen knapp 40 Tausend UmsiedlerInnen im Revier sollen ihr Zuhause gezwungenermaßen verlassen. Auch die Bergschäden an den Häusern in den Grubenranddörfern, verursacht durch gewaltige Grundwasser-Abpumpungen – rund 550 Millionen Kubikmeter pro Jahr – sollen als unvermeidlich hingenommen werden. Elsdorf-Berrendorf z.B. ist dadurch ca. 4 Meter abgesunken. Manche Häuser hatten solch große Risse, dass sie abgerissen werden mussten.

Warum das Ganze?

Als notwendige „Übergangstechnologie“ zur Bereitstellung der Grundlast, wenn weder die Sonne scheine noch der Wind wehe, sollen die Braunkohlekraftwerke noch für Jahrzehnte notwendig sein. Stimmt diese Aussage von RWE und den entsprechend beeinflussten „politischen Entscheidungsträgern“?

Tatsächlich wird u.a. mit dem großangelegten Projekt „Power to Gas“ schon längst das Ziel verfolgt, überschüssigen Ökostrom in Gas umzuwandeln und das Erdgasnetz als Stromspeicher zu nutzen. Dazu erklärt Prof. Klaus Heikrodt, Inhaber des Lehrstuhls für Energietechnik an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, in einem Interview mit Zeit Online: „Anstatt die entsprechenden Anlagen an wind- und sonnenreichen Tagen abzuschalten, kann überschüssiger Strom in Wasserstoff oder Methan umgewandelt und im Gasnetz gespeichert werden.“

Weitere schon bewährte Speichermöglichkeiten sind ja auch noch die Pumpspeicherkraftwerke.

Also sind Braunkohlekraftwerke nicht notwendig! Wenn man dann noch bedenkt, dass 2013 so viel Strom wie noch nie zuvor von Deutschland exportiert wurde, dann fragt sich auch der Laie: Stimmt da etwas nicht?

Billiger Rohstoff für RWE

RWE könnte mehr in erneuerbare Energien investieren. Das geschieht aber nicht, im Gegenteil: für dieses Jahr wurden die Investitionen für erneuerbare Energien halbiert. Denn Folgendes ist unbestritten: „Braunkohle rettet die Bilanz (2012) von RWE“, so titelte der Kölner Stadtanzeiger am 6. März 2013. Tatsächlich ist die Braunkohleverstromung ein profitables Geschäft. Deshalb hat RWE die Braunkohleverstromung 2013 weiter gesteigert (von 75,6 Mrd. Kwh 2012 auf 75,8 Mrd. kWh) – und das bei einer angeblich allseits gewünschten Energie-Wende zu den „Erneuerbaren“ hin.

RWE zahlt nichts für den Rohstoff selbst. Für das ca. 60 Quadratkilometer große Naturschutzgebiet Hambacher Forst mit ca. einer Million Eichen und Buchen zahlte RWE in den 1970iger Jahren an die Gemeinden nur 1 bis 2 DM pro Quadratmeter.

An vielen Stellen kann neben dem wertvollen Holz auch Kies verwertet werden, ehe die größten Bagger der Welt die Braunkohle aus der Tiefe holen. Außerdem sind die Braunkohlevorräte riesig. Und es wird vermutet, dass RWE Braunkohle, die noch in der Erde lagert, schon längst beliehen hat, wie es in der heutigen Finanzindustrie üblich ist. RWE muss somit wahrscheinlich diese sich bereits in den Bilanzen befindende Braunkohle zwangsläufig fördern. Deshalb sieht der Energie-Mix 2013 von RWE tatsächlich so aus: ca. 37,6 % Braunkohle, ca. 23,7 % Steinkohle, ca. 17,0 % Gas, ca. 14,5 % Atom-Energie und nur ca. 6,3 % Erneuerbare Energien (aus dem Geschäftsbericht 2013: Zukunftsgestalter, VORWEGGEHEN. S.57 – eigene Berechnung aufgrund der dort veröffentlichten Zahlen).

Die Herausforderungen der stärker werdenden Anti-Kohle-Bewegung sind also groß. Der „Gegner“ ist sehr stark – das Rheinische Braunkohlerevier ist quasi in den Händen einer Besatzungsmacht.

Das Schüren der Angst vor Arbeitsplatzverlusten im Revier wirkt leider immer noch. Die RWE AG ist noch kein schwankender Riese, sondern als weltweit operierender Konzern, als „Cluster-Expertin“ und meinungsmachende Instanz stark.

Mit einer sorgfältig ausgearbeiteten „Akzeptanz-Studie“ hat RWE sich gut vorbereitet für die Abwehr des gewachsenen Widerstands gegen solche Groß-Projekte. Dort ist beschrieben, wie der Widerstand in für RWE ungefährliche Bahnen kanalisiert werden kann (die GWR berichtete).

Dialog sei der Schlüssel zur Akzeptanz, Empathie für die Beweggründe des Einzelnen, der im Widerstand ist, sei notwendig: „In der frühzeitigen, transparenten und ergebnisoffenen Einbeziehung der Bürger scheint dabei der Schlüssel zu mehr Akzeptanz zu liegen.“ Die Schlichtung mit Heiner Geißler zu Stuttgart 21 wird als vorbildhaft beschrieben. Im Rheinischen Revier bzw. in NRW gehen der BUND und Greenpeace teilweise auf diese Strategie der Einbindung ein und übernehmen zeitweise die Rolle der Dialog-Partner von RWE.

Repression, Militanz und parlamentarische Illusionen

Gemeinsam gegen Kohle und Atom? Die Stolpersteine auf dem Weg zu einem wirkungsvollem breiten Aktionsbündnis innerhalb beider und zwischen beiden Bewegungen sind nicht zu unterschätzen.

In der jungen Anti-Kohle-Bewegung treten nun ähnliche Bruchlinien und Konflikte auf, wie immer wieder auch in den vielen Jahren des Widerstands gegen Atomkraft. Das Drehen an der Repressions-Spirale von Seiten des Staates auf Veranlassung von RWE hat Folgen. Die Wald- und Wiesen-Besetzung im Hambacher Forst ist von eskalierender massiver Gewalt sowohl durch den privaten Sicherheitsdienst von RWE als auch durch brutale Polizei-Einsätze betroffen, letztlich aufgrund falscher Beschuldigungen durch RWE. Der Konzern lässt aktuell ermitteln wegen einem angeblich „besonders schwerem Fall des Landfriedensbruchs“ und der des Verdachts „der gefährlichen Körperverletzung“, schließlich wegen des Verdachts des „Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“. Weit über 200 Ermittlungsverfahren wurden von RWE seit 2012 veranlasst. Diese Kriminalisierungsversuche sollen die Anti-Kohle-Bewegung und das „Bündnis gegen Braunkohle“, die Vernetzung der Wald- und Wiesenbesetzung, der Klima-AktistInnen von www.ausgeco2hlt.de, der Bürgerinitiativen und der Organisationen wie Attac, BUND und Greenpeace usw. spalten und „im Keim ersticken“. Auf keinen Fall soll die Anti-Kohle-Bewegung Ausmaße der Anti-Atom-Bewegung annehmen.

Einige der AktivistInnen erleben aufgrund der sich häufenden Polizeieinsätze und der Allgegenwärtigkeit des Sicherheitsdienstes im und am Hambacher Forst einen Zustand ständiger Bedrohung. Auch als Reaktion darauf nehmen militante Haltungen bei den WaldbesetzerInnen selbst zu: Die Vermummung der WaldbesetzerInnen wird immer häufiger.

Martialische Parolen, wie „RWE und Staat zerschlagen“ sind auf http://hambacherforst.blogsport.de/ häufig zu lesen. Die Orientierung mancher WaldbesetzerInnen an den mexikanischen Zapatistas, die sich zwar um Gewaltvermeidung bemühen, aber den bewaffneten Kampf nicht ausschließen, ist auch für manche Aktive der Bürgerinitiativen und andere Engagierten im Revier irritierend. Bedingt auch durch die einseitige Berichterstattung in den Mainstream-Medien, wächst bei den Menschen in der Region und den Bürgerinitiativen die Verunsicherung: „Was ist da los im Hambacher Forst?“ Die direkte Unterstützung der Waldbesetzung durch die Bürgerinitiativen nimmt teilweise ab. Noch sind die Waldbesetzung und die Blockaden der Rodung als gewaltfreie direkte Aktionen einzuschätzen.

Nicht nur zeigen Repression und Tendenzen von Militanz ihre ungünstige Wirkung, sondern auch die aktuell gesteigerten Aktivitäten von BUND, Greenpeace und auch von den Grünen.

Fast 30 Jahre lang bis 2010 hatten BUND und Greenpeace die Definitionsmacht des Widerstands im Rheinischen Braunkohle-Revier. Die geplante Menschenkette im April 2015 im Bereich des Tagebaus Garzweiler wird aus meiner Sicht auch die Funktion haben, die angekündigte Verkleinerung des Tagebaus als parlamentarischen Erfolg darstellen zu wollen. Die meisten der Engagierten in den Bürgerinitiativen haben noch Illusionen und pflegen immer noch die Nähe zu den Grünen.

Lernen von Larzac und Gorleben

Eine erfolgreiche breite, vielfältige und kontinuierliche Widerstandskultur, in der direkte Aktionen und Ziviler Ungehorsam zentral sind, ist möglich.

Ein Aufeinanderzugehen und ein gegenseitiges Sich-Einfühlen der verschiedenen Akteure sind notwendig.

Die gemeinsame Entwicklung von Zielen und eines langfristigen Handlungskonzeptes bzw. Aktions-Stufen-Plans in einer Atmosphäre der „Kritischen Solidarität“ ist unumgänglich.

Sowohl eine Bedingungs- und Betroffenheits-Analyse, als auch die Findung eines Aktions-Konsens haben sich bewährt.

Das Planen, Vorbereiten und Trainieren auch von niedrigschwelligen Formen direkter Aktionen, z.B. das „Zurück-Schaufeln der Erde in den Tagebau“ könnte auch Engagierte der Bürgerinitiativen zur begrenzten Gesetzesüberschreitung motivieren und bewirken, dass wir immer mehr werden. Gemeinsamer Umgang aller AkteurInnen mit der unvermeidbaren Repression und den Spaltungsversuchen wird selbstverständlich sein.

Eine klare Einigung auf Gewaltfreiheit hatte im Larzac die unmittelbar Betroffenen motiviert, aktiv mitzumachen.

Die Menschen vor Ort können kontinuierlich wirksamen Widerstand leisten. Die Unterstützung von „Außen“, von AktivistInnen aus anderen Regionen, ist notwendig.

Punktuelle spektakuläre Aktionen durch entschlossene Klein-Gruppen können ermutigend sein, sind aber zu ergänzen durch ein „Empowerment“ Vieler.

Der Verzicht auf Militanz im gemeinsamen Kampf kann ausgeglichen werden durch das Erleben von nicht für möglich gehaltener breiter Solidarität.

Wenn wir dann auch noch innerhalb der Bewegung im Rheinischen Revier exemplarisch Alternativen wie Solar- und Wind-Energie-Genossenschaften oder Solidarische Landwirtschaften initiieren, schaffen wir auf diese Weise eine „Werkstätte der Zukunft“, einen ermutigenden Vorgriff auf eine Zukunft ohne Braunkohle und Atom.