"Die Firma aber glaubt, dass sie über dem Gesetz steht", meint Nicolae Molcoasa. Der rumänische Bauarbeiter hat am 10. April vor dem Berliner Arbeitsgereicht einen ersten juristischen Sieg gegen das Subunternehmen openmallmaster GmbH errungen. Molcoasa gehört zu einer Gruppe von 8 rumänischen Bauarbeitern, die über Leiharbeitsfirmen bei der Mall of Berlin beschäftigt waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt worden sind [vgl. GWR 396].
Die für den Bau der Mall of Berlin zuständigen Unternehmen schoben sich die Verantwortung für die nicht bezahlten Löhne gegenseitig zu. Die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, die Generalunternehmer auf der Mall of Berlin war und mittlerweile Insolvenz angemeldet hat, verwies auf die Subunternehmen Metatec-Fundus GmbH & Co. KG“ aus Berlin sowie openmallmaster GmbH aus Frankfurt/ Main. Beide Unternehmen lassen Presseanfragen unbeantwortet.
In großen Teilen der Öffentlichkeit war mittlerweile bekannt geworden, dass die Mall of Berlin auf Ausbeutung gebaut ist. Das ist ein Imageverlust für das Einkaufszentrum für die gehobenen Ansprüche in der Nähe des Potsdamer Platzes. Im Internet hat sich mittlerweile auch der Name Mall of Shame für das Einkaufszentrum durchgesetzt.
Dafür hatte auch die Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU) gesorgt, die die Bauarbeiter seit Monaten in ihrem Kampf um den Lohn unterstützt.
Bei Kundgebungen wurde von den ehemaligen Beschäftigten und der FAU immer auch auf die Verantwortung des ehemaligen Generalunternehmens der Mall of Berlin, der Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, hingewiesen. Das versuchte deren Inhaber Andreas Fettchenhauer juristisch zu verhindern. In einer Einstweiligen Verfügung, die der FAU Mitte Januar zuging, wurde der Gewerkschaft die Aussage verboten, sie befinde sich mit Andras Fettchenhauer in einem Arbeitskampf. Ebenfalls untersagt wurde ihr die Behauptung, Fettchenhauer habe im Zusammenhang mit dem Arbeitskonflikt „eine große negative Öffentlichkeit erhalten. Auch dass gegen die Firma Fettchenhauer Vorwürfe der „massiven Schwarzarbeit“ und der Nichtabführung von Beiträgen an die Versicherungsträger“ gegeben habe, sollte die FAU nicht mehr behaupten.
Bei einer Zuwiderhandlung droht der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro und den verantwortlichen Sekretären eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Wenn die Kapitalseite glaubte, den Konflikt mit Repression beenden zu können, hat sie sich gründlich getäuscht.
Dieser Disziplinierungsversuch einer kämpferischen Gewerkschaft führte zu noch mehr Aufsehen und mobilisierte Solidarität für die FAU und die um den Lohn geprellten Beschäftigten.
So erklärte die Sprecherin für Soziale Menschenrechte der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Azize Tank:
„Es ist doch kein Geheimnis, dass seit Wochen ein Arbeitskampf der um ihre Löhne geprellten rumänischen Bauarbeiter der Mall of Berlin geführt wird. Nach meinem Kenntnisstand, wurden auch auf der Baustelle offenbar sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt.“
Kritik am Vorgehen des DGB
Solche Fälle von Lohndumping sind durchaus nicht selten. Das Besondere ist, dass sich die Betroffenen so ausdauernd wehren und dass die kleine FAU schafft, was der große DGB nicht einmal in Erwägung zog. Nachdem der Kampf um die vorenthaltenen Löhne auch die Öffentlichkeit erreicht hatte, fragten mehrere Zeitungen, wo denn der DGB in dem Konflikt bleibe. Tatsächlich hatten die Bauarbeiter sich Ende Oktober zunächst an dem DGB-Berlin Brandenburg gewandt und nach Unterstützung gefragt. Das im dortigen Gewerkschaftshaus angesiedelte „Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte“ nahm Kontakt mit den Unternehmen auf und schrieb Geltendmachungen. Außer Abschlagszahlungen, die nur einen Bruchteil des vorenthaltenen Lohnes ausmachten, konnten die Bauarbeiter auf diesem Weg allerdings nichts erreichen. Sie hatten weder Arbeitsverträge noch Gewerbescheine – das macht die Durchsetzung ihrer Ansprüche schwierig. Einige nahmen die Abschlagszahlungen an und unterzeichneten zudem eine vom Unternehmen vorbereitete Erklärung, nach der sie auf weitere rechtliche Schritte verzichten sollten. Andere beharrten darauf, ihren vollen Lohn zu erhalten und klagen nun den vorenthaltenen Lohn ein. Der Erfolg vom 10. Mai ist ein erster Erfolg, aber noch ist die Auseinandersetzung nicht endgültig gewonnen. Weil openmallmaster GmbH die Klage nicht ernst nahm, ignorierten sie den Gerichtstermin. Weil von den Beklagten niemand erschienen war, blieb dem Arbeitsgericht nur die Möglichkeit, der Klage stattzugeben. Die Leiharbeitsfirma geht in die nächste Instanz. Die Beschäftigten werden für den Kampf um ihre Löhne noch mehr Solidarität brauchen. Noch größer allerdings muss der Druck werden, damit auch die politischen Grundlagen infrage gestellt werden, die ein solches Lohndumping erst möglich macht. Der bereits unter Rot-Grün gezielt geschaffene Billiglohnbereich und die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse schaffen erst die Grundlagen für eine Praxis der Lohndrückerei, die nicht nur bei der Mall of Berlin Schlagzeilen macht.
Anmerkungen
Der Autor ist Journalist und dokumentiert seine Artikel auf http://peter-nowak-journalist.de
Anfang Juni 2015 wird er in der edition assemblage das Buch "Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht - Arbeitskämpfe nach dem Ende der großen Fabriken" herausgeben.