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Durchbruch oder Pyrrhussieg?

Osloer Vertrag und Friedensnobelpreis für Internationale Landminenkampagne

| Red. Süd

Nachdem wir in der letzten Ausgabe über die Heuchelei beim Übergang von der alten zur neuen Landminengeneration berichteten (GWR 222, S.1), hat sich einiges ereignet: in Oslo haben zum Abschluß der internationalen Landminenkonferenz am 17.9. 106 Staaten auf einen Vertragstext zum umfassenden Verbot von Antipersonenminen geeinigt. Und am 10.10. wurde der „Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen“ mit ihren ca. 1 000 Gruppen in knapp 60 Ländern und ihrer Koordinatorin Jody Williams der Friedensnobelpreis verliehen. Direkt nach Bekanntwerden der Nobelpreisverleihung kündigte auch Rußland an, dem Osloer Vertrag beitreten zu wollen. Ist beides zusammen nun tatsächlich ein Anzeichen dafür, daß „ein weltweiter Bann dieser Waffen heute keine bloße Vision mehr ist“, wie es der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Francis Sejersted, ausdrückte?

Leider spricht vieles dafür, daß die Heuchelei nun regierungsamtlich abgesegnet weitergeht. Die diplomatischen Mühlen der Nationalstaaten mahlen bekanntlich langsam, besonders dann, wenn ihnen etwas Substantielles abgetrotzt werden soll: so soll der Osloer Vertrag zwar im Dezember 97 in Ottawa feierlich unterzeichnet werden, er muß dann aber noch erst von allen 107 Unterzeichnerstaaten ratifiziert werden und tritt erst ein halbes Jahr, nachdem mindestens 40 Staatsparlamente zugestimmt haben, in Kraft. Das wird frühestens Ende 1999, vielleicht sogar erst im nächsten Jahrtausend soweit sein. Außerdem spart der Osloer Vertragstext nicht nur Panzerabwehrminen aus, sondern auch „generell und ohne Minimalgewichtsangabe sämtliche ‚gegen Fahrzeuge‘ gerichteten Minen. (…) Durch die Hintertür würde so auch der Einsatz von Antipersonenminen wieder möglich.“ (taz, 11.10.97) In dieser modernisierten Landminenvariante liegt ja gerade die Crux des Übergangs von der alten zur neuen Minengeneration.

Schließlich sind viele der weltgrößten Minenherstellerländer gar nicht unter den Unterzeichnerstaaten, die USA, China und Indien etwa. Die USA haben alles versucht, den Vertragstext bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern. Als das nicht gelang, traten sie eben nicht bei. Zusammen mit Südkorea begründeten sie ihre Ablehnung mit einem bei Nationalstaaten ganz üblichen Argument, nämlich der ganz willkürlichen Ausnahmeforderung bei eigenen nationalen Interessen. Das nationale Interesse der USA und Südkoreas erfordert angeblich die Beibehaltung des Minengürtels an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea wegen der „militärischen Bedrohung durch Nord-Korea“, so Lee Song Joo aus Südkorea. Fragt sich nur, worin die besteht angesichts Millionen Hungernder in Nordkorea. Ähnlich absurd ist die Begründung Finnlands, dem Vertrag nicht beizutreten, weil das Land auf seine an der russischen Grenze verlegten Minen nicht verzichten will. Wurde früher solch nationalistisches Gefasel noch mit dem Kalten Krieg und der Erinnerung an den stalinistischen Krieg gegen Finnland begründet, so tritt nun das pure Ressentiment in solchen Fällen immer deutlicher zutage.

Letztendlich liegt aber genau darin, in der steigenden Absurdität der regierungsamtlichen Begründungen und Legitimationen, die Hoffnung, daß die Kampagnen gegen Landminen doch etwas erreichen können, wenn auch anders und viel langsamer, als das die jüngste Preisverleihung nahelegt. Die Rechtfertigungen haben sich verkehrt: nicht die Kampagnen gegen Landminen müssen nun noch begründen, warum sie dagegen sind, sondern Nichtunterzeichnerstaaten und Heuchler unter den Unterzeichnern riskieren Legitimationskrisen, wenn sie dafür sind. Die gesellschaftliche Ächtung von Landminen ist weit vorangeschritten, die Ächtung von Staaten, die sie nach wie vor als militärisches Mittel einsetzen, könnte ihr auf dem Fuße folgen.