editorial

Pressefreiheit erkämpfen!

Bewegungsjournalismus statt Zensur

| Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)

Titelseite GWR 408
Titelseite GWR 408

Liebe Leserinnen und Leser,

Öko-AktivistInnen haben am 15. August 2014 im Hamburger Hafen eine Inspektion von Uranerzkonzentrat-Containern durchgeführt, um die Öffentlichkeit über Mängel bei Urancontainern und überlange Lagerung von Containern auf dem Gelände aufmerksam zu machen. Die Firma C. Steinweg (Süd-West Terminal) GmbH & Co. KG hat gegen die AktivistInnen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt. Die ersten Prozesse laufen.

Auch gegen Cécile Lecomte wurde ein Strafantrag gestellt, obwohl die Graswurzelrevolution-Mitherausgeberin und -Autorin in diesem Fall nicht als Aktivistin, sondern als „eingebettete“ Bewegungs-Journalistin für die GWR vor Ort war und sich verbal und mit ihrem Presseausweis als Journalistin zu erkennen gegeben hatte. Cécile hat in der GWR über die Aktion berichtet. In einem Protestbrief an C. Steinweg forderte ich die Geschäftsführung deshalb auf, die Strafanzeige gegen unsere Mitarbeiterin „umgehend zurückzuziehen und weitere Angriffe auf die Pressefreiheit zukünftig zu unterlassen“.

Nach einem langen Gespräch mit den Geschäftsführern zogen sie ihre Strafanzeige zurück.

Pressefreiheit muss erkämpft werden!

Zensur gegen die GWR in der JVA Frankenthal

Die Anstaltsleitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankenthal untersagte Anfang 2016 die Herausgabe der GWR an Oliver Liermann, den Sprecher der „Gefangenengewerkschaft Bundesweite Organisation“ (GGBO), obwohl er diese bereits seit zwei Jahren bezieht. Als Vorwand für die Verfügung dienten dem Frankenthaler Anstaltsleiter „lapidare Ausführungen im Bundes-Verfassungsschutzbericht von 2005 (!), in dem die Zeitschrift aus dem libertären gewaltfreien (!) Spektrum Erwähnung findet“, so die GGBO am 26. Februar 2016. (1)

In einem der GWR vorliegenden Brief vom 15. Februar behauptet der Anstaltsleiter zudem, der „Eigentumsvorbehalt“, der sich in jeder GWR findet, stelle „eine unzulässige Verpflichtung Dritter dar“.

Die GWR wird seit Jahren über den Verein „Freiabos für Gefangene e.V.“ kostenlos an Gefangene in Haftanstalten vertrieben. (2)

„Die Zensur einer pazifistischen Publikation, die seit 1972 herausgegeben wird, stellt einen Versuch dar, unbequeme Positionen zur inneren und äußeren Militarisierung der Gesellschaft aus den Hafthäusern der JVA Frankenthal zu verbannen. Offenbar ist es seitens der JVA-Leitung gewollt, zur politischen Unmündigkeit zu ,resozialisieren'“, kommentiert die Gefangenengewerkschaft.

Die aaa, Labournet, die GGBO, die GWR und andere berichteten online über den Fall. Die DFG-VK empörte sich auf www.dfg-vk-rlp.de: „Aufsicht über das Vollzugsgeschehen ist Aufgabe des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. In diesen Tagen stellen sich im Landtagswahlkampf Mitglieder der Regierungsparteien SPD und Grüne bei zahlreichen Gelegenheiten zur Diskussion. Vielleicht ist von ihnen zu erfahren, warum die Justizverwaltung des von ihnen regierten Bundeslands eine pazifistische Zeitschrift zensiert. Auf Infoständen und bei Veranstaltungen der DFG-VK im Rhein-Main-Gebiet wird die Graswurzelrevolution zum Verkauf angeboten.“

Nachdem ich mich am 1. März telefonisch beim Frankenthaler JVA-Leiter Philipp Stahlhacke über die Schikanen gegen den gefangenen Gewerkschaftsaktivisten beschwert und eine öffentliche Kampagne sowie eine Beschwerde beim rheinland-pfälzischen Justizministerium angekündigt hatte, behauptete der JVA-Beamte: „Sie sind falsch informiert.“ In einem Brief bestätigte der Gefangene, dass ihm zwar die GWR wieder ausgehändigt, ihm nun aber die Rote Hilfe-Zeitung vorenthalten werde. Die Schikanen gehen also weiter. Warum trifft es gerade einen Gewerkschaftsaktivisten?

Etwa 62.000 Menschen sitzen in deutschen Gefängnissen, etwa 41.000 von ihnen arbeiten, oft in Unternehmerbetrieben. Dafür erhalten sie zwischen 9 und 15 Euro – am Tag! Dass sich Gefangene wie Oliver Liermann gegen diese Ausbeutung wehren, wird von Anstaltsleitern offenbar nicht gern gesehen. Wir fordern: Schluss mit den Schikanen! Menschenrechte für alle!

Solidarische Grüße,

Literaturempfehlung

ak 614. "Um den März für dringende Diskussionen und Klärungen nutzen zu können", haben unsere KollegInnen von analyse & kritik befreundete Medienprojekte gebeten, die ak-Ausgabe 614 zu füllen. Das Ergebnis: 24 Seiten mit Artikeln linker Zeitungsredaktionen und zwölf Seiten künstlerischer Auseinandersetzung mit den Verhältnissen. Auch die GWR hat sich beteiligt. Siehe: www.akweb.de