Liebe Leserinnen und Leser,
„Ich bin so glücklich und zufrieden, dass sich meine Situation jetzt wieder normalisiert hat“, schreibt der ägyptische Kriegsdienstverweigerer Mohamed Fathy Abdo Soliman am 1. November 2016 in einer Mail an die GWR. Seine persönliche Lage war in den letzten Monaten dramatisch. Da er als Geflüchteter zuerst in Italien EU-Boden betrat und dort seine Fingerabdrücke genommen wurden, drohte ihm die Rückschiebung von Deutschland nach Italien und damit eine Abschiebung von Italien nach Ägypten, wo dem Kriegsdienstverweigerer Folter droht. Italien hat mit dem Staat, in dem ein rigides Militärregime unter der al Sisi-Diktatur gegen die Opposition wütet, ein Auslieferungsabkommen. Auch die Bundesregierung will ein solch zynisches Abkommen mit dem angeblich „sicheren Herkunftsland“ Ägypten abschließen.
Um die „Rückschiebung“ zu verhindern, war Mohamed seit August 2016 im Kirchenasyl. Nun konnte der Menschenrechtsaktivist es verlassen (siehe Artikel auf Seite 1). Wir sind froh, dass wir mit unserem Interview (1) in der GWR 410 dazu beitragen konnten, dass seine Chancen als Asylberechtigter anerkannt zu werden, gestiegen sind.
Anders sieht das leider bei dem ehemaligen US-Soldaten André Shepherd aus, über den die GWR häufig berichtet hat. Er war 2007 von einem US-Stützpunkt in Bayern geflohen, um einem erneuten Kriegseinsatz im Irak zu entgehen. André berief sich auf sein Gewissen und beantragte Asyl in Deutschland: „Ich wollte Amerika nicht noch einmal dabei helfen, unschuldige Menschen zu ermorden.“ Am 17.11.2016 wurde sein Asylantrag vom Verwaltungsgericht München abgelehnt. Das Gericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fahnenflucht des Klägers nicht das letzte Mittel gewesen sei, um nicht an Kriegsverbrechen beteiligt zu werden, teilte Sprecher Florian Huber mit.
„Die Verhandlungsführung war von Voreingenommenheit geprägt“, so Rudi Friedrich von Connection e.V. „Als Beobachter konnte man sich nicht dem Eindruck verschließen, dass schon vorher ein Urteil feststand und die Kammer die Entscheidung und den Asylantrag von André Shepherd völlig abgelöst sehen wollte von der Realität des Krieges im Irak.“ Eine Berufungsklage wird vorbereitet. (2)
Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht. KriegsdienstverweigererInnen und DeserteurInnen brauchen Solidarität (siehe den Artikel über die Gefangenen für den Frieden, Seite 10).
Widerstand gegen Rechtsnationalismus
Seit dem 9. November 2016 steht der emanzipatorische Teil der Menschheit unter Schock. Am 20. Januar 2017 wird ein extremer Rassist und Sexist der mächtigste Mann der Welt. Der Trumpismus ist eine Zeitenwende. Wie weiter nach der Wahl des Hetzers? Welche Perspektiven haben wir im Kampf gegen den Rechtsnationalismus? Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen (S. 3 bis 10). Weitere Themen dieser GWR sind u.a. die Kämpfe für Klimagerechtigkeit und sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit (S. 12 ff.).
Mit antifaschistischen Grüßen,
Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)
(1) "Ich glaube nicht an Gewalt" Ein Gespräch mit dem ägyptischen Kriegsdienstverweigerer Mohamed Fathy Abdo Soliman, von Bernd Drücke, in: GWR 410, Sommer 2016, S. 1,14, www.graswurzel.net/410/aegypten.php
(2) Weitere Infos: www.connection-ev.org/shepherd