quer gestellt

Und in Gorleben?

Bei uns loift!

| Kerstin Rudek, Außenministerin der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg

By Christian Fischer [Public domain], from Wikimedia Commons
By Christian Fischer [Public domain], from Wikimedia Commons

Neben unseren Kernthemen - Atommülllagerung, "Endlager"-Suche und Atomtransporte - laufen bei uns viele Themen und Anfragen auf. Weil wir es ernst meinen, wenn wir sagen, dass wir gegen Atomkraft sind und für die weltweite Stilllegung aller Atomanlagen jetzt und sofort, beginnt unser Tätigkeitsbereich bei der Aufklärung und dem Kampf gegen Uranabbau.

Eines unserer Vorstandsmitglieder, Günter Hermeyer, ist gleichzeitig im Uranium Network engagiert. Bundesweite Treffen, internationale Konferenzen, Rundreisen von befreundeten Aktivist*innen anderer Kontinente in Europa organisieren und begleiten, Besichtigungen von Uranabbau in Afrika, Kanada und anderswo gehören hier zur allgegenwärtigen Arbeit. Unser Ziel ist es, politisch so viel Druck aufzubauen, dass es sich die vor allem europäischen und amerikanischen Konzerne nicht mehr leisten können, für ihren schicken „sauberen“ Atomstrom in vorwiegend indigenen Gemeinden einen regelrechten Genozid zu begehen.

Wir sind engagiert bei der Frage nach der Zukunft der Zwischenlager. Zusammen mit anderen Standortinitiativen und vielen Einzelkämpfer*innen, auch aus den Reihen der unabhängigen Wissenschaftler*innen, ringen wir um tragbare Lösungen der unerträglichen Realität, dass der hochradioaktive Atommüll nun seit Jahrzehnten in den Kartoffelscheunen vor sich hin strahlt, die Castorbehälter vor sich hin gammeln, nicht geschützt vor Terrorangriffen und Flugzeugabstürzen, und wir nicht geschützt vor der Niedrigstrahlung, die erheblich gefährlicher zu bewerten ist, als noch vor 20 Jahren angenommen.

Das führt zu Auseinandersetzungen mit der Frage: Werden die Grenzwerte eingehalten?

Was ist mit Studien wie der Lost Girls Studie? Sie besagt, dass rund um alle Atomanlagen in der Bundesrepublik Deutschland signifikant weniger Mädchen geboren werden, weil weibliche Embryonen empfindsamer gegen Strahlung sind. Was ist mit Krebs und Leukämie bei allen Menschen, aber insbesondere unter Kindern, die nahe einer Atomanlage leben (müssen)?

Atomtransporte. Sie finden statt, täglich und überall. Ob der größte Umschlagplatz für atomare Güter aller Art, der Hamburger Hafen, die Castortransporte, die für 2017 geplant sind (Stichworte Neckarwestheim, Obrigheim und Ahaus), oder die Atomtransporte vor unserer Haustür, von denen wir kürzlich mal wieder einen stoppen konnten. Denn trotz erheblicher Mängel des Zwischenlagers Gorleben (Feuchtigkeit, mangelhafte Umgebungsüberwachung) klagt die Betreiberin, die Gesellschaft für Nuklearservice, gegen Auflagen der Aufsichtsbehörde, des niedersächsischen Umweltministeriums. Und trotz dieser Klage der Betreiberin hat Umweltminister Wenzel noch nicht einmal einen Einlagerungsstopp ausgesprochen. Die Halle mit tausenden von leicht- und mittelradioaktiven Fässern wird munter weiter vollgepackt.

Zur Zeit finden auch Abtransporte von Fässern nach Duisburg statt, zur „Gesellschaft für Nuklear-Service mbH“ (GNS), die mitten in einem Wohngebiet die Fässer konditioniert; dass ein Kindergarten an das Gelände grenzt, stört niemand aus der Nukleargemeinde.

Wir sind einige der wenigen Instanzen, die es die letzten Jahre über geschafft haben, den miserabel angelegten Prozess einer „Endlager“suche kritisch zu kommentieren und der geneigten Weltöffentlichkeit die Spielchen hinter dem Vorhang zu erklären.

Das liegt zum einen an der Tatsache, dass unser Pressesprecher, Wolfgang Ehmke, nicht müde wird, jährlich geschätzt um die 200 Pressemitteilungen zu schreiben und an Journalist*innen zu versenden, die sich auf den Neuigkeitswert und die gesicherte Recherche verlassen können und dementsprechend zuverlässig berichten. Zum anderen liegt es daran, dass unser Vorsitzender, Martin Donat, auf allen politischen Ebenen das Gespräch sucht, sehr engagiert für einen besseren Umgang mit dem bereits vorhandenen Atommüll streitet, und wenn das schon nicht in Sicht ist, sich für ein Verfahren stark macht, dass einen besseren Verbleib erst denkbar werden lässt, bei dem es nicht weiter um Profite der Atomkonzerne geht, sondern um die bestmögliche Abschirmung der Strahlung vor Mensch und Biosphäre.

Mein Steckenpferd sind die internationalen Kontakte, der Austausch und die Vernetzung. Wir haben starke Bande über die Jahre zu vielen auch von der Seuche der Profitgier der Atommafia betroffenen Menschen, Gruppen und Organisationen aufgebaut. Im Ernst – wer glaubt, heute, in einer globalisierten Welt, mit transnational agierenden Konzernen, dem noch etwas ausschließlich lokal entgegensetzen zu können? Ob Klimagipfel in Paris, Demo in Lingen (siehe Artikel in dieser GWR), Uranhexafluoridtransporte nach Russland, Pläne für das Wiederanfahren japanischer AKW… wir sind dabei und mischen mit.

13 Mal haben Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet und Repräsentant*innen aus aller Welt sich hier mit uns und geballter Kraft den staatlich gewaltsam durchgesetzten Castortransporten in den Weg gestellt. Wir haben dabei die Ressourcen entwickelt, neben unseren Kernthemen die Gesamtproblematik der Atomkraft zu beackern. Wo immer es geht, bilden wir uns selbst weiter, machen Infoveranstaltungen, geben die „Gorleben Rundschau“ heraus. Mit Andreas Conradt hat unser zweimonatig erscheinendes Blättchen zu einer wahren Blüte gefunden, gestalterisch angenehm lesbar, inhaltlich umfassend und den Horizont erweiternd, streuen wir unsere Haltung und aktuelle Infos von der Nordsee bis nach Bayern. Der Bezug ist kostenlos, Spenden gern gesehen.

Wir sind eine alternde Bürgerinitiative, mit über 1000 Mitgliedern, viele von uns waren schon in den 40-ern, als vor 40 Jahren die Standortbenennung Gorlebens dazu führte, dass die BI sich gründete. Es kommen weiter neue und jüngere Leute dazu. Auf jeden Fall ist der wendländische Widerstand noch quicklebendig, das zeigt sich bei der kulturellen Widerstandspartie, die am 2. Juni 2016 zum dritten Mal in Folge an den Atomanlagen stattfand. Im letzten und im vorletzten Jahr waren jeweils 8.000 Menschen an den Schwarzbau Gorleben gekommen, um mit Kunst, Kultur und kulinarisch entschieden gegen Gorleben als Endlagerjoker zu protestieren. Auch kurzfristig angesagte Aktionen wie das Laterne Gehen und Grillen am Salinas Gelände lassen uns ad hoc mit 100 Widerstandsgeistern zusammenkommen.

Viele Marktstände und Veranstaltungen bereichern wir mit unserem BI-Stand, wo es aktuelle Infos zu allen Themen gibt, die wir beackern, so zum Beispiel auch von der Arbeitsgruppe gegen Fracking, die sich 2013 gegründet hat. Regional umtriebig, bundesweit vernetzt, ja im Wendland gibt es nicht nur Atom als Thema. Francis Althoff, früher jahrelang Pressesprecher der BI, ist Teil und Sprachrohr dieser AG.

Und an unserem BI-Stand gibt es nicht nur Papier und Aufkleber, auch Fahnen, T-Shirts, Kapuzenpullis und neuerdings Mützen gehören zu unseren Aushängeschildern. Schließlich soll ja aus Protest auch Widerstand werden, das Sichtbarmachen gehört dazu.

Das BI-Büro ist Anlaufpunkt unzähliger Durchreisender sowie Telefonwissbegieriger und ohne die ständige Präsenz von Torben Klages undenkbar, als das, was es ist, der Ort, wo alle Fäden zusammenlaufen. Hier werden Geschichten gesponnen, Aktionen geplant und hier werden Sie geholfen.

Wenn – möglicherweise schon früh im Jahr 2017 – die Castortransporte in andere Zwischenlager als nach Gorleben rollen, dann sind wir gefragt, wir alle. Wir müssen dann das Kunststück vollbringen, wahr werden zu lassen, was seit Jahrzehnten auf den Plakaten steht: Gorleben ist überall.

So lange es kein Atommüllkonzept gibt, sondern nur das Verschieben von Atommüll stattfindet, so lange heißt es von uns „Wir stellen uns quer!“

Wir hoffen, wir sehen uns spätestens da und dann, wo es nötig ist, aber gern auch zur Kulturellen Widerstandsparty mit Zeit zum Schnacken, gemeine, nützliche Pläne schmieden, Erfolge feiern und Kraft tanken fürs näXte Mal, wenn es heißt: „Der Castor kommt – wir sind schon da!“