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Im März ist Tag X in Ahaus!

Der Widerstandsfunke aus Gorleben hat auch in Ahaus gewaltfreien Widerstand entfacht

| Bernd Schmidt

Ende März soll es nach dem Willen der Mächtigen aus den Vorstandsetagen der Stromkonzerne und Einsatzstäben der Polizei soweit sein. Dann soll der am letzten Tag in Gorleben vollmundig angekündigte CASTOR-Transport nach Ahaus rollen. Aber aus dem CASTOR in Ahaus scheint mehr und mehr ein Kuckucksei im Nest der Atomlobby zu werden. Denn Ahaus ist auf dem besten Wege, statt eines bequemen Ausweichstandortes, ein zweites Gorleben zu werden. (Red.)

Von Gorleben nach Ahaus: Der letzte Tag X im Wendland, im März 97 war ein voller Erfolg. Zwanzigtausend demonstrierten am Wochenende vorher in Lüneburg und im Wendland. An den Schienen festgekettete, im Gleisbett einbetonierte, an Fässern angeschlossene und über der Straße hängende Menschen stoppten den CASTOR-Transport immer wieder für Stunden. Vor dem Verladekran gab es die größte Sitzblockade, die die BRD je gesehen hat. Und entlang der gesamten Transportstrecke im Wendland gab es Protest- und Blockadeaktionen, von Transparenten über Menschen- und Treckerblockaden bis hin zu untertunnelten Straßen. Zwar gelang es den insgesamt 30 000 eingesetzten PolizistInnen zum Schluß doch noch den Transport bis Gorleben durchzubringen, aber das war fast schon nebensächlich. Der Widerstand war beeindruckend, eine „Sternstunde gewaltfreier Aktion und Sozialer Verteidigung“, so die GWR damals. So beeindruckend, daß die Betreiberseite den Fehler beging anzukündigen, der nächste Transport würde nach Ahaus und nicht nach Gorleben gehen. Dieser Transport war ursprünglich für Herbst 97 geplant, wurde dann aber wegen des wieder unerwartet stark gewachsenen Widerstands in und um Ahaus verschoben – ein erster Erfolg!

Planungen für den Tag X

Nun ist der Ahaus-Transport für die Woche vom 23. März, vielleicht auch schon für die Woche davor, geplant. Die Abfahrtskraftwerke stehen fest. Drei CASTOR-Behälter werden aus Gundremmingen und drei aus Neckarwestheim kommen. Die PolizistInnen in Nordrhein-Westfalen haben ab dem 16. März Urlaubssperre. Die Vorbereitungen der Polizei laufen auf Hochtouren. Unterkünfte werden beschafft, Einsatzzentralen eingerichtet, Einsatzpläne aufgestellt, und so weiter.

Doch nicht nur die Polizei, auch der Widerstand bereitet sich auf einen Tag X nach wendländischem Vorbild vor.

Auftakt der Aktionstage wird eine große Demo am Samstag vor dem Transport um 11.00 Uhr in Münster, der Ahaus nächstgelegenen Großstadt, sein. Anschließend soll es im Auto-Konvoi und einzeln nach Ahaus gehen, wo sechs Camps vorbereitet werden. Für den Tag X, und auch die Tage davor, wird der Schwerpunkt auf dezentrale Aktionen entlang der Transportstrecke gelegt. Als vorbereitete Großaktion ist diesmal nur X-tausendmal quer geplant, das beim Ahauser Bahnhof auf dem Anfang des Zubringergleises für das Zwischenlager stattfinden soll.

In Ahaus gibt es nämlich keinen Verladekran und keine 20 Kilometer lange Strecke, die der Transport auf der Straße zurücklegen muß. Hier führt ein, der Betreiberfirma gehörendes, vier Kilometer langes Zubringergleis direkt vom Ahauser Bahnhof bis in die CASTOR-Halle. Davor fährt der Transport auf öffentlichen Schienen, und hat bis zum Bahnhof auch zwei mögliche Strecken zur Auswahl. Da das, mit vier Kilometern recht kurze, Zubringergleis von sehr starken Polizeikräften geschützt sein wird, und viele Aktionen dort nicht möglich sein werden, wird mit dem dezentralen Aktionskonzept auf die beiden nach Ahaus führenden öffentlichen Schienenstrecken ausgewichen. Wo am Tag X übrigens auch kein öffentlicher Zugverkehr außer dem CASTOR stattfinden wird. Es soll versucht werden, den Transport möglichst weit vor Ahaus zu stoppen, und dadurch die Transportstrecke, auf der Blockaden und Aktionen stattfinden können, möglichst lang zu machen. Ein Konzept, daß angesichts der Festschließaktionen auf der Schiene, die den Transport das letzte Mal sehr lange aufhalten konnten, erfolgsversprechend ist.

X-tausendmal quer

Die Polizeiführung unter dem grünen Polizeipräsidenten von Münster, Hubert Wimber, hat zwar angekündigt jede Aktion auf dem Zubringergleis des BZA (Brennelemente Zwischenlager Ahaus) zu verhindern, insbesondere auch die Sitzblockade X-tausendmal quer. Die Aktion X-tausendmal quer wird aber nicht versuchen, der starken Polizeipräsenz auf dem BZA-Gleis auszuweichen. Sie setzt auf die innere Stärke, die entschlossen gewaltfreien Massenaktionen innewohnt, und die schon so mancher Einsatzleiter unterschätzt hat. Selbst mit 18 000 PolizistInnen, soviele sind für Ahaus angekündigt, lassen sich vier Kilometer Gleis nicht gegen mehrere Tausend Menschen „verteidigen“, die entschlossen sind, sich nur durch eine Festnahme vom Betreten des Gleises abhalten zu lassen. Das klingt zwar im besten Wortsinne phantastisch, stimmt aber.

Bei der zweiten öffentlichen Schienendemontageaktion „Ausrangiert!“ in Dannenberg versuchten 3 000 BeamtInnen einen Kilometer Schiene vor 2 000 AktionsteilnehmerInnen zu schützen. Und obwohl sie Wasserwerfer, Absperrgitter und Hundestaffeln aufboten und einsetzten, gelang es zumindest zeitweise, auf die Schiene zu kommen und diese ansatzweise zu unterhöhlen und Schrauben zu entfernen.

In Ahaus sind die Bedingungen für die Polizei ungleich schlechter. Zwar haben sie mehr BeamtInnen zur Verfügung, aber das Gleis ist auch länger, sie werden eine Menge Arbeit mit den dezentralen Aktionen haben, und X-tausendmal quer dauert um einiges länger als eine normale Aktion von ein paar Stunden. Die Blockade wird schon ein bis zwei Tage vor der Ankunft des Transports begonnen. Die Polizei hat also die Wahl, das Gleis rund um die Uhr mit zwei BeamtInnen pro Meter zu schützen, das Gleis rund um die Uhr zu räumen, alle BlockiererInnen festzunehmen, was alles bei genügender Entschlossenheit und Anzahl der AktionsteilnehmerInnen unmöglich ist, oder die Blockade irgendwann zuzulassen.

Zur Zeit laufen die organisatorischen Vorbereitungen. Es wird Essen in den Camps, SprecherInnenräte, Bezugsgruppenfindung, Polizeikontakte, Pressearbeit und ähnliches geben. Wer nach Ahaus kommt, sollte aber nicht unbedingt einen Blockaderundumservice mit einer Organisationsgruppe von fast hundert Leuten, die sich um alles kümmert bis hin zur trockenen Wäsche für Durchnäßte usw., erwarten. Eigeninitiative und Selbstorganisation sind gefragt.

Vor allem ein eigenes Camp als gemeinsamer Ausgangsort für die Aktion wird sehr fehlen. Mehrere Gewaltfreie Aktionsgruppen haben sich darauf geeinigt, daß sie gemeinsam in das Camp der BI-Ahaus, direkt gegenüber dem Zwischenlager, gehen und dort für die ganze Zeit einen gemeinsamen SprecherInnenrat aufbauen, mit dem sie dann gemeinsam an X-tausendmal quer teilnehmen. Einige Menschen aus den genannten Aktionsgruppen haben, wie hoffentlich andere Menschen auch, vor, sich innerhalb von X-tausendmal quer am Gleis festzuschließen, um dadurch die Räumung zu erschweren.

Einzelpersonen und Gruppen, die an X-tausendmal quer teilnehmen wollen, sind eingeladen, sich bei diesen Gruppen einzuklinken.

Ahaus ist nicht Gorleben

Vieles wird in Ahaus so sein, wie in Gorleben, wenn auch ein bißchen kleiner. Dennoch ist Ahaus nicht Gorleben. Die Bevölkerung von Ahaus ist zwar zum größten Teil gegen die CASTOR-Transporte, hat aber kaum Erfahrungen mit Widerstand. Gegen Atomtransporte auf die Straße zu gehen, ist im Wendland ganz normal. In Ahaus ist dieses allein ein riesiger Schritt, das Sich-auf-die-Schiene-setzten ein noch viel größerer. Trotz alledem, und das hätte vor etwas über einem Jahr kaum jemand für möglich gehalten, haben über tausend Menschen aus Ahaus und Umgebung in Zeitungsanzeigen öffentlich angekündigt, daß sie den Castortransport auf den Schienen blockieren wollen.

Aber es gibt etwas, wovor die meisten Menschen in Ahaus noch mehr Angst haben als vor CASTOR-Transporten und Polizeieinsätzen. Vor „Chaoten“! Sie haben noch sehr stark das von Medien und Polizei verbreitete Bild der Reisechaoten im Kopf. Ein Pfarrer aus Ahaus sagte in einem Gespräch: „Achtzig Prozent der Gemeinde sind gegen das BZA, aber wenn es zu Gewalt kommt, denn kippt das ganz schnell.“ Und Gewalt sind in seinem Sinne nicht nur Straßenschlachten und brennende Barrikaden, sondern auch, in unserem Sinne gewaltfreie, Schienendemontagen oder Vermummung. Hier zeigt sich, daß die bisher nur schwache Bewegung in Ahaus nicht in der Lage war, die staatliche Definitionsmacht zu durchbrechen. Und eigene Erfahrungen mit der Staatsgewalt fehlen bei den meisten Ahausern ganz.

Es wird also weniger möglich sein als im Wendland. Zu hoffen ist, daß die meisten das nicht erst merken, wenn das Kind, in Form der Akzeptanz des Widerstands vor Ort, schon in den Brunnen gefallen ist.

Auch wenn der Castor möglicherweise durchkommt, hat der Widerstand gewonnen, wenn die Bereitschaft den Widerstand zu unterstützen in Ahaus gewachsen ist, und damit beim nächsten Transport mehr möglich ist. Wenn die Ahauser Bevölkerung nach dem Tag X zum Widerstand auf Distanz geht, hat er verloren. Selbst wenn der Transport noch teurer war als im Wendland, oder sogar nicht durchgekommen ist.

Solche Phyrrussiege hat die Anti-AKW-Bewegung schon des öfteren errungen. In Grohnde gab es zum Beispiel 1977 eine Demo am Bauzaun des AKWs, die von vielen als Erfolg angesehen wurde, weil sie die militanteste Bauzaunschlacht war, die von der Anti-Atom-Bewegung je geführt worden war. In Grohnde aber ließ sie verbrannte Erde zurück. Der Schock, den diese Gewalt auf die Bevölkerung der Umgebung bewirkte, zerstörte die örtlichen BI-Strukturen wirksamer und nachhaltiger, als staatliche Repression dies jemals vermocht hätte.

Es gilt also, genau zu überlegen, welche Aktionsformen in Ahaus angebracht sind.

Gundremmingen und Neckarwestheim

Nicht nur nach Ahaus wird am Tag X mobilisiert, auch an die Abfahrt-AKWs. Am Tag X selbst wird vor allem nach Neckarwestheim mobilisiert. Dort, genaugenommen in Walheim, sollen die CASTOR-Waggons aus Gundremmingen und Neckarwestheim zusammengekoppelt werden. Ab dem Wochenende vor dem Tag X wird es hier ein Widerstandscamp geben. Dieses wird zum Ausgangspunkt für Aktionen und vor allem für die Blockaden am Tag X. Der Tag X in Neckarwestheim besteht eigentlich aus zwei Tagen. An einem Tag geht der Straßentransport von Neckarwestheim zur Verladestation im Kohlekraftwerk Walheim. Dort wird voraussichtlich am gleichen Tag auch der Zug aus Gundremmingen eintreffen. Am zweiten Tag fährt der Transport los, in Richtung Ahaus.

In Gundremmingen wird es schon im Vorfeld des Transportes Aktionen geben. Am ersten März wird es eine Demo gegen Atomtransporte geben und am 8. März die öffentlich angekündigte gewaltfreie Schienendemontage Ausrangiert.

Für die OrganisatorInnen der Aktion Ausrangiert von der Mahnwache Gundremmingen ist eine starke Beteiligung an der Aktion sehr wichtig. Für dieselbe Aktion haben sie Bewährungsstrafen zwischen drei und sechs Monaten bekommen, die sie bei Wiederholung der Aktion, absitzen müssen. Es ist also absehbar, daß Menschen für die Aktionen mehrere Monate ins Gefängnis gehen. Dies macht es wichtig, sie durch eine starke Solidarität zu unterstützen, indem wir z.B. mit auf die Schiene gehen oder zumindestens bei der Aktion anwesend sind.

Kontakte

Für X-tausendmal quer und Ahaus:
Bürgerinitiative "Kein Atommüll nach Ahaus"
Bahnhofstraße 51
48683 Ahaus
Tel.: 02561/961791

Für Neckarwestheim:
Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
c/o Demo Z
Wilhelmstr. 45/1
71638 Ludwigsburg
Tel.: 07141/903363

Für gewaltfreie Aktionsgruppen:
OldenburgerInnen gegen Atomkraft (OlgA)
Bloherfelder Str. 87
26129 Oldenburg

Für Gundremmingen:
Mahnwache Gundremmingen
c/o V. Nick
Schulstraße 7
73557 Mutlangen
Tel.: 07171/74263