ENDLICH werden sie gebraucht, „die Linken“. Ein leibhaftiger Minister ruft nach „den Linken“. LINKS UM IN DIE BUNDESWEHR! Volker Rühe will mehr Linke in der Bundeswehr. Dafür will er in der taz und dem Vorwärts inserieren lassen. Das könnte dann unter der Überschrift „JA, LINKS SEIN“ so aussehen: Links sein in der bundesdeutschen Gesellschaft bedeutete bisher häufig außerhalb zu stehen. Wir wollen nun „junge Menschen mit demokratischer Grundhaltung zum Wehrdienst ermuntern“.
Wir wollen gemeinsam eine Armee aller Deutschen schaffen. Eine Armee nicht nur der Sachsen, Mecklenburger, Bayern und Saarländer, nein auch eine Armee der Linken. Laßt uns gemeinsam „für eine republikanische Armee streiten, die sich als Teil einer zivilen Gesellschaft versteht und ihre Werte teilt“.
Besonders nötig sind Linke um gegen die Einzelfälle der Rechten ein Gegengewicht aufzubauen. Allein schaffen wir das bisher nämlich nicht. „Die Bundeswehr ist ein ‚Spiegelbild der Gesellschaft‘, aber sie soll noch mehr ein Spiegelbild der Gesellschaft werden“.
Zentral ist und da können wir Klartext reden: Wir wollen die Werte dieser zivilen Gesellschaft in alle Welt tragen. Notwendig ist „die Einflußnahme auf internationale Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft, unseren militärischen Beitrag und vor allem unsere Glaubwürdigkeit als stabile handlungsfähige Demokratie“. Und wer ist dafür besser geeignet als unsere Soldaten. Sie sind ordentlich gekleidet und vermitteln gleich einen guten Eindruck von Deutschland. Dabei ist wichtig, daß Deutschland auch von Soldaten mit linker Gesinnung in aller Welt repräsentiert wird, die Rechten allein geben doch einen etwas schiefen Eindruck. „Es kann zu Kampfhandlungen kommen“, „es kann Tote geben“, Deutschland muß in Bosnien, Kroatien, Kuwait, Namibia, Gambia, Burundi, Birma oder auf dem Kaukasus verteidigt werden. Wir wollen, daß der bundesdeutschen Gesellschaft nicht nur Rechte und Unpolitische im Kampfe um die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu Rohstoffen“ wegsterben. Das gäbe ein ganz schiefe politische Entwicklung an der Heimatfront, der erneute Dolchstoß droht!
Wenn nun auch die Linken in der Bundeswehr sind, können endlich bei Familienfeiern alle was beitragen zu den Erzählungen aus dem Leben unter Soldaten und von Krieg und Manövern. Na, ja ein Teil der Vatergeneration muß beiseitestehen, sie haben die Schule der Nation einfach verpaßt. So schafft die Maßnahme „Linke in die Bundeswehr“ eine neue gesellschaftliche Klammer. Die politischen Diskussionen werden in ihrer Schärfe abnehmen, schließlich kennt man sich ja aus der Bundeswehr. Eine Nation, eine Gesellschaft, eine Armee. So geht endlich der Ruck durch die bundesdeutsche Gesellschaft, den sich Herzog so wünscht.
Doch eines müssen wir klarstellen, die Bundeswehr ist kein Diskutierladen. Wir brauchen mehr Demokraten in der Bundeswehr, Demokratie heißt aber nicht alles tot zu diskutieren. Diskutiert wird nur, wenn es befohlen wird. Das Grundprinzip Befehl und Gehorsam bleibt, ganz demokratisch. Demokratie läßt sich nämlich befehlen, zumindest unsere Art von Demokratie. Eine Nation, eine Gesellschaft, eine Armee. Links um in die Bundeswehr!
Oder die neue Bundeswehr rechts liegen lassen?
Es war absehbar, daß im Rahmen der Debatte um die rechten „Vorfälle“ bei der Bundeswehr einige es sich nicht nehmen lassen würden und den „agent provocateur“ spielen und dazu aufrufen: „Linke in die Bundeswehr.“ Damit wurde nur eine latente Diskussion verbalisiert. Die Aufrufenden sind nicht mehr – aber auch nicht weniger – als nützliche Idioten für die laufende Militarisierung. Zum Ablauf: Nachdem von konservativer Seite (Michael Wolffsohn) der Vorschlag kam, griff ein grüner Amtsträger ihn in der taz auf und erst danach sprang Volker Rühe auf das Thema an. Der Ablauf der Debatte ist der gleiche wie im Falle der Diskussion um „Interventionen“ (also Militäraktionen) in Bosnien. Zuerst ein Anstoß aus dem konservativen Bereich, dann das Aufgreifen im Bereich der dominanten MacherInnen von Grünen, taz und Co. und dann die Umsetzung auf der offiziellen politischen Machtebene. Der Unterschied ist, daß diese Debatte im Gegensatz zur Bosnien-Debatte keine Eigendynamik bekommen hat, dazu ist die strukturelle Rechtslastigkeit der Bundeswehr in ihren konkreten Ausformungen zu präsent und zu unappettlich.
Meine These ist, daß der Aufruf „Linke in die Bundeswehr“ nur eine konsequente Fortsetzung der Politik eines bestimmten Milieus ist. Der Autor des unsäglichen Aufrufs wird in der taz wie folgt vorgestellt: Er „verweigerte Anfang der 70er Jahre den Dienst ‚in der imperialistischen Armee‘, kam mit dieser Begründung nicht durch, wurde aber als potentieller Wehrkraftzersetzer nicht eingezogen.“ Der Autor kommt aus dem Bereich der Altlinken, die oberflächlich, verbalradikal, absolut theoriefixiert und parolenhaft Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre Politik machten.
Dieses Milieu ist heute prägend für weite Bereiche der grünen Politik. Aus diesem Milieu stammen die wichtigsten ProtagonistInnen des total angepaßten Teils der Bündnisgrünen. VertreterInnen dieses Politikansatzes haben es problemlos geschafft von ihrem früheren autoritären nur oberflächlich systemkritischen Politikansatz den kleinen Schritt zu tun zum ebenfalls autoritären, oberflächlichen und nun systemimmanentem Politikansatz. Die Art und Weise, wie politische Inhalte angegangen werden, hat sich dabei nicht geändert. Dieses Milieu war nie pazifistisch, ihm war Militär nie wirklich fremd, so wurde auch und gerade dort Geld für Waffen gesammelt. Inzwischen ist die Identifikation mit dem deutschen Staat („wir“) schon fast so groß wie mit den damals von diesen Freunden verherrlichten Staaten oder Befreiungsbewegungen. Es gibt inzwischen dort eine grundsätzliche Identifikation mit diesem Staat und seiner derzeitigen Ausformung, alles was schief läuft, könne reformiert werden. Es ist nun nur konsequent, auch eine Reform der Bundeswehr zu fordern. Eigentlich müßte ja zumindest über einen Punkt Einigkeit bestehen: Es gibt Strukturen, Entwicklungen und Sachverhalte, die nicht reformiert werden können, sondern die nur dadurch geändert werden können, daß sie nicht mehr existieren bzw. abgeschafft werden. Zu diesen Strukturen gehört zweifelsohne die neue Bundeswehr.
Den Bundeswehr-Freunden kann ich nur zurufen: Meldet Euch freiwillig, zieht den Helm über, kämpft für Euren ach so zivilen Staat in aller Welt, versucht eine Armee, die nach Befehl und Gehorsam funktionieren muß (anders geht es nicht) zu demokratisieren! Geht doch (selber) zur Bundeswehr! Schafft die Einheit von Nation, Gesellschaft und Armee!
Aber, werte Bundeswehr-Freunde:
- Wir werden um jeden Jugendlichen kämpfen, damit er (und später sie) nicht zum Militär geholt werden! Wir rufen nach wie vor verstärkt zur (am besten totalen) Kriegsdienstverweigerung auf! Es sind schon zu viele Menschen dadurch kaputtgemacht worden, daß sie dem das System Militär intern ausgesetzt waren.
- Wir werden unsere Informationsarbeit verstärken (müssen), was die neue Bundeswehr ist, gerade gegenüber der politischen Klientel, die viel mit Euch zu tun hat. Ihr habt entweder davon keine Ahnung, was die neue Bundeswehr ist oder noch schlimmer, Ihr wißt es und macht gerade deshalb den Aufruf.
Eine Eingangsvoraussetzung für die Teilnahme an einer möglichen Bundesregierung wird die Zustimmung zur derzeitigen neuen Bundeswehr und zur NATO sein. Insofern war dieser Aufruf zeitlich gut kalkuliert.
Wir müssen die strukturell bedingte Rechtslastigkeit der Bundeswehr und die jetzt öffentlich gewordenen rechtsextremen Fälle, die nur ein kleiner Teil der brutalen Wirklichkeit in Bundeswehrkasernen sind, nutzen, um die politische Offensive gegen die neue Bundeswehr, die mit Landesverteidigung immer weniger zu tun hat, weiter zu verstärken. Konkret hieße das: Die jetzt erhöhte Sensibilität bezüglich des Themas Bundeswehr und Rechtsextremismus nutzen für Veranstaltungen, Info-Stände, Verteilen von Info-Material und politische Aktionen zu diesem Thema Bundeswehr und Rechtsextremismus und damit verbunden die gesamte Militarisierung sowie die gesamte Bundeswehr.
P.S. Die Zitate sind von Volker Rühe, Ralf Fücks und aus den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" (Klaus Naumann).
Wer (als drittes) errät, welche Zitate von wem sind, gewinnt ein Buch (entweder von Werner Brill: "Handbuch zur Kriegsdienstverweigerung" oder "Die neue Bundeswehr"). Das dritte Fax mit der richtigen Lösung an 07071/49154 gewinnt!