Nach den Jahren der Hungerstreiks, Demonstrationen, Kongressen und anderen Aktionen, die große öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hatten, widmete sich Dolci der eher unspektakulären Bildungsarbeit. Er baute eine Schule auf, in der nach einem von ihm erarbeiteten pädagogischen Konzept unterrichtet wurde. In Italien, aber auch in anderen europäischen Ländern, Lateinamerika, den USA und Japan veranstaltete er außerdem Seminare, um seine Erziehungsmethode vorzustellen. Sie entspricht im Grundsatz den Prämissen seiner gesellschaftspolitischen Arbeit: alle an einem sozialen Prozeß Beteiligten sollen an Diskussionen und Entscheidungen teilnehmen. Es ist also eine Struktur des Umgangs der Menschen untereinander zu schaffen, die nicht von autoritären oder charismatischen AnführerInnen geprägt wird, sondern die Anteilnahme und Kreativität aller fordert und fördert. Dolci greift hier die Mäeutik (griech. „Hebammenkunst“) auf, das heißt, die auf Platon zurückgehende Bezeichnung für die von Sokrates angewandte Methode, einer GesprächspartnerIn durch Fragen zu neuen, aufgrund eigenen Nachdenkens gewonnen Erkenntnissen zu verhelfen. Diese Methode ist die Grundlage neuer emanzipatorischer Organisationsformen. Sie können nur entstehen, wenn Menschen Angst und Mißtrauen voreinander überwunden haben (ein Merkmal, das die herkömmliche sizilianische Kultur durchaus prägt: „Wer alleine spielt, verliert nie“ ist ein altes Sprichwort auf der Insel – und der Titel eines Buches von Dolci).
Dolci war ein radikaler Gegner der Institution Schule, die seiner Ansicht nach allzu oft die Neugier, die Kreativität und Autonomie der Kinder unterdrückt. Für sehr problematisch hielt er auch die gegenwärtige Dominanz der Massenmedien und die häufig anzutreffende Verwirrung zwischen dem Begriff Kommunizieren: sich zum Nutzen aller austauschen, einen schöpferischen, alle fördernden Dialog führen und dem Begriff Übertragen: einseitiger „Informations“fluß, endlose Wiederholung des gleichen für alle EmpfängerInnen; die Übertragung ist potentiell ein Instrument der Herrschaft und Kontrolle.
Die Staudämme und die langfristige Entwicklung der Gegend um Partinico, die allerdings nicht vollkommen von der Gewalt der Mafia geprägt war wie das nur wenige Kilometer entfernte Corleone und andere Orte, zeigen die Erfolge der Arbeit Dolcis in der Nachkriegszeit.
Viel schwieriger ist es, die Wirkungen seiner pädagogischen Arbeit und radikalen Gesellschaftskritik zu beurteilen. Sowohl das bürgerliche Establishment als auch die etablierte Linke sind sehr weit von seiner Art zu arbeiten und seinen Ideen entfernt.
Die Begegnung mit ihm und die Lektüre seiner Schriften eröffneten immer wieder die Möglichkeit, über den Prozeß der eigenen und der sozialen Entwicklungen zu reflektieren. In seinen letzten Büchern hat er seine Anliegen in nahezu poetischer Form zum Ausdruck gebracht. Dolci hat die Haltung des einsamen Helden vermieden, seine pädagogische Arbeit hat er freiwillig und bewußt fernab massenmedialer Aufmerksamkeit und Popularität geleistet.
Literatur
In den letzten Jahren sind von Danilo Dolci in Italien folgende Bücher erschienen:
Dal trasmettere al comunicare, Torino, 1988
Nessi fra esperienza, etica e politica, Manduria, 1992
Comunicare, legge della vita, Manduria, 1995
La comunicazione di massa non esiste, Manduria, 1995
Lyrik: Creatura di creature. Poesie 1949-1978, Milano, 1979