Am 14. Dezember 2017 bot sich den Besucherinnen und Besuchern des Aachener Weihnachtsmarkts ein ungewohntes Bild. Gegen 20 Uhr enterten mehrere rot gekleidete Personen das Podest des Weihnachtsbaums auf dem Markt, hängten Sterne in die Zweige und umringten dann schützend die große Tanne. Auf einem Schild war in deutlichen Lettern ihre Botschaft zu lesen: „Lasst den Hambacher Forst stehen!“. Zwei weitere, als RWE-Mitarbeiter mit Kettensägen verkleidete Akteure beobachteten steif und bedrohlich das Geschehen. Die Baumschützer*innen untermalten ihren Auftritt mit Gesängen, in denen sie ebenfalls den Erhalt des uralten und schützenswerten Hambacher Forsts forderten.
Während des nur wenige Minuten dauernden Flashmobs verteilten Aktivistinnen in Engelskostümen Papiersterne unter den Weihnachtsmarktgästen. Die weihnachtlich gestalteten Flyer trugen persönliche Wünsche und politische Appelle für das kommende Jahr: Aufrufe zu mehr Einsatz und Unterstützung für die Waldbesetzung, Widerstand gegen die Klima- und Gesundheitszerstörende Braunkohle, bis hin zu so einfachen und für jeden Menschen umsetzbaren Dingen wie dem Energiesparen oder einem Stromanbieterwechsel.
„Wir wollen hier einer breiten, internationalen Öffentlichkeit klar machen, was nur 30km entfernt mit dem alten Wald und all der schützenswerten Natur geschieht“, erklärt eine der Aktivistinnen. Der Energiekonzern RWE hat den Hambacher Forst bereits auf unter ein Zehntel seiner vormaligen Ausdehnung abgeholzt. Unter dem Wald befindet sich die Braunkohle, mit der der „Stromdinosaurier“ weiter sein Geld verdienen will. Offiziell darf RWE bis 2045 das rheinische Braunkohlerevier ausbeuten. Dafür soll der letzte Rest des Waldes weichen und diverse weitere Dörfer sollen in einem gigantischen Loch verschwinden. Dagegen wehren sich seit fünf Jahren Aktivistinnen und Aktivisten, die im Hambacher Forst zahlreiche Baumhäuser und ein Wiesencamp errichtet haben. Durch ihre Anwesenheit wollen sie eine Rodung des Waldes und ein weiteres Fortschreiten des Tagebaus verhindern. Die symbolische Besetzung des Aachener Weihnachtsbaums ist Ausdruck der Solidarität und Unterstützung für die Menschen im Wald.
Angesichts des immer deutlicher spürbaren Klimawandels, der immer extremeren Wetterkatastrophen, der Flucht vieler Menschen wegen Hitze, Dürre oder dem steigenden Meeresspiegel, aber auch angesichts der gesundheitsschädlichen Luftverschmutzung in der Region, sei das Festhalten an der ewig gestrigen Technologie nicht nachvollziehbar, so die Aktivistin. Deutschland stößt nach aktuellen Studien noch immer weit mehr CO2 aus, als es die selbst gesteckten Klimaziele erlauben. Ein Großteil dieser Emissionen kommt aus der Braunkohleverstromung. „Die Klimaziele einzuhalten und den Ruf Deutschlands als Energiewendevorreiter zu retten, kann nur funktionieren, wenn wir die Braunkohle endlich im Boden lassen“. Sie bekräftigt daher den Slogan der Aktion: „Besinnt euch zum Fest, haltet nicht an der Kohle fest!“
Mit ihrer weihnachtlichen Aktion senden die Aktiven auch ein klares politisches Signal an die NRW-Landesregierung und die zukünftige Bundesregierung. „Wir brauchen einen schnellstmöglichen Kohleausstieg. Braunkohle ist ineffizient und sogar ein interner Bericht der Bundesnetzagentur und des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem Schluss, dass Deutschland sie nicht braucht, um seinen Energiebedarf zu decken“, betont ein Teilnehmer des Flashmobs. Die Rodungen im Hambacher Forst seien dadurch längst unnötig geworden. „Es scheint nur noch ums Prinzip und den Profit zu gehen, auf Kosten unseres Klimas und unserer Gesundheit“, ergänzt er.
Es braucht einen politischen Schlussstrich unter dem schmutzigen Kapitel der Kohleverstromung, aber genauso muss jede und jeder Einzelne umdenken und aktiv werden.
Lea Heuser (kommunikatz)