concert for anarchy

We’re not gonna let them win

| Nicolai Hagedorn

Aktuelle Musik gibt es viel, die Menge an Output ist kaum zu überblicken. Dabei gibt es zumeist mehr Schatten als Licht.

Auch die Donots, das Musikerkollektiv Typhoon und der New Yorker Jeff Rosenstock haben neue Alben veröffentlicht. Zwei davon sind Empfehlungen, eines ein „schönes“ Beispiel für beliebige Kulturindustrieproduktionen.

Die Donots sind eine ganz besondere Punkband. Sie haben nämlich den Karriereteil, in dem man sich auflehnt, sich mit allen anlegt, Scheiße redet und produziert, eben „Punk“ ist, von Anfang an übersprungen. Vom ersten Ton an, den sie im Jahr 1996 veröffentlicht haben, haben sie sich hemmungslos dem Mainstream angebiedert. Diese Band hat in ihrer gesamten Karriere nichts gemacht, was irgendwie etwas mit Punk zu tun hat, aber keine Gelegenheit ausgelassen, die Pseudo-Attitüde zu pflegen und sich mit der eigenen sterilen Glattheit in den Vordergrund zu drängen – das ist gewissermaßen eine Anti-Punkband und seit ihrer Solidaritätsbekundung mit dem Reichsbürger Xavier Naidoo ohnehin unmöglich. Auf dem neuen Album Lauter als Bomben wie immer das Übliche: routinierte Poppunksongs ohne Idee oder Originalität, aber mit allem, was auf Festivals mitgegröhlt werden kann. Die Donots sind eine so unglaublich durchschnittliche Band und ihr neues Album selbst für ihre Verhältnisse so unglaublich durchschnittlich, dass es eigentlich hierzulande ein sicherer Chartbreaker sein dürfte. Highlights? Keine. Wirkliche Tiefpunkte aber auch nicht. Warum man sich über diese Band nicht einmal aufregen oder ärgern kann, erklären sie in „Gegenwindsurfen“ selbst: „Weil Langeweile langsam langweilig wird.“

Auf ein ganz anderes Niveau und in ganz andere Sphären begibt sich, wer sich mit der Band Typhoon und ihrem neuen Album Offerings beschäftigt. In immer hübsch düsteren Kompositionen und manchem lyrischen Überschlag lassen die Musiker des Art-Pop-Kollektivs ihrer Musik Zeit und Raum, sich zu entwickeln. Und obwohl etwa ein Song wie „Empiricist“ über acht Minuten lang ist, schwermütigen, düsteren Poprock auftischt und sich nie richtig entscheiden kann, wohin mit sich, sind diese Lieder immer aufregend und interessant. Offerings erzählt dabei in 14 Tracks die Geschichte eines Mannes, der nach und nach das Gedächtnis verliert und dabei gegen das eigene Verschwinden kämpft. Ein einigermaßen repräsentativer Anspieltipp ist das vertrackte „Unusual“, das sich in über sechs Minuten mehrmals neu erfindet, nur um am Ende auf der Strecke zu bleiben. Aber auch straightere, fast indie-folkige Songs wie „Remember“ oder das sogar eingängige „Ariadne“ sind schwer zu empfehlen, und an dem epischen Closer „Sleep“ (ganz durchhören!) kommt man ohnehin nicht vorbei. Man wird sich auf dieses Album einlassen müssen, Musik zum „Beim Joggen hören“ ist das sicher nicht. Kunst, wie sie Typhoon machen, braucht Zeit und Muße – dass es so etwas noch gibt!

Lautere, schnellere, aber kaum minder erfreuliche Töne finden sich indes auf Jeffs Rosenstocks neuem Streich Post-. Es ist schon erstaunlich, was aus verrosteten (oder bereits verrotteten) Genres wie Punk, Indie, Emo noch herauszuholen ist, wenn Experimente gewagt werden. „USA“ ist ein gutes Beispiel dafür. Das Lied ist im Grunde drei Lieder in einem. Es startet als punkiger Indierocker, nimmt sich dann eine minutenlange verträumte Auszeit, bevor es sich langsam wieder aufmacht, die dröge Lethargie verlässt und sich zu einem wütenden „Et tu, USA?“ durchringt. Für alle, die ernsthaft glauben, etwas wie Punk könnte jemals sterben, demonstriert Rosenstock noch einmal, dass auch noch das ausgelaugteste Genre noch die schönsten Blüten treiben kann, wenn sich Songwriter wie er der Sache annehmen. Highlights gibt es genug, etwa die knackigen und eingängigen Hymnen „Yr Throat“, „All This Useless Energy“ oder das sehr schön Ramones-lastige „Beating My Head Against A Wall“.

Auch politisch hat Post- einiges zu sagen, angesichts Trumpismus und sich entsolidarisierender Gesellschaften, ist jedenfalls eines für Rosenstock klar: „We’re not gonna let them win / Fuck no.“

Das Album ist unter https://jeffrosenstock.bandcamp.com gegen Spende bzw. zum Wunschpreis erhältlich.

Nicolai Hagedorn