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Im Jahrhundert der Wölfe

Ein biographischer Essay von H.C. Buch über Pablo Neruda

| Christoph Ludszuweit

Hans Christoph Buch: Pablo Neruda, Deutscher Kunstbuch Verlag, Berlin 2018, 80 Seiten mit 54 Schwarzweiß- und Duplexabbildungen, 21 x 28 cm, 22 Euro, ISBN 978-3-422-07368-5

Erstmals legt der Berliner Autor Hans Christoph Buch mit seinem Bild-Text-Band „Pablo Neruda“ ein literarisches Portrait vor, das Fotos, die nicht von ihm stammen, mit einfühlsamen Texten unterlegt, wobei die Bilder für sich selber sprechen. Er erinnert an den großen, ungemein belesenen und schöpferischen Dichter und Nobelpreisträger Pablo Neruda, der 1904 in Chile als Sohn eines Lokomotivführers mit dem Namen Neftali Reyes Basoalto geboren wurde. Neruda wurden später sein Pseudonym. Entscheidende Impulse verdankt Neruda seinem Aufenthalt als junger Konsul in Südasien (Birma und Sri Lanka), wohin ihn die chilenische Regierung geschickt hatte. Er besuchte Rangoon, Singapor, Ceylon und Batavia.

Hans Christoph Buch begab sich für seinen biographischen Essay auf Spurensuche nach Chile, getreu dem Goethe’schen Motto aus Westöstlicher Diwan: „Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande gehen“.

Sein Band macht eindrucksvoll deutlich: Pablo Neruda verlieh dem südamerikanischen Kontinent Stimme und Gewicht.

Durch sein Werk machte er auf ein bis dahin fast unbekanntes Universum weltweit aufmerksam.

In dem schon von der Aufmachung her beeindruckenden Bildband verfolgt H.C. Buch die Lebensstationen des Dichters, in allen Facetten, kenntnisreich und akribisch. Er verweist auf den Einfluss der spanischen Barockdichtung und des französischen Surrealismus, die metaphernreiche Gestaltungsweise bis hin zu seinem Spätwerk, die Modernität und Qualität seines umfangreichen Werks.

Es beinhaltet Geschichte, Politik und Utopie, die Vor- und Frühgeschichte, Natur, Fauna und Flora des südamerikanischen Kontinents, den antikolonialen Befreiungskampf und den Spanischen Bürgerkrieg. Im Auftrag der chilenischen Regierung sollte Neruda übrigens 1939 republikanische Spanier, die nach der Niederlage nach Frankreich geflüchtet waren, aus Lagern und Bedrohung ins Asylland Chile bringen.

Es gelang ihm tatsächlich, rund 3000 spanische Flüchtlinge, darunter viele Schriftsteller und Intellektuelle, zu retten. Nerudas Texte enthalten auch zahlreiche, die Fülle des Lebens feiernde Oden und Liebesgedichte. Buch unterschlägt dabei nicht die dunkleren Seiten Nerudas, wenn er ihn in einer bestimmten Zeit auch als „Homer im Parteiauftrag“ bezeichnet, der Stalin-Hymnen schrieb und sich der Partei in einer Zeit der Tyrannei andiente, die den einzelnen gedemütigt und erniedrigt hat, in diesem „Jahrhundert der Wölfe“ (N. Mandelstam).

Der litauisch-polnische Dichter und Nobelpreisträger Czeslaw Milosz schrieb dazu: „Mag der große Dichter Lateinamerikas, Pablo Neruda, getrost für sein Volk kämpfen. Es wäre aber schlimm um ihn bestellt, wenn er alle Stimmen, die ihn aus Mittel- und Osteuropa erreichen, für Manifestationen eines überholten Nationalismus und für das Wehgeschrei einer grollenden Reaktion halten wollte. Augen, die gesehen haben, dürfen sich nicht verschließen; Hände, die berührt haben, dürfen nicht vergessen, wenn sie zur Feder greifen.“ (Aus: Verführtes Denken).

Neruda singt ein Loblied auf die ohnmächtige Macht der Poesie, wenn er zur Dichtkunst bemerkt:

„Der Dichter, der nur irrational ist, wird lediglich von seinem eigenen Ich und seiner Geliebten verstanden, das ist ziemlich trostlos.

Der Dichter, der nur rational ist, wird sogar von den Eseln verstanden, und auch das ist reichlich trostlos. Gott und Teufel führen in der Poesie einen unablässigen Kampf, und die Schlacht gewinnt mal der eine, mal der andere – aber die Poesie selbst darf niemals unterliegen.“

Vor seinem Haus in Isla Negra, inzwischen ein Museum, liegt er begraben. Mit Meeresblick.