so viele farben

Lechts oder rinks?

Nach der Parlamentswahl: Wohin rückt Italien?

| Lars Röhm, Rom

Am 4. März 2018 fanden die vorgezogenen Parlamentswahlen in Italien statt. Die Wahlergebnisse haben wie ein Erdbeben mittlerer Stärke auf Europa gewirkt. Der Wahlkampf wurde von dem fürchterlichen Attentat in Macerata und einer geschmacklosen und von Rassismus geprägten Endphase überschattet, die populistische 5-Sterne-Bewegung wird stärkste Einzelpartei und Matteo Salvinis ausländer- und europafeindliche Lega drittstärkste Kraft. So nimmt es nicht Wunder, dass schnell der Eindruck von einem Rechtsruck die Runde macht. Doch ganz so einfach ist es nicht. Schauen wir uns also die Wahlergebnisse im Einzelnen an.

Die 5-Sterne-Bewegung: der große Gewinner?

Die selbsternannte Bürgerbewegung des Komikers Beppe Grillo hat das beste Einzelergebnis eingefahren. Was das jedoch genau bedeutet, steht in den Sternen – und zwar in mehr als nur fünf.

Die Bewegung, die offiziell nicht als Partei konstituiert ist, gibt sich als beinahe basisdemokratische Bürgerbewegung nah am Puls der einfachen Leute. Sie ist gegen das politische Establishment und für eine neue Ehrlichkeit in der Politik. Links und rechts sind für sie überholte Kategorien – es wird an der Sache diskutiert! Soweit die eigene Sicht.

Tatsächlich zeichnet sich diese Bewegung durch das Fehlen einer klaren politischen Linie und programmatisches Irrlichtern aus. So setzt sich sowohl die Partei selbst als auch ihre Wählerschaft aus frustrierten ehemaligen Linken und Rechten zusammen, deren einziger gemeinsamer Nenner ist, wogegen sie sind. Wofür sie sind, das bleibt dagegen weitestgehend unklar: mal ist die Bewegung für Europa und die Währungsunion und mal dagegen, mal ist sie für eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik, mal dagegen, mal für ein Bündnis mit der Mittelinks-Partei PD (Partito Democratico), mal für ein Bündnis mit Salvinis Lega – mal blinkt sie nach links, mal nach rechts. Großes Schlagwort bleibt dabei nur eins: Ehrlichkeit.

Doch auch damit ist es in der Bewegung nicht unbedingt weit her: trotz aller Lippenbekenntnisse zu direkter Demokratie innerhalb der Bewegung, wird sie aus dem Hintergrund mit eiserner Hand von ihrem Gründer Beppe Grillo geführt – der offiziell kein einziges Parteiamt innehält. Da kann die Parteibasis an noch so vielen Onlineabstimmungen teilnehmen: passt das Ergebnis dem Gründer der Bewegung nicht in den Kram, wird es halt nicht anerkannt.

Auch ihr Hass auf das Establishment aus abgehobenen Berufspolitikern wirkt zuweilen unbehelf:

Es mag dem Spitzenkandidaten Luigi di Maio ja noch verziehen sein, dass er offensichtliche Schwierigkeiten mit der Grammatik der italienischen Sprache und außer ein paar Aushilfsjobs und einem abgebrochenen Studium in seiner Vita nicht wirklich etwas Vorzuweisen hat: Fakt ist, dass die 5-Sterne-Bewegung nicht nur sein erster fester Job, sondern im Wesentlichen sein Beruf ist. Kritiker*innen behaupten zudem, die Bewegung habe sich mit ihrem Versprechen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen die Wählerstimmen aus dem verarmten Süden gekauft.

Die Orientierungslosigkeit der Bewegung zeigt sich nicht zuletzt bei der Suche nach einem Koalitionspartner. Mal soll es die Demokratische Partei ohne den verhassten Matteo Renzi sein, dann doch lieber die Lega. Allerdings ohne deren zum Anhängsel geschrumpften Partner Berlusconi.

Größte Stilblüte dieses Gerangels ist der Vorschlag einer Regierung aus 5-Sterne-Bewegung und Lega, mit EZB-Chef Mario Draghi als Premierminister: die beiden größten Gegner der EZB in einer Regierung also mit ihrem Erzfeind. Soviel zu einer Bewegung, die von einem Komiker gegründet wurde.

Die Lega: der zweite große Gewinner?

Die Clownerie hat die 5-Sterne-Bewegung allerdings nicht für sich alleine gepachtet. Denn es gibt ja noch den ehemaligen Kommunisten und heutigen Rechtsaußen Matteo Salvini mit seiner Lega.

Mit einer gewissen Bauernschläue hatte er versucht, den Rassismus des Nordens gegen den „faulen“ Süden der ehemaligen Separatistenbewegung Lega Nord in einen allgemeinen Rassismus gegen alles Nicht-Italienische umzumünzen.

Um auch im Süden Wählerstimmen zu erhaschen, ist er dabei soweit gegangen, das „Nord“ aus dem Namen der Partei einfach zu streichen. Die Rechnung ist allerdings nicht aufgegangen. Der Süden hat Salvini und seiner Partei den Rassismus der vergangenen Jahre und Jahrzehnte nicht verziehen und lieber 5-Sterne gewählt. Den Wahlerfolg hat Salvini daher wohl eher seinem ehemaligen Seniorpartner Silvio Berlusconi zu verdanken.

Berlusconi und die Forza Italia

Einer der absoluten Höhepunkte der Komik war Ex-Premier Silvio Berlusconi. Dieser war wegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung eigentlich gar nicht als Kandidat für die Wahl zugelassen, was ihn allerdings wenig gestört hat. Er hat einfach so getan, als wäre er der Spitzenkandidat. Und das natürlich, ohne zu verraten, wer denn im Falle eines Wahlsieges an seiner statt eigentlich Premierminister werden solle. Und nicht nur das: der offensichtlich an Alterssenilität leidende 81-Jjährige fiel im Wahlkampf im Wesentlichen durch wirre Aussagen auf.

Berühmt wurde seine Ankündigung, dass er, da eine von ihm in Auftrag gegebene Studie herausgefunden habe, die Menschen würden bereits in wenigen Jahren im Schnitt 130 Jahre (sic!) leben, das Rentenniveau auf mindestens 1.000 Lire pro Monat anheben würde. Umgerechnet in Euro wären das ca. 50 Cent!

Da Berlusconi selbst bis 2019 keine öffentlichen Ämter bekleiden darf, könnte man dem Ganzen eigentlich mit einem müden Lächeln begegnen.

Doch: viele Beobachter*innen haben – wohl nicht zu Unrecht – befürchtet, Berlusconi können bis 2019 eine Marionette als Premier installieren und dann doch selbst die Amtsgeschäfte übernehmen. Daher dürften viele der gemäßigt rechten Wähler*innen der Forza Italia ihr Kreuzchen diesmal beim ehemaligen Juniorpartner der Lega gemacht haben.

Zum Lachen oder zum Weinen: die Demokratische Partei (PD)

Wer bereits die Selbstzerfleischung der SPD nur mit Kopfschütteln beobachtet hat, sollte froh sein, nicht in Italien zu leben. Denn schlimmer geht immer. Oder besser gesagt: dümmer geht immer!

So ist die italienische PD nicht etwa mit dem wegen seiner ruhigen und sachlichen Art durchaus beliebten, aktuellen Premier Paolo Gentiloni als Spitzenkandidat zur Wahl angetreten, sondern mit Italiens meist gehasstem Politiker, dem Ex-Premier Matteo Renzi. Dieser war vor einigen Jahren angetreten, um als junger, dynamischer Politiker das System der alten Eliten zu „verschrotten“.

Dies tat er wohlgemerkt nicht etwa als Kandidat bei Parlamentswahlen (die Regierung wurde bereits von seiner Partei gestellt), sondern in dem er sich parteiintern in das Amt des Premierministers putschte. Verschrottet hat Renzi in seiner Amtszeit lediglich das italienische Arbeitsrecht, ein einfaches und klares Wahlrecht, das Vertrauen der Bevölkerung und letztlich seine eigene Partei.

Was nun?

Wie es nun in der italienischen Politik weitergeht, wird sich zeigen. Es stimmt, dass Italien durchaus ein Problem mit Rassismus hat, dies aber seit langem und auch nur in einem Teil der Bevölkerung: bevor sich der Hass gewisser Teile der Bevölkerung gegen Flüchtlinge aus Afrika richtete, ging es gegen Albaner und Rumänen, gegen die „Zigeuner“ und davor – in Ermangelung von Ausländer*innen – eben einfach gegen Süditaliener. Jetzt von einem Rechtsruck zu reden, ist daher nicht ganz richtig. Zumal: entgegen aller Befürchtungen, hat es die offen faschistische Bewegung „Casa Pound“ nicht geschafft, ins Parlament einzuziehen. Was bleibt: Manege frei, die Clowns ziehen ein!

Lars Röhm, Rom