Daring, C. B.; Rogue, J.; Shannon, Deric; Volcano, Abbey (Hg.): Anarchismus queeren. Über Macht und Begehren in herrschaftskritischen Kontexten. Aus dem Englischen von Tobias Brück, Melike Cinar, Jessica Eitelberg, Dietlind Falk, Rebecca Mann und Margarita Ruppel, Unrast, Münster 2017, 292 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-89771-308-6
Mit „Anarchimus queeren“ legen die Herausgeber*innen ein Kompendium von zumeist kurzen Essays vor, die „eine Art Einführung“ (S. 15) sein sollen.
„Diese Einführung“, so formuliert ihr Selbstanspruch weiter, sei eine, die die „Schnittpunkte von anarchistischer und queerer Politik“ (S. 15) in den Blick nehme.
Die artikulierten Zielsetzungen beinhalten dann auch folgerichtig die Möglichkeiten des queeren Anarchismus aufzuzeigen.
In der Tat bietet der Band, wie er von sich selbst wiederholt behauptet, eine „vielseitige Mischung“ (S. 10).
Sie vereint relativ konventionelle Kritik an einer heteronormativen Gesellschaft, wie z. B. in den Beiträgen von Ryan Conrad „Homo-Ehe und queere Liebe“ und „Heteronormativität muss zerstört werden“ von Saffo Papantonopoulou, mit antikapitalistischer Untersuchung der Sexarbeit („Eine queere Analyse der Sexarbeit“) und facettiert gleichermaßen staatliche Drogenpolitik („Schadensreduzierung als Genussaktivismus“ von Benjamin Shepard) wie auch sexuelle Praktik mit staatlicher Insititution enggeführt wird in „Anarchie, BDSM und Konsens-Kultur“ von Hexe.
Tatsächlich spiegeln die Beiträge so ein breites Spektrum an Zugriffsweisen und Motiven anarchistischer und queerer Kritik wider. Obwohl diese Vielfalt sicherlich den Reiz des Sammelbandes ausmacht, trägt sie auch dazu bei, dass Anspruchshaltung und deren Erfüllung teils weit auseinanderklaffen. So erschöpft sich beispielsweise die erwähnte Kritik an der heteronormativen Institution Ehe vor allem darin, konventionelle Kritikpunkte übersichtsartig abzureißen.
Vor diesem Hintergrund bleibt dann auch die Forderung nach einer Verbindung von queerem Aktionismus und Anarchie, die neue Perspektiven eröffnet, seltsam unerfüllt. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass die Beiträge so überaus heterogen sind, damit eine genauere sowie umfassendere Begriffs- und Definitionsreflexion verwehren und oftmals im Entwurfsstadium verharren. Für eine konsequente Umwertung von queerer Kritik und Anarchismus, die diese Verbindung dezidiert produktiv ausreizt, ohne sich in Wiederholungen antikapitalistisch formulierter Kritik zu verlieren, ist das schlicht zu kurz gegriffen.
Das mag und muss aber auch gar nicht der Anspruch einer selbsterklärten Einleitung bzw. Einführung sein. Schließlich versteht sich die Publikation, um ihre Widmung aufzugreifen, eben als eine Einführung „[f]ür alle, die für eine Welt ohne Vorgesetzte, Grenzen und Langeweile kämpfen“ (S. 7).
Auch für alle thematisch Interessierten bietet es eine leichte und durchaus kurzweilig zu lesende Einführung, die ihren Reiz vornehmlich aus der Vielgestalt ihrer Zugriffsweisen gewinnt. Mehr freilich als ein oberflächlicher Einstieg ist diese selbsternannte „Komplexität ohne Vagheit“ (S. 11) nicht.
Sona Arasteh-Roodsary