Türkei: Osman Murat Ülke erneut verurteilt

(ask) Zum bisher letzten Prozeßtag gegen Osman Murat Ülke am 22. Januar in Eskisehir kamen insgesamt 20 UnterstützerInnen aus Izmir und Istanbul. Vor der eigentlichen Gerichtsverhandlung gab es heftige Diskussionen mit Polizei und Soldaten über die bei den letzten Prozessen wiederholt vorgekommenen rechtswidrigen Durchsuchungen der Anwältinnen.

Osman war dieses Mal wegen „Desertion“ bzw. „Flucht“ angeklagt, da er nach der letzten Verurteilung dem Befehl, selbst zu seiner Einheit nach Bilecik zu fahren, nicht nachgekommen war (vgl. GWR 223). In seiner Verteidigungsrede erklärte er dazu:

„Vom Gericht wird in diesem sogenannten Gerichtsverfahren erwartet, daß ich meine Auffassung über den Verhandlungsgegenstand zur Sprache bringe. Ohne lange Worte zu machen kann ich sagen, daß dies nicht möglich ist. Was hier als ‚Flucht‘ zusammengefaßt und bestraft werden soll, entbehrt jeglicher Grundlage. Es gibt einen einfachen Grund, warum ich mich hier befinde: weil ich gegen die Herrschaft des Menschen über andere Menschen bin, und weil ich die Zusammenarbeit mit Organisationen verweigere, die sich auf Gewaltherrschaft gründen und darauf zielen, Gewalt anzuwenden. (…) Wirklich auf der Flucht befindet sich der militaristische Apparat, der auf den freien Willen des Menschen keine Antwort weiß. Dieser Apparat, der sich sogar der Beschreibung der Frage der Kriegsdienstverweigerung entzieht, zeigt seine eigentliche Blöße und Unfähigkeit durch ein Manöver, dies als Form der ‚Flucht‘ zu bezeichnen.“

Dennoch verurteilte das Militärgericht Osman wegen Desertion zu zehn Monaten Haft. Gleichzeitig beschloß das Gericht seine Freilassung aus der Haft, da er seine Strafe bereits abgesessen habe. Aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit wurde Osman dieses Mal auf Beschluß des Gerichtes unter soldatischer Bewachung zu seiner Einheit nach Bilcik gebracht. Dort verweigerte er erneut alle militärischen Befehle und befindet sich mittlerweile wieder im Militärgefängnis von Eskisehir.