So ein Wald ist wirklich geduldig. Er hält viel aus. Seine nahezu stoische Ruhe kann man nur bewundern, denn jetzt musste der Hambacher Wald sogar erdulden, dass anlässlich seiner drohenden Rodung durch RWE die Partei der Grünen genau dort, in seinem Schatten, ihren „Kleinen Parteitag“ abhielt. In einem Zelt mit Blick auf seine prächtigen Bäume und sein ihm drohendes Schicksal, die Tagebaugrube.
Angesichts der Verbundenheit der NRW-Grünen mit genau dieser drohenden Rodung und der Braunkohleindustrie war dieser Parteitag ein wahrhaft beschämendes und nur allzu durchsichtiges Theater! Von Selbstkritik weit entfernt und große Sprüche klopfend, witterten die Grünen dort exzellente Möglichkeiten, auf Stimmenfang zu gehen. Offensichtlich in der Hoffnung, dass die meisten WählerInnen unter Amnesie leiden.
Zur Erinnerung:
1998 war es die grüne NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn, die RheinBraun/RWE für den Tagebau Garzweiler die sogenannte Sümpfungslizenz erteilte. Das bedeutet, in den Tagebaugruben Grundwasser abpumpen zu dürfen – mit allen negativen ökologischen Konsequenzen für Menschen, Tiere und Pflanzen der Umgebung durch die Senkung des Grundwasserspiegels. Ohne das Abpumpen des Grundwassers würden die Tagebaugruben mit Grundwasser volllaufen, ein Abbau der Braunkohle wäre nicht möglich.
2016 waren es die NRW-Grünen in Koalition mit der SPD, die die Rodung des Hambacher Forsts beschlossen.
Dass sie sich jetzt geradezu erdreisteten, genau dort ihren „Kleinen Parteitag“ abzuhalten, macht mich persönlich fassungslos. Aber die Hambach-Strategie der Grünen zeigt erste Erfolge. Sie befinden sich in puncto Wählerstimmen in einem rasanten Aufstieg. Ihre Inszenierung als Partei, die sich konsequent dem Umweltschutz, der – wenn überhaupt noch möglichen – Verhinderung des Klimawandels verschrieben hat, scheint zu funktionieren. Denn tatsächlich scheinen Teile der Bevölkerung, und das nicht nur in NRW, unter Amnesie zu leiden. Man denke nur an die Zustimmung der Grünen für die Bundeswehreinsätze in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien 1999 und in Afghanistan Ende 2001 und für die Agenda 2010. Auch ein Mann wie Joschka Fischer, seines Zeichens Berater/Lobbyist von Siemens, BMW und – man mag es kaum glauben – RWE, ist nach wie vor ein hochangesehenes Mitglied dieser Partei.
Aber ich will die Vergangenheit nicht länger bemühen, um die Absurdität der Ziele, das Drama dieser Partei aufzuzeigen. Das, was ich den Grünen vorwerfe, ist ganz schlicht und ergreifend die nicht bzw. kaum vorhandene Systemkritik. Sie träumen weiter vom grünen Kapitalismus. Der aber ist mit seiner Wachstums- und Profitmaximierungslogik eine Quadratur des Kreises. Die Grünen sind die Partei des Green-Washing.
Nicht ohne Grund ist die Hauptforderung der globalen Umweltschutz- und Klimabewegungen „System change not climate change“. Die Menschen, die im globalen Süden leben, haben das schon lange erkannt, denn sie sind den Brutalitäten des Kapitalismus, seiner Diktatur der Profitmaximierung, viel stärker ausgesetzt als wir in den sogenannten westlichen Industrienationen. Wir profitieren (noch) vom Kapitalismus, wir haben uns kaufen lassen. Und das auf Kosten der Menschen des globalen Südens. Sie werden für unsere Konsumprodukte versklavt, sie verlieren ihr Land, ihre Gemeinschaften, ihre Kulturen und werden ins Elend gestürzt. Auf dem „Tribunal für die Rechte der Natur“, das im letzten Jahr in Bonn anlässlich der Klimakonferenz stattfand, standen Menschen auf dem Podium, die weinend davon berichteten, was internationale Konzerne in „Kooperation“ mit korrupten Regierungen ihren Gemeinschaften antun: massive Umweltzerstörung (z.B. im Nigerdelta), Landraub, Mord, Folter, Zerstörung ganzer Gemeinschaften und Kulturen. Im Gremium dieses Tribunals saß kein einziger Grüner, keine einzige Grüne, aber viele weltweit anerkannte UmweltaktivistInnen.
Dieses Thema interessiert die Grünen schlichtweg nicht, zumindest nicht glaubhaft. Denn dann müssten sie die Systemfrage stellen. Und genau das wollen sie nicht. Aus Angst vor Stimmenverlusten. Sie wollen mit dem System kooperieren. Die Ziele, die sich die Grünen auf ihre Fahne geschrieben haben wie Umweltschutz, Verhinderung des Klimawandels, Beseitigung der sozialen Ungerechtigkeiten, sind im Kapitalismus definitiv unmöglich! Mit der Globalisierung und dem bösartigen neoliberalen Diktat der sogenannten freien Märkte ziehen internationale Unternehmen mittlerweile im Namen von Profit und Rendite für die Aktionäre marodierend und alles zerstörend um die Welt und es sieht so aus, als gäbe es nichts und niemanden mehr, der sich ihnen in den Weg stellen könnte. Die Regierungen tun es nicht, weil sie zu sehr mit ihnen verbandelt und/oder selbst korrupt sind.
Die Menschen können es schaffen, wenn sie sich zu einer internationalen, solidarischen Massen-Bewegung zusammenschließen.
In diesem Kontext geben die Grünen ein jämmerliches Bild ab! Am Hambacher Wald allemal!
Margareta Muer
Zum Thema Hambacher Forst siehe auch die Artikel von Anett Keller und Rüdiger Haude in dieser GWR
Weitere Artikel zum Thema in der monatlich erscheinenden Druckausgabe der GWR. Schnupperabos gibt es hier.