In Frankfurt und Umgebung kam es in den letzten Wochen und Monaten zu mehreren Brandanschlägen auf linke (Wohn)projekte und Autonome Zentren, wie den "Knotenpunkt", der weitgehend ausbrannte, die Wohnprojekte "Assenland" und das Hanauer "Schwarze 7", wo ein Bauwagen in brand gesetzt wurde, sowie das langjährig besetzte Haus "Au" in Frankfurt Rödelheim. Zuletzt berichteten auch die Aktivisten im Bockenheimer "Exzess" von zwei mutwillig gelegten Bränden. (Siehe Nachtrag) Die GWR sprach mit Anna Fuchs*, einer (ehemaligen) Bewohnerin des Knotenpunkts über die Folgen der Anschläge, Ermittlungsergebnisse und Selbstschutz.
GWR: Der Brandanschlag auf den Knotenpunkt wurde von Polizei und Feuerwehr untersucht. Was kam dabei heraus?
Anna Fuchs: Nach dem Brand waren unter anderem Brandermittler des LKA auf dem Hof und untersuchten den Brandherd auf Spuren. Dabei konnten zwar keine Reste von Brandbeschleunigern mehr gefunden werden, da aber keine andere mögliche Ursache für den Brand naheliegend ist, geht die Polizei von Brandstiftung aus und ermittelt in diese Richtung. Weitere Ermittlungsergebnisse liegen bisher nicht vor.
GWR: Es hieß, bei den weiteren Anschlägen, die großteils schnell entdeckt wurden, solle die Polizei nicht involviert werden. Warum?
Fuchs: Ich denke, das ist so nicht ganz richtig, kann aber auch nicht für andere Projekte sprechen. Naheliegende Gründe lassen sich jedenfalls schnell finden. So könnte etwas Zeit benötigt worden sein, um über den Umgang mit der Polizei nachzudenken und sich darüber abzustimmen. Immerhin handelt es sich bei allen angegriffenen Projekten um linke Projekte oder Zentren. Mensch hat also Erfahrung mit politischer Repression und lädt sich die Polizei nicht unbedingt zum Kaffee ins Wohnzimmer ein. Zudem gibt es bei vielen Menschen Zweifel am Ermittlungseifer der Polizei, wenn es um Gewalt von Rechts (und dann auch noch gegen linke Menschen oder Strukturen geht), was sich auch aus vielfältigen Erfahrungen speist. Nicht zuletzt wird in Teilen der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, insbesondere von CDU, FDP und AfD, sowie in Teilen der lokalen Medienöffentlichkeit seit geraumer Zeit Stimmung gegen linke Zentren gemacht. Es steht also zu vermuten, dass mensch sich auch auf einen Umgang mit der Öffentlichkeit verständigen musste und nicht wollte, dass die Polizei dem vorgreift.
GWR: Gibt es Hinweise auf eine politische Motivation der Anschläge? Welche?
Fuchs: Es gibt, soweit wir wissen, bisher keine konkreten Hinweise auf möglich Täter*innen und auch keine Hinweise auf Gruppen, die daran beteiligt sein könnten.
Der Verlauf der Serie spricht jedoch eine eindeutige Sprache. Innerhalb eines kurzen Zeitraums wurde ausschließlich an linken Projekten im Rhein-Main-Gebiet insgesamt siebenmal Feuer gelegt und das auch immer auf eine vergleichbare Art. Der oder die Täter verfügen über Ortskenntnis, legen die Brände zu nachtschlafender Zeit und nehmen den Tod von Bewohner*innen und Anwohner*innen in Kauf. Im Fall des Knotenpunktes Schwalbach kann man nur von Glück reden, dass niemand verletzt oder getötet wurde. Diese Art der Geringschätzung des Lebens anderer und die gezielte Stoßrichtung gegen Links lassen eine rechtsradikale Anschlagsserie wahrscheinlich erscheinen.
GWR: Wie wird der Selbstschutz organisiert?
Fuchs: Dazu sollte hier freilich nichts Genaues gesagt werden. Die Bewohner*innen und ihr Unterstützer*innenumfeld organisieren sich, um sich und ihre Projekte gegenseitig zu schützen. Die frankfurter Szene ist weder klein, noch mangelt es ihr an Entschlossenheit oder Solidarität.
GWR: Wie laufen die Wiederaufbauarbeiten im Knotenpunkt? Sind die betroffenen Bewohner anderweitig untergekommen?
Fuchs: Nach dem Brand gab es sofort eine große Welle der Solidarität, die bis heute anhält. Die Bewohner*innen sind an anderen Orten untergekommen und haben es zumindest warm und trocken. Am Ort des Brandes in Schwalbach herrscht seitdem geschäftiges Treiben. Immerhin sind drei Nebengebäude völlig heruntergebrannt und das Haupthaus ist stark beschädigt. In den Wochen nach dem Brand wurde zunächst die gewaltige Menge an Brandschutt beseitigt, dann das Haus sozusagen entkernt und mittlerweile befinden wir uns im Wiederaufbau. Das alles ist viel Arbeit und wird noch eine Weile dauern, aber wir erfahren großen Rückhalt sowohl aus der frankfurter Linken als auch aus der Stadtbevölkerung und sind guter Dinge, in einigen Monaten zumindest das Haupthaus wieder bewohnen zu können.
GWR: Wie könnte man euch unterstützen?
Fuchs: Natürlich können wir tatkräftige Unterstützung beim Bau gut gebrauchen und sind auch für Spenden dankbar. Der komplette Wiederaufbau aller Häuser wird finanziell nicht einfach zu stemmen sein, auch wenn das Projekt brandschutzversichert ist.
Darüber hinaus denken wir, dass es wichtig ist, in unserer politischen Gegenwart und wegen des Rechtsrucks im öffentlichen Diskurs, der unter anderem von AfD, CDU und FDP forciert wird, noch entschlossener für alternative Lebensformen, solidarisches Miteinander und gegen Rassismus, Nationalismus, rechte Gewalt und staatliche Repression einzutreten – sei es im Privaten, im Alltag oder in der medialen Öffentlichkeit. Dieser öffentliche Diskurs bildet den Hintergrund, vor dem sich die Anschlagsserie und die rechte Gewalt der letzten Jahre abspielt und hier können wir alle zusammen noch mehr diskursive Gegenmacht aufbauen und deutlich machen, wofür und wogegen wir stehen.
Interview: Nicolai Hagedorn
Nachtrag, 11.12.
Inzwischen berichtet auch das Café Exzess in Frankfurt-Bockenheim von Brandstiftungen. Am Montag Abend hieß es in einer Pressemitteilung:
„Am Sonntagabend, dem 9. Dezember 2018, wurde um 21.30 Uhr ein Brandanschlag gegen das Café ExZess gestartet, der von uns frühzeitig gelöscht werden konnte. Wir sehen diesen Anschlag in der Reihe mit den Brandanschlägen der letzten Wochen gegen Häuser des Mietshäusersyndikats und gegen linke politische Projekte. Wir schließen uns auch der Einschätzung an, dass diese Anschläge gefördert oder sogar bedingt sind durch eine gesellschaftspolitische Stimmung und einen öffentlichen Diskurs, in dem linke Projekte und alternative Wohnformen stigmatisiert und kriminalisiert werden und damit Lebensentwürfe von Menschen bedroht werden, die solidarische Alternativen zur gesellschaftlichen Entfremdung gemeinsam aushandeln und umsetzen. Diese Entwicklungen sind nicht unbekannt, sondern erinnern zum Beispiel an den aufkommenden Faschismus seit den 1920ern und die rassistischen Brandanschläge in den 1990ern. Die Hemmschwelle, dem bestehenden Hass einmal mehr Taten folgen zu lassen, wird dabei unter Inkaufnahme der Gefährdung von Menschenleben heruntergesetzt. Nicht nur unsere Leben, sondern auch die aller Menschen, die mit uns in solidarischer Nachbar*innenschaft wohnen.
Wir bedanken uns für die Solidarität, die uns bisher aus allen Richtungen entgegengebracht wurde. Wir sind solidarisch mit allen anderen betroffenen Projekten. Während diese Zeilen geschrieben wurden, gabs im laufenden Betrieb des Montagscafés einen weiteren Brandanschlag auf das ExZess. Wir beenden daher diese Pressemitteilung und tragen unseren Protest nun auf die Straße.“
* Name von der Redaktion geändert.
Wer die Leute vom "Knotenpunkt" beim Wiederaufbau unterstützen möchte, möge unter der E-Mail-Adresse projekt.knotenpunkt@gmx.de Kontakt mit den Bewohnern aufnehmen.
Weitere Artikel zu diesem und ähnlichen Themen in der monatlich erscheinenden Druckausgabe der GWR. Schnupperabos gibt es hier.