Die neue Klimastreik-Bewegung hat ihre eigene Dynamik und wird durch viele Menschen getragen. Der Klimawandel ist eine Bedrohung für die Zukunft der Menschheit. Weltweit demonstrieren deshalb zigtausende Schüler*innen freitags unter dem Motto „Fridays for Future“ vor den Parlamenten und Rathäusern, statt in die Schule zu gehen. Sie sind weder an eine Partei noch an eine Organisation gebunden. Auf fridaysforfuture.de schreiben sie: „Wir werden die Leidtragenden des Klimawandels sein. Gleichzeitig sind wir die letzte Generation, die einen katastrophalen Klimawandel noch verhindern kann. Doch unsere Politiker*innen unternehmen nichts, um die Klimakrise abzuwenden. Die Treibhausgas-Emissionen steigen seit Jahren, noch immer werden Kohle, Öl und Gas abgebaut. Deswegen gehen wir freitags weder in die Schule noch in die Uni. Denn mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, setzt ihr unsere Zukunft aufs Spiel!“ Ein Bericht aus Flensburg (GWR-Red.)
Bei der Auftaktkundgebung zu den ersten Flensburger fridaysforfuture-Protesten sehe ich am 8. Februar vereinzelt Parteifahnen und frage mich, wie die streikenden SchülerInnen wohl zu Parteien stehen. Eine sehr deutliche Durchsage beantwortet meine Frage: Es seien hier alle Menschen willkommen, aber Parteifahnen hätten auf dieser Demo nichts verloren.
„Klimawandel Stopp“ rufen die SchülerInnen hinter dem Fronttransparent. Eine von ihnen fängt eine inhaltliche Debatte um den Spruch an und setzt sich mit ihrem Alternativvorschlag durch: Nun rufen sie „Klimakrise Stopp“, ihnen sei es wichtig, die politische Dimension des Problems in den Mittelpunkt zu rücken.
Über 1500 Menschen, die allermeisten SchülerInnen, sind an diesem Freitag dabei – die größte Demonstration in der Stadt in den letzten Jahren. „Warum für eine Zukunft kämpfen, die es bald nicht mehr gibt?“, fragen die Teilnehmenden. Auf Plakaten steht „The seasons are more irregular than my period“, „There is no plan(et) B“ und „Time to rebel“.
Nicht nur in Flensburg sind erstaunlich viele Menschen auf der Straße, insgesamt gibt es in über 50 Städten von Garmisch-Partenkirchen bis Detmold Demos.
„Der Klimawandel bedroht die Existenzgrundlage unserer Spezies, die Natur braucht uns nicht, sie wird sich anpassen, aber wir Menschen brauchen die Natur, wir sind auf das aktuelle Ökosystem angewiesen“, betont Flo, Schüler der Viktoriaschule Aachen.
Im Interview sagt mir Luna Renninger aus dem Orga-Team der Proteste in Flensburg, angemeldet seien 500 Menschen gewesen. Die Oberbürgermeisterin der Stadt, Simone Lange, habe zunächst behauptet, nicht in der Stadt zu sein – sei dann aber doch aufgetaucht und habe reden wollen. „Die Politiker wollen von uns profitieren“, ist sich Renninger sicher. Sie ist sich der Macht bewusst, die diese Proteste bundes- und europaweit haben. Auf die Frage nach Bündnissen und gemeinsamen Aktionen mit anderen AkteurInnen sagt sie, es sei wichtig, offen zu sein, sich aber nicht bremsen zu lassen. Verarscht fühle sie sich von der Politik. „Wir sind die fucking Zukunft“, fasst sie es zusammen. Kleine Alltagsschritte seien wichtig, aber jetzt gerade ginge es primär darum, mit vielen Menschen Zeichen zu setzen.
Und auch darum, dabei nicht belächelt zu werden. Sie wünscht sich, dass auf ihre Inhalte eingegangen wird, statt die Proteste als Sache „der Jugend“ zu belächeln. Ja, sie seien jung und hätten daher vielleicht auch eine andere Sicht auf die Dinge. Diese sei aber nicht weniger ernst zu nehmen, Jugenddiskriminierung nerve sie.
„We will go to school if you keep the climate cool“, heißt es auf einem der vielen selbstgemalten Schilder. „Wir schwänzen nicht, wir kämpfen“ auf einem anderen. Die Aufregung um das Schule-Schwänzen hält Luna Renninger für vollkommen unangemessen. Es handle sich, so sagt sie, wahrlich nicht um ein Drama. Und auch wenn es an dieser Stelle vielleicht zu weit führen würde: wenn etwas ein Drama sei, dann das Schulsystem.
Luna Renninger ist keine abgeklärte Politikerin. „Ich will auch emotional sein“, sagt sie. Und dass es sie wirklich ärgere, wenn Frau Lange in ihren Reden Sachen verspreche, die sie nicht halten könne. PolitikerInnen hätten zwar eine unglaubliche Macht, aber gerade deswegen sei es beängstigend, wie wenig passiere. „Wir können was bewirken“, ist sie sich sicher.
Auch die nächsten Freitage wird es Aktionen geben und am 15. März dann einen weltweiten Klimastreik. Aber sie wollen auch groß denken, nicht nur Vorwürfe machen, nicht engstirnig werden, sondern auch die guten Dinge im Blick behalten und auf ihren Treffen auch über Ziele und Visionen reden.
Hanna Poddig
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