„Bei entsprechendem Tempo siegt das Licht über die Dunkelheit.“

Der 1971 in Ost-Berlin geborene Alexander Krohn legt mit „Ohrstäbchen in der Kathedrale“ sein 15. Buch vor. Krohn begann erst mit 29 Jahren seine schriftstellerische Tätigkeit. Daneben ist er Musiker, Herausgeber der Zeitschrift „Floppy myriapoda“ und Gründer des Musiklabels und Buchverlags Distillery. Er studierte Philosophie und beschäftigt sich seit 2005 auch mit der Bildenden Kunst. Krohn gehört zu der weithin berühmt-berüchtigten Prenzlauer Berg-Szene und nennt etwa Bert Papenfuß seinen „Ratschläger“. Zu seinen Veröffentlichungen gehören vor allem Gedichtbände und ein Roman. Im neuen Buch wählt er die Kurzprosa.

Die zwischen 2010 und 2013 entstandenen Texte handeln von erzwungenen Zungenküssen, dem Unterschied zwischen Unterhalten und Reden, fremden und eigenen Kindern bis hin zum Wattestäbchen, welches in Ermangelung eines Abfalleimers den Weg in der Hosentasche des Autors vom Badezimmer in eine Kathedrale findet. Schön auch der Antiklau: statt Bücher in der Buchhandlung zu stehlen, einfach mitgebrachte dort einsortieren. Nicht jedes Prosastück passt zur eigenen Befindlichkeit und wird vielleicht in dem Moment als nicht weiter beachtenswert betrachtet. Es wartet einfach darauf, dass die Stimmung kippt. Irgendwann passt es. Auch der Humor blitzt manchmal erst beim zweiten Lesen auf. Dementsprechend ist es ein Buch, welches einfach mal quergelesen und immer mal wieder zur Hand genommen wird und intellektuellen Anschub bringen kann.Die Texte stehen für sich und überlassen es der Leserschaft, eigene Fantasie zu entwickeln. Oder sie stehen wie Losungen von Kalenderblättern mit eigenem Sinn und poetischem Verstand einfach nur so da. Das trifft auch auf die Zeichnungen von Hanka Schalinski zu. Sie erinnern an den abstrakten Expressionismus des US-amerikanischen Künstlers Cy Twombly, nur minimalistischer. Ein wunderbares Buch für angebrochene Nachmittage auf der Couch.

Jochen Knoblauch