Mit "Weil du nur einmal lebst" kommt ein Tourfilm über die Düsseldorfer Punk-Combo Die Toten Hosen ins Kino
„In solchen Momenten überlegst du dir natürlich – du kannst jetzt noch 20 geile Konzerte spielen oder noch 20 Jahre mit deinen Liebsten, deiner Familie haben.“ Mit ungefähr diesen Worten beschreibt Campino seine Gefühlswelt, nachdem klar ist, dass er aufgrund von gesundheitlichen Problemen eine fünfwöchige Zwangspause mitten während einer Konzert-Tour einlegen muss. Die Zeit ist auch an der Punk-Rock-Band Toten Hosen (bestehen seit mehr als 35 Jahren) und ihrem Frontsänger nicht spurlos vorüber gegangen. Sie lassen es ruhiger angehen, ausgelassene Feiern nach den Auftritten sind kaum noch drin. Trotzdem lassen sie es sich nicht nehmen, weiterhin laute Konzerte zu spielen.
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Cordula Kablitz-Post hat in Zusammenarbeit mit Paul Dugdale die Dokumentation gedreht. Es ist nicht ihre erste Kooperation mit der Band und so ist in jeder Szene zu spüren, dass eine gewisse Eingespieltheit zwischen Protagonisten und der Filmmacherin besteht. Kablitz-Post und Dugdale waren sehr dicht dran, wenn während der „Laune der NaTour“ der Toten Hosen im Jahr 2018 lautere oder manchmal auch leisere Töne angeschlagen wurden.
In der Dokumentation kommen vor allem die einzelnen Mitglieder der Band aber auch Teile der Crew oder einzelne Fans zu Wort. Im O-Ton backstage, beim Live-Mitschnitt während eines Konzerts oder bei einer typischen Interviewsituation. So verrät Campino schmunzelnd, dass der Allzeit-Hit „Wünsch Dir was“ eigentlich als zynische Reaktion auf die Wiedervereinigung Deutschlands und das staatsväterliche Gehabe Helmut Kohls gedacht war, jedoch bis heute von vielen als Hymne eines optimistischen Aufbruchs fehlinterpretiert wird.
Zwischen zwei Konzerten im Tourbus stellt sich im Film die Frage nach dem Widerspruch aus kommerziellem Erfolg und den eigenen Idealen aus der Punk-Bewegung. Dabei wird wiederholt betont, dass die Band und Crew ein fast schon familiäres Verhältnis zueinander pflegen, sich alle als eingeschworene Gemeinschaft hinter dem bandeigenen Label sehen. Dennoch blickt die Band bei Gedanken an „die alten Zeiten“ auch nostalgisch zurück. Eine gewisse Hierarchie zwischen den einzelnen Musikern wird an manchen Stellen angedeutet. Sie sprechen zwar Dinge gemeinsam an, trotzdem benötigt etwa Campino als „Rampensau“ mehr Aufmerksamkeit und Sonderwünsche für sich. Schlagzeuger Vom Ritchie fühlt sich auch nach über 20 Jahren oft noch als der Neue.
Die Teilnahme am #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz als Reaktion auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen im Spätsommer 2018 ist für die Band eine Herzensangelegenheit. Dass das Lied „Willkommen in Deutschland“, vor über 25 Jahren als Reaktion gegen den mit nackter Gewalt aufkommenden Neonazismus geschrieben, heute immer noch Aktualität besitzt, stimmt die Band nachdenklich und wütend. Auch für die fragwürdigen öffentlichen Aussagen des Ministerpräsidenten Sachsens im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der rechtsextremen Ausschreitungen haben die Toten Hosen nur ein frustriertes Kopfschütteln übrig. Erinnerungen an ein früheres Bandleben ohne eine geschützte Wohlfühlblase werden wach, als es häufiger Ärger mit Nazi-Skins gab. Gemeinsam mit Ärzte-Bassist Rod González spielen die Toten Hosen „Schrei nach Liebe“ und sprechen danach über die frühere Rivalität der beiden Band, auch wenn sie eine wirkliche Erklärung leider schuldig bleiben.
Beeindruckende Bilder liefert der Film aus Lateinamerika. Die Düsseldorfer Punk-Rocker haben sich im Laufe der Jahre eine nicht unerhebliche Fangemeinde in Argentinien aufgebaut. Die große Freude vor und während der seltenen Konzerte in Südamerika werden gekonnt eingefangen.
„Weil Du nur einmal lebst“ gelingt es, auf eine sehr direkte Weise Bilder, Worte und Musik einer Band darzustellen, die den Deutschpunk maßgeblich geprägt hat. Der Film ist kurzweilig unterhaltsam, eine tiefgehende Handlung bzw. Erzählmotive habe ich nur selten ausgemacht. Es geht vor allem um eine Band, die sich durch einen Mix aus guter Laune, Selbstironie, Energie und Ernsthaftigkeit auszeichnet. Mir haben zudem die Auswahl der Lieder und die Live-Aufnahmen sehr gut gefallen. So kann ich mit Abstrichen eine Empfehlung für den Film geben.
Dies ist ein Beitrag der Online-Redaktion. Weitere Besprechungen von Büchern, Filmen und Musik finden sich in der Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.