Ende Dezember 2018 hatte das reaktionäre Magazin „Focus“ berichtet, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) plane ein Verbot der Roten Hilfe e.V. (RH). Der Artikel war gespickt mit kruden Verdrehungen der Arbeit der strömungsübergreifenden linken Solidaritätsorganisation und gipfelte in der absurden Behauptung, als Gegenleistung für eine finanzielle und juristische Unterstützung dürften „die Delinquenten keine Aussagen bei der Polizei machen und müssen sich verpflichten, auch nach verbüßter Strafhaft den ‚revolutionären Straßenkampf‘ fortzusetzen“ (Focus vom 30.11.2018).
Dieser ausgemachte Unsinn löste zwar innerhalb des Antirepressionsvereins herzliches Lachen aus, wurde in der Folge aber von verschiedenen Zeitungen aufgegriffen und drohte sich als fester Bestandteil des Diskurses zu etablieren. Deshalb ging die Rote Hilfe juristisch gegen die Verunglimpfung vor und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Da – welch Überraschung – der „Focus“ auch keine Belege für diesen angeblichen Pakt, der von Repression betroffene Aktivist*innen auf lebenslänglichen Barrikadenbau und Straßenschlachten einschwört, vorlegen konnte, wurde die Verfügung Ende Februar 2019 rechtskräftig, so dass das Blatt den Artikel aus dem Netz nehmen musste und entsprechende Behauptungen unterlassen muss. Damit ist die Hetze gegen die RH allerdings noch längst nicht erledigt, ebenso wenig wie die Forderung nach einem Verbot. Zwar sind aus dem Innenministerium keine klaren Äußerungen zu konkreten Maßnahmen zu bekommen, und die Vorwürfe gegen die Organisation sind an den Haaren herbeigezogen und bilden keine juristische Grundlage für einen so umfassenden Repressionsschlag.
Trotzdem nutzen rechte Parteien und Medien die Gunst der Stunde, um gegen die Rote Hilfe Stimmung zu machen, was sich beispielhaft in den diversen Anträgen und Kleinen Anfragen zeigt, die von der rassistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) gestellt werden. In vielen Fällen sekundieren dann reaktionäre Abgeordnete anderer Fraktionen, vor allem der CDU/CSU. Schon vor der durch die „Focus“-Meldung ausgelösten Diskussion hatte die AfD Einreichungen gemacht, in denen sie gegen die Organisation hetzte. Verstärkt hatten sich solche Vorstöße, nachdem der CDU-Obmann im Innenausschuss, Armin Schuster, im April 2018 für ein Verbot der Roten Hilfe plädiert hatte mit der Begründung, sie betreibe „massiv rechtsstaatsfeindliche Aktivitäten“. Zum Anlass für diesen Angriff nahm er gerade die Debatte um die AfD, die wegen ihrer immer unverhohleneren rassistischen und geschichtsrevisionistischen Ausfälle für Furore sorgte, weshalb Schuster im Umkehrschluss eine verstärkte Beobachtung linker Aktivitäten, konkret eine Kriminalisierung der Rechtshilfestrukturen, einforderte. Dankbar griff die rechte Partei diese Steilvorlage auf und veröffentlichte zahllose Pressemitteilungen ebenso wie Kleine Anfragen.
In den AfD-Anträgen werden oftmals altbekannte Textbausteine bemüht, die die Bundesregierung bei früheren Veröffentlichungen über die Solidaritätsorganisation verbreitete. So forderte beispielsweise die AfD-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt am 12. Dezember 2018 die Landesregierung auf, „sich auf Bundesebene für ein Verbot des linksextremistisch auftretenden Vereins ‚Rote Hilfe e. V.‘ einzusetzen“ (Landtag Sachsen-Anhalt, Drucksache 7/3714, Seite 1). Die Begründung zitierte lange Passagen aus der am 24. Juli 2018 veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei, die sich angesichts von Armin Schusters Vorstoß nach dem Stand eventueller Verbotspläne erkundigte.
Auch die Angriffe gegen einzelne Abgeordnete, die sich zu ihrer RH-Mitgliedschaft bekennen, bleiben weiter auf der Tagesordnung. Früher waren es hauptsächlich rechte Hinterbänkler*innen der CDU/CSU, die – begleitet von der extrem rechten Postille „Junge Freiheit“, aber auch von bürgerlichen Medien – Schmutzkampagnen gegen Politiker*innen, die der Roten Hilfe angehören, lancierten und über Monate hinweg Druck auf Prominente wie die JuSo-Vorsitzende Franziska Drohsel oder auf die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sina Doughan, ausübten. Inzwischen kommt diese Rolle verstärkt der AfD zu, wie im Fall der Attacke gegen die brandenburgische Landtagsabgeordnete der Partei DIE LINKE, Isabelle Vandré. In einer Kleinen Anfrage im Oktober 2018 stellten zwei AfD-Parlamentarier hauptsächlich Fragen zur Person Vandrés und zu ihrem Verhältnis zur RH, wollten aber auch die Namen anderer Politiker*innen wissen, die als RH-Mitglieder bekannt sind. Da wurde es sogar der Landesregierung zu bunt, die die Beantwortung verweigerte.
Andere rechte Wahlbündnisse springen auf diesen Zug auf, wie die Anfrage von Jan Timke, Abgeordneter der „Bürger in Wut“ (BiW), in der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft am 24. Januar 2019 zeigt. Außer zu Mitgliederstand und -entwicklung in der Region erkundigte er sich – unterstützt von einem CDU-Abgeordneten – nach RH-Anhänger*innen in der SPD, bei den Grünen und der Linkspartei sowie nach der Haltung der Landesregierung zu einem möglichen Verbot. Auch wenn diese Anfragen nicht die erhofften Antworten, die als Grundlage für neue Hetzkampagnen dienen können, erbringen, verschärft sich der Diskurs gegen die Solidaritätsorganisation zunehmend.
Die Angriffe bleiben aber keineswegs beim Schlagabtausch in den Parlamenten, sondern haben ganz praktische Folgen im politischen Alltag, was insbesondere Bündnispartner*innen aus bürgerlichen oder staatlich geförderten Projekten zu spüren bekommen. Für überregionale Schlagzeilen sorgten unter anderem die Vorführungen des Films „Hamburger Gitter“, die der AStA Kiel zusammen mit der dortigen Ortsgruppe der Roten Hilfe veranstaltete. Die Studierendenvertretung ließ sich jedoch trotz anhaltender Medienhetze, die besonders von CDU und FDP befeuert wurde, nicht einschüchtern und hielt an den gemeinsamen Kinoabenden fest. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch andere Gruppierungen und Institutionen von solchen Kampagnen nicht kleinkriegen lassen.
Silke