Das neue Egotronic-Album ist raus, es heißt „Ihr seid doch auch nicht besser“, eröffnet mit der Zeile „Wie wär´s denn mal mit randaliern“ und niemand wird diese Musik hören können, ohne davon Kopfschmerzen zu bekommen; aber es sind – versprochen! – die allererfreulichsten Kopfschmerzen.
Das ewige Elektrogeklimper auf Holterdiepolter-Punk klingt mal nach Zahnarztbohrer („Gewalt“), mal nach NDW-Punk mit Elektro („Nacht im Ghetto“), dann nach einer Mischung aus Hives und Subways plus Elektro („Bürgermeister“), dann sehr besorgniserregend nach kettcar plus Elektro („Wie ein Mann“) und schließlich nach Pacman-Elektro („Adieu SPD“). Dazwischen wird passenderweise die Abhängigkeit von Schmerztabletten reflektiert („Wie Dr. House“) und Horst Seehofer ausgiebig als Hundesohn beschimpft: „Konstruktiv und bürgernah: Autonome Antifa!“ – der nette Demospruch scheint für Egotronic, die auf ungefähr jeder Antifa-Demo irgendwann aus den Lauti-Boxen ballern, das Motto beim Songschreiben gewesen zu sein.
Man kann sich nur mit ihnen freuen, dass die Methode, auf wilde Partytracks zugespitzte aufklärerische Botschaften zu pfropfen, sich nicht totläuft und dabei stattdessen geniale Singalongs entstehen wie „Wo sind all die Linksradikalen mit dem Schießgewehr? Und wann schießen sie auf Nazis? Shalala, oh yeah!“ In dem Song „Linksradikale“ geht es um die bürgerliche Lieblingsveranstaltung, anlässlich allerlei rechtsradikaler Umtriebe und deren angeblich konsequenter staatlicher Verfolgung, niemals den eigentlichen Feind, die radikale Linke, so marginal und unbewaffnet sie auch sein mag, aus den Augen zu verlieren: „Es steht ständig in der Zeitung: Die Nazis horten Waffen, umso wichtiger ist im Blick zu behalten, was die Linken machen / NSU, Nazimorde, Übergriffe jeden Tag, machen wir uns nichts vor, die Linken ziehen sicher nach“.
Im Song „Gewalt“ montiert die Band die tägliche Gewalt, die staatlicherseits ausgeübt wird und als irgendwie „rechtmäßig“ akzeptiert ist, gegen die medial beschworene aufziehende Barbarei, sobald bei einer Demonstration mal eine Fensterscheibe zu Bruch geht. Allerdings lässt die ironisierte Verniedlichung ersterer ahnen, dass hier doch noch etwas mehr besprochen wird, als der explizierte Gegensatz: „Weckerklingeln am Morgen: Gewalt / Schule oder Lohnarbeit: Gewalt / Bitte immer freundlich lächeln: Gewalt / Hauptsache kerngesund: Gewalt“
Den absoluten Höhepunkt von allem erreicht das Album indes mit dem großartigen „Der Bürgermeister“, einer überaus gelungenen Hommage an Boris Palmer („Pro law and order versteht er keinen Spaß / fordert Ausländer raus mit Augenmaß / (…) Er packt gerne die Strafzettel aus / Und verfolgt dich, wenn es sein muss, bis nach Haus“), der nach der Vorabveröffentlichung des zugehörigen Videos umgehend via facebook-Lamento tränenreich ausrichten ließ, sein korrekter Titel sei aber „Oberbürgermeister“!
Was ein Spaß das alles!
Video zu „Bürgermeister“ – Quelle: Youtube