Aktion gegen ein Monument des Militarismus

Stellungnahme zur kreativen Umgestaltung des kriegsverherrlichenden nationalsozialistischen Kriegerdenkmals in Kalkar

| Wilfried Porwol

Gwr441 Kriegerdenkmal Vorderseite Sonntag
Kreative Umgestaltung des kriegsverherrlichenden, nationalsozialistischen Kriegerdenkmals in Kalkar am 27. Juli 2019. Foto: Wilfried Porwol

Vom zentralen Kreisverkehr in Kalkar deutlich sichtbar steht es in einer öffentlichen Parkanlage: die in Stein gehauene, kriegsverherrlichende Nazipropaganda in Form des 1936 errichteten Kriegerdenkmals für „UNSERE HELDEN 1914 – 1918“, nach dem Zweiten Weltkrieg erweitert durch die Jahreszahlen „1939 – 1945“.

Über dem vier Meter langen und 1,25 Meter hohen Quader hockt ein martialischer deutscher Reichsadler auf einem Schwert. An den Seiten des Quaders sind die Namen der im Ersten Weltkrieg „gefallenen“ Soldaten aus Kalkar eingraviert. Die Rückseite ziert folgender Text, von dem spätestens seit 2015 bekannt ist, dass es sich um ein Zitat aus Hitlers „Mein Kampf“ handelt: „Mögen Jahrtausende vergehen, man wird nie von Heldentum reden können ohne des deutschen Soldaten im Weltkrieg zu gedenken“. Die getöteten Soldaten des Ersten Weltkrieges und auch die des Zweiten Weltkrieges mit einem Nazi-Monument als „Helden“ zu ehren stellt nicht nur eine ungeheure Verhöhnung der Opfer dar, sondern ist auch eine Glorifizierung des verbrecherischen Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht.

Die Frage, was denn nun mit diesem unsäglichen Machwerk zu geschehen habe, beschäftigte den Stadtrat von Kalkar 2015 und 2016 (siehe unter www.kalkar.de). Passiert ist seitdem: NICHTS! Das Ding steht weiterhin da als Monument des Militarismus. Eine nicht weiter hinzunehmende und meines Erachtens strafbare Duldung nationalsozialistischer Kriegsverherrlichung durch die Stadt Kalkar und für mich als Pazifist und Künstler eine Herausforderung an meine Kreativität.

In den Morgenstunden des 27. Juli 2019 war es dann soweit. Mit mehreren Farbspraydosen „bewaffnet“ begann ich das Nazi-Monument zu einem Friedensmahnmal umzugestalten. So prangte jetzt vorne auf dem Quader zentral über dem reliefartigen Schriftzug „Unseren Helden“ das Peace-Zeichen und rechts und links davon der zeitlose Slogan der Antikriegsbewegung „MAKE LOVE – NOT WAR“. Auf das Schwert sprayte ich die naheliegende biblische Forderung: „Schwerter zu Pflugscharen“ und darunter die angesichts eines steigenden Rüstungsetats und neuer atomarer Rüstungsprojekte aktuelle Forderung: „Abrüsten statt Aufrüsten“. Über der Rückseite mit dem Hitlerzitat prangte nun in ganzer Breite: „NIE WIEDER FASCHISMUS – NIE WIEDER KRIEG“. Den Adler begann ich farblich in den Regenbogenfarben umzugestalten. Doch nach 1,5 Stunden Arbeit war erst mal Schluss, die Polizei kam und machte, was sie wohl für ihre Pflicht hielt: sie beschlagnahmte meine Ausrüstung und stellte Anzeige wegen des Verdachtes auf Sachbeschädigung. Für mich ein einkalkuliertes Risiko, keineswegs abschreckend. Doch die farbliche Verfremdung des Adlers blieb unvollständig. Von den sieben Regenbogenfarben fehlten noch drei. Mit ein paar neuen Spraydosen wollte ich dann meine Arbeit an der Farbgestaltung des Adlers heute morgen zu Ende führen. Ich traute meinen Augen nicht: das Nazi-Denkmal war noch am Samstag „gereinigt“ worden. Unverrichteter Dinge musste ich dann wieder nach Hause fahren. Auf der Rückseite gab es Spuren einer offensichtlich rechtsextremen Schmiererei, die im Laufe des Samstags über meine Zeile „NIE WIEDER FASCHISMUS“ gesprayt worden sein musste.

War das jetzt für die Verantwortlichen der Stadt Kalkar der willkommene, oder gar der bewusst inszenierte Anlass, um die gesamte Umgestaltung rückgängig zu machen? Fakt ist: es wurden von der Stadt Kalkar weder Kosten noch Mühen gespart, um noch am gleichen Tag – trotz Wochenende – das unsägliche Monstrum (mit leichten Beschädigungen durch die Farbentfernung) wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Die weitere Glorifizierung soldatischen Heldentums entspricht halt auch der Bedeutung Kalkars als höchstrangigem Militärstandort, der zurzeit für 150 Millionen Euro weiter ausgebaut wird. In der hiesigen Luftwaffenkommandozentrale von NATO und Bundeswehr werden High-tech-Kriegseinsätze u.a. mit modernisierten Atomwaffen geleitet und trainiert, so auch die Luftoperationen über dem Baltikum und der Ostgrenze der NATO. Damit werden wir hier am Niederrhein auch zum Zielgebiet russischer Atomwaffen. Unser aller Leben wird durch den militärischen Wahn aufs Spiel gesetzt. Die Umgestaltung eines militaristischen Kriegerdenkmales zu einem Friedensmahnmal mit der konkreten Forderung nach Abrüstung wäre gerade in Kalkar von Nöten. Umso erfreulicher, dass unbekannte Menschen meine Gestaltungsanregungen aufgenommen haben und spontan noch am Sonntagvormittag das Nazi-Kriegerdenkmal wieder mit Friedensbotschaften versahen.

Wilfried Porwol