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Gandhi, Kallenbach und Buber

Zwei weitere wichtige Arbeiten aus dem Gandhi-Informations-Zentrum

| Bruno Weil

Isa Sarid/Christian Bartolf: Hermann Kallenbach. Mahatma Gandhis Freund in Südafrika. Gandhi-Informationszentrum Selbstverlag. Berlin/Haifa 1997, 140 S., 14,80 DM

Christian Bartolf (Hrsg.): Wir wollen die Gewalt nicht. Die Buber-Gandhi-Kontroverse. Gandhi-Informationszentrum Selbstverlag. Berlin 1998, 134 S., 19,80 DM

Viel zu unbeachtet und inzwischen seit Jahren wegweisend für die Gandhi-Forschung wie auch für Projekte interkultureller Zusammenarbeit sind die Veröffentlichungen im Selbstverlag des Berliner Gandhi-Informations- Zentrums. Zwei der jüngsten Publikationen befassen sich mit dem freundschaftlichen Verhältnis Mahatma Gandhis zu zwei jüdischen Freunden, dem Zimmermann und praktischen Aktivisten Hermann Kallenbach und dem Philosophen Martin Buber.

Die Kallenbach-Biographie hat Christian Bartolf mit der Israelin Isa Sarid zusammen geschrieben, der Tochter der Nichte (Hanna Lazar) von Hermann Kallenbach. Zusammen fanden die beiden anläßlich einer Ausstellung des Gandhi-Informations-Zentrums in Israel im Jahre 1987. Hermann Kallenbach stammt aus einer russischstämmigen jüdischen Familie, wurde aber in Ostpreußen geboren. Er lernte „Baugewerksmeister“, eine Verbindung von Maurer, Zimmermann und Architekt. Dann fuhr er 1986 zu seinem Onkel nach Südafrika. Dort traf er zufällig mit Gandhi zusammen, beim indisch-islamischen Rechtsanwalt Khan, für den Gandhi arbeitete. Sehr schnell wurden sie Freunde und Kallenbach änderte sein Leben radikal. Zusammen mit Gandhi nahm er 1910 Kontakt mit Tolstoj auf und gründete dann die Tolstoj-Farm nahe Johannesburg, wo er sowohl sein Ideal einfacher und gleichberechtigter Arbeit verwirklichte als auch eine soziale Basis für die Emanzipationsbewegung der InderInnen in Südafrika formte. In einem ganz dokumentierten Gefängnisbrief Kallenbachs wird deutlich, daß er aber nicht nur als Handwerker und Architekt, sondern auch als Aktivist und Organisator unschätzbare Dienste bei den Streiks und Aktionen leistete. Nach einem Aufenthalt in London während des Ersten Weltkriegs war es Kallenbach als offiziell Deutschem nicht erlaubt, mit Gandhi in Indien einzureisen. Er ging in den 20er Jahren wieder nach Südafrika und machte sich als Architekt öffentlicher Gebäude einen Namen. In den 30er Jahren hatte er Kontakt mit dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius. In den späten 30er Jahren fuhr Kallenbach nach Palästina und unterstützte die zionistische Bewegung, allerdings schwebte ihm eine Ackerbau-Gemeinschaft ohne Staat, Armee und Industrie vor. Nach dem Vorbild des tolstojanischen Sozialisten A.D. Gordon, des Gründers des ersten Kibbuz, wollte auch Kallenbach bei zionistischen Siedlungen Kolonialismus und Imperialismus konsequent vermeiden. Mit dem Auftrag, die zionistische Sache Gandhi besser zu vermitteln, besuchte er ihn 1937, nach 23 Jahren, erstmals wieder in Indien. Gandhi sprach sich gegen eine Durchsetzung der zionistischen Interessen in Palästina mit Waffengewalt aus, zusammen mit Kallenbach versuchte er aber, die 70 Mio. MuslimInnen in Indien auf die Seite einer Gesprächslösung zwischen arabischen und jüdischen Ansprüchen in Palästina zu bringen. Nach einer Malaria-Erkrankung starb Kallenbach 1945, seine Urne liegt im Kibbuz Degania/Israel.

Kurz nach Kallenbachs Besuch veröffentlichte Gandhi 1938 zwei Aufsätze im Anschluß an die Nazi- Besetzung der Tschechoslowakei und an das November-Pogrom, in denen er die Opfer des NS-Regimes zum gewaltfreien Widerstand aufrief. Dies löste die sogenannte Buber-Gandhi-Kontroverse aus, die seither immer wieder, zuletzt in der „taz“ im Vorfeld des Golfkrieges 1991, dazu benutzt wird, in Kriegszeiten antimilitaristische Bewegungen zu denunzieren (vgl. dazu GWR 153, S.5). Dazu hat Christian Bartolf nun alle diese Kontroverse mit dem jüdischen Philosophen Martin Buber betreffenden Dokumente herausgebracht. Es wird deutlich, daß Buber seine Antwort erst nach Aufforderung verfaßte, daß zusammen mit seinem Brief ein vermittelnder und um konkrete Aktionsvorschläge anfragender Brief von Judah Leon Magnes, dem damaligen Kanzler der Berliner Hebräischen Universität, an Gandhi geschickt wurde, beide Briefe aber Gandhi nicht erreichten, sodaß Gandhi auf Buber nicht antworten und an Magnes keinen konketisierende Vorschlag geben konnte. Der Dialog wurde also unglücklicherweise an der spannendsten Stelle abgebrochen. Bartolfs Buch macht deutlich, daß Gandhi einerseits die Monströsität der NS-Diktatur keineswegs unterschätzt hat (S.59ff) und Buber sich trotz seiner situativen Gewaltbefürwortung immer großen Respekt vor Gandhis Gewaltlosigkeit bewahrt hat, sogar später angesichts der atomaren Bedrohung eine „planetarische Front“ (S.88) des zivilen Ungehorsams forderte.