Matt Green dürfte der berühmteste Spaziergänger der Welt sein. Nachdem er bereits von der US-amerikanischen Ost- zur Westküste gelaufen ist, erlief er nun seine Heimatstadt New York. Dabei legte er in acht Jahren rund 15.000 Kilometer zurück und durchlief jede einzelne Straße der Stadt.
„An manchen Tagen hatten wir schon mittags weit über 20 Kilometer zurückgelegt“, erzählt der Filmemacher Jeremy Workman, der Green mit der Kamera begleitete. „Nach den ersten Monaten hatte ich über 100 Stunden Filmmaterial. Am Ende der Dreharbeiten waren 500 Stunden zusammengekommen. Ich filmte an über 100 Tagen, in Dutzenden verschiedener Viertel in allen fünf Stadtbezirken. Ich habe sicher selbst über 1500 Kilometer erwandert“
Dabei ist ein sehr schöner Feelgood-Film entstanden, der angenehmerweise genauso unambitioniert ist, wie sein Protagonist. Green ergattert als Wohnungsloser mit Katzen-, Hundesitting und ähnlichem Schlafplätze, seinen Job als Ingenieur hat er schon vor Jahren aufgegeben, um sich ganz der Wanderei zu widmen.
Auf seiner Reise durch New York passiert im Grunde kaum Aufsehenerregendes, die Geschichte ist aber mit viel Freude erzählt und Workman beweist ein erstaunliches Timing-Talent beim Collagieren der Sequenzen, die oftmals nur Green von hinten beim Gehen zeigen. Man kommt beim Betrachten von Greens Begegnungen mit den New Yorkern, der Natur und allem, was er so auf und neben den Straßen entdeckt aus dem Grinsen und Schmunzeln gar nicht mehr heraus, was in erster Linie an Greens unendlichem Weltoffenheits-Charme liegt. Der Mann ist ein so umfassender Sympathieträger, dass weder die Menschen, die er trifft, noch die Zuschauer im Kinosaal sich der Green-Freundlichkeit entziehen können.
Trailer zum Film „New York – Die Welt vor deinen Füßen“ – Quelle: Youtube
Dass das Ganze auch Schattenseiten hat, thematisiert Workman in einer kurzen Sequenz, in der es um Greens Liebesbeziehungen geht, auch zwei Ex-Freundinnen kommen zu Wort, die sich durchaus wohlwollend, aber auch etwas kopfschüttelnd darüber mokieren, dass es schon schwer möglich war, überhaupt einen Termin mit dem eigenen Freund ausmachen zu können, da er ja immerzu wandern
, Blog schreiben und dafür recherchieren muss.
Dabei zeigt der Film in erster Linie einen Außenseiter, der sich weitgehend aus der kapitalistischen Verwertungsmaschine zurückgezogen hat und seine Lebenszeit lieber damit verbringt, die Welt zu erkunden und andere Menschen kennenzulernen – welch überaus vernünftige Idee! Und damit demonstriert Green, wie so ein menschliches Leben aussehen könnte, wieviel Lustgewinn durch die Zwänge der verwalteten Welt verlorenen gehen und was für öde Sesselsitzer, Stubenhocker, Arbeitengeher, Angsthaber und Nestbauer wir anderen alle sind. Eine bedenkenswerte Lektion.
New York - Die Welt vorr deinen Füßen - USA 2018 - Regie: Jeremy Workman - mit Matt Green - 95 Min. - seit 13.03.2020 im Kino
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