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Erstmals auch gemeinsamer Marsch

Für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei von Türken und Kurden am 1. September in Kassel

| Helga Weber

Obwohl von der Initiative der türkischen Kriegsdienstverweigerer nur ca. 30 Interessenten aus dem PLZ-Bereich 34 eingeladen waren, kamen bereits zu den beiden Vorbereitungstreffen mehr als 50. Am Tag der Demonstration, am 1. September, waren es dann nahezu 80 Teilnehmer, die u.a. auch aus Kiel, dem Saarland, Zwickau, Regensburg und dem Siegerland kamen. Für die Polizei sehr erstaunlich, daß hier Kurden und Türken einen gemeinsamen Aktionstag organisierten.

Das türkische Konsulat in Frankfurt hat in den vergangenen Jahren mehrere kleine Verweigerungsaktionen erlebt, so daß seit 1989 die Zahl der Kriegsdienstverweigerer aus der Türkei, die sich öffentlich als solche erklärt hatten, auf ca. 150 gestiegen war. Am 1. Sept. 1998 haben in Kassel weitere 50 öffentlich ihre Verweigerung des Militärdienstes erklärt und auch, daß sie sich nicht durch Zahlung von 10.000 DM an den türkischen Staat davon freikaufen werden. Die unterzeichneten Erklärungen wurden dem türkischen Konsulat übersandt.

Programmpunkte dieses Tages waren neben den öffentlich begründeten Verweigerungen und dem symbolischen Zerbrechen von Gewehren die Eröffnungskundgebung, ein – polizeilich gut bewachter – Marsch mit Zwischenkundgebungen an Orten, wie sie zum Alptraum dieser Männer werden können: Ausländerbehörde, Justizvollzugsanstalt, Kemal-Altun-Platz. Zum Abschluß der Demonstration wurde vor dem Rathaus ein Brief für den Oberbürgermeister übergeben, in dem die Stadt Kassel aufgefordert wurde, daß Kriegsdienstverweigerer aus der Türkei als Asylberechtigte anerkannt werden.

Die Anzahl von nunmehr 200 Wehrpflichtigen, die ihre Weigerung der türkischen Regierung bekanntgegeben haben, mag gering erscheinen angesichts einer offiziell genannten Zahl von 250 000 Militärdienstentziehern – bei einer vermuteten Anzahl von 400 000, verteilt auf viele Länder. Es ist der Druck drohender Ausweisungen, der jeden Einzelnen aus der schützenden Unsichtbarkeit der türkischen Regierung gegenüber hervortreten und gegenüber den deutschen Behörden hoffen läßt, dies könne unterstützend wirken bei seinem Asylantrag.

Daß deutsche Behörden genau dies vermeiden wollen, wird deutlich am Fall von Zeki Isik, der ohne Genehmigung zur Demo reiste. Er hätte als abgelehnter Asylbewerber den Kreis Altenkirchen nicht verlassen dürfen. Deshalb beantragte er, zu der Demo fahren zu dürfen. Das wurde von der Kreisverwaltung abgelehnt. „Es sind in erster Linie mögliche Nachfluchtgründe, die uns zu dieser Entscheidung bewogen haben“, äußerte sich der Sprecher der Behörde. Man befürchtet, daß Zeki Isik bei einem neuen Asylantrag (dafür ist eine neue Begründung erforderlich) auf die beabsichtigte oder gar vollzogene Verweigerung verweisen könnte, obwohl er diese Gründe bisher nicht geltend gemacht habe.