denkmalsturz

Die wahre Geschichte des Christoph Kolumbus

Mord, Plünderung, Vergewaltigung: Kein Grund zum Feiern!

| Aura Bogado

Bis heute wird in vielen Ländern die Ankunft von Christoph Kolumbus in der Neuen Welt am 12. Oktober 1492 mit einem Feiertag begangen. Gedenktage der „Entdeckung Amerikas“, meist als „Kolumbus-Tag“ oder „Amerika-Tag“ bezeichnet, gab es in Teilen Amerikas schon im 19. Jahrhundert. In den USA wird der Tag bis heute Columbus Day genannt. In Spanien ist der 12. Oktober seit 1918 Nationalfeiertag und wird seit den 1920er Jahren oft Día de la Hispanidad („Tag der Hispanität“) genannt. Nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten am 25. Mai 2020 in Minneapolis wurden im Sommer 2020 in vielen Städten der USA, Großbritanniens und anderswo Columbus-Statuen und Sklavenhändler-Denkmäler von Aktivist*innen der „Black Lives Matter“-Bewegung gestürzt und geköpft. Durch das Umstürzen von Statuen, die Rassisten, Sklavenhalter und Kriegsverbrecher als Vorbilder glorifizieren, wird nationalistische und rassistische (Staats-)Propaganda sabotiert. In den USA wurden vor allem Statuen von Sklavenhaltern, rassistischen Generälen und Politikern der ehemaligen Südstaaten, des Ex-Präsidenten Thomas Jefferson und von Columbus zerstört. Unter dem Titel „Here’s the real story of Columbus that people prefer to ignore” erschien am 12.10.2015 in der unabhängigen online-Zeitung „grist“ ein Artikel von Aura Bogados, den Patricia Muheim Mikulíková nun für die Graswurzelrevolution übersetzt hat. (GWR-Red.)

Du plauderst mit einer Freundin und sie meint: „Warum regen sich die in Amerika so über den Kolumbus-Tag auf? Es geht ja nur um diesen italienischen Seefahrer, der als erster den Ozean überquert hat!“ Nun, was könnte man darauf antworten?

Hier ein paar Dinge, die man wissen und weitersagen sollte:

Nachdem Christoph Kolumbus vor 528 Jahren Schiffbruch erlitten und mehr zufällig auf die tropische Insel gestoßen war, welche heute unter dem Namen Hispaniola (Haiti und die Dominikanische Republik) bekannt ist, schrieb er über die Taíno, die sie bewohnten: „…unschuldig und von einer solchen Freigiebigkeit mit dem, was sie haben, dass niemand es glauben würde, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Was immer man von ihnen erbittet, sie sagen nie nein, sondern fordern einen ausdrücklich auf, es anzunehmen und zeigen dabei soviel Liebenswürdigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken.“

Kolumbus dachte sich, dass es ihm dank der Großzügigkeit und des bereitwilligen Entgegenkommens der matriarchal organisierten Taínos ein Leichtes sein würde, die riesige Insel zu erobern, mit ihren „…kostbaren, breit dahinströmenden Flüssen“ und Wäldern „voller Bäume und endlos vieler Arten, so riesig, dass sie den Himmel zu berühren scheinen“. Er hielt fest: „Ich könnte sie alle mit 50 Mann erobern und beherrschen wie es mir gefällt“. 1550, knapp sechzig Jahre nach seiner ersten Landung waren die Taíno auf einen kleinen Teil der ursprünglichen Population reduziert. Von rund 300.000 Menschen der ursprünglichen Bevölkerung waren noch etwa 500 übrig. Und Haiti hatte 98 % der Bäume verloren, die Kolumbus bei seiner Ankunft bewundert hatte.

Die brutale Unterwerfung und Zerstörung der Taíno, die Kolumbus als erster Gouverneur und Vizekönig der Insel angezettelt hatte, kann nicht einmal im damaligen Kontext als „gewöhnlich“ bezeichnet werden. Immer noch werden der Seefahrer und seine Besatzung in einem Zuge mit anderen eroberungswütigen Europäern der Neuzeit genannt. Die sadistische Brutalität mit der sie vorgingen, sollte aber nicht so leichtfertig übersehen oder gar entschuldigt werden.

Taínos wurden von den Spaniern regelmäßig wegen Vorfällen ausgepeitscht, die Kolumbus selber als kleinere Vergehen bezeichnete. Stahl jedoch jemand in der Not ein wenig Gemüse oder ein Tier, konnte das dazu führen, dass ihm die Nase, das Ohr oder eine Hand abgeschnitten wurde. Die so Verstümmelten wurden manchmal gezwungen, als Exempel ihren abgeschnittenen Körperteil herumzutragen.

Kolumbus stahl Taínofrauen und schenkte sie seinen Matrosen, welche sie brutal schlugen und vergewaltigten. Wenn sie in Gefangenschaft hatten gebären müssen, wurden ihre Babys manchmal hungrigen Hunden vorgeworfen. Kolumbus etablierte auch einen Handel mit neun- bis zehnjährigen Taínomädchen, welche zum Zweck der systematischen Vergewaltigung verkauft wurden (1). Er kidnappte und versklavte auch erwachsene Taínos und initiierte so den transatlantischen Sklavenhandel im Zuge seiner Rückreisen nach Europa.

Zusammengefasst darf gesagt werden, dass Kolumbus den Menschen, die ihn nach seinem Schiffbruch in der Karibik so liebenswürdig aufgenommen und ihm geholfen hatten, überhaupt wieder nach Spanien zurückzukehren, als ausbeutender, misshandelnder, vergewaltigender, versklavender und mordender Kolonialist begegnete.

Nur zwei Drittel der Taíno hatten vier Jahre nach Kolumbus’ Ankunft überlebt. Viele waren getötet worden, andere starben an eingeschleppten Krankheiten oder hatten sich aus Verzweiflung von Klippen gestürzt. Sie hatten vorgezogen so zu sterben, als unter der sadistischen Tyrannei der europäischen Kolonialisten zu leben. Kolumbus hat zudem ein System etabliert, welches den Spaniern erlaubte, das Land, das den Taíno gehörte, gleich übel zu misshandeln wie ihre Frauen.

Es ist nicht so, dass die Taíno keinen Widerstand geleistet hätten: Kolumbus ließ 39 Kolonialisten in der ersten europäischen Niederlassung von Amerika zurück, in „La Navidad“, das im heutigen Haiti lag. Als er ein paar Monate später aus Spanien zurückkehrte, waren alle Seeleute tot. Es hieß, sie hätten sich übel benommen und an den Frauen vergangen. Dieser Vorfall konnte ihn nicht bremsen, und seine Angewohnheit anderer Leute Land einfach zu besiedeln, hat im Gegenteil die Europäer inspiriert, welche dieses Verhalten legitimierten, und die entsprechende Haltung in ihrer Denkweise verankerten. Die von Kolumbus besetzten Landstriche waren bald das Rückgrat ganzer Imperien.

Es folgte jahrhundertelange Unterdrückung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung von Hispaniola und ihres Landes. Die spanischen Kolonialisten rodeten ganze Landstriche, um in massivem Stil Tabakplantagen anlegen zu können. Dieser Vorgang stand am Anfang einer langen Geschichte der Rodung und Bodenerosion. Seit mehreren Jahren leidet die Insel Hispaniola unter Dürre als Folge der Klimakrise, und man könnte auch das als eine der Spätfolgen der Kolonisation unter und nach Kolumbus bezeichnen.

Nachdem Frankreich in den Besitz von Haiti gekommen war, wurde sogar noch mehr Land entwaldet und zwangsdeportierte Afrikaner*innen wurden gezwungen Zucker anzubauen, um europäische Begehrlichkeiten zu stillen. Der erste Ort, den die Europäer kolonialisiert hatten, wurde zwar auch zum ersten Ort, der sich erfolgreich dagegen erhob – aber die zerstörerische Praxis Monokulturen anzulegen, um den Konsum in Übersee zu bedienen, war bereits etabliert.

Wir sollten nicht vergessen, dass Kolumbus für einen Genozid und für das in Gang setzen eines Ökozids verantwortlich ist. Der Reichtum aus Ressourcen wie Zucker, Tabak und Baumwolle führte letztendlich auch zum Beginn der industriellen Revolution, welche nicht zuletzt die Kohleemission auf ein nie vorher dagewesenes Rekordlevel brachte.

Haiti bleibt das ärmste Land aller von Europäern geplünderten Gegenden. Die Region der Europäischen Union hingegen ist bis heute eine der reichsten der Welt. Das ist nicht eigenes Verschulden oder Schicksal. Es rührt daher, dass die Bevölkerung von Hispaniola, ihre Arbeit, ihre Ressourcen und ihr Land während langer Zeit ausgebeutet und ausgeraubt wurden, ohne dass jemals Schadenersatz geleistet worden wäre. Die heimtückische Art der Kolonisation Amerikas, welche in Haiti begann, hat aber schlussendlich nicht nur die Menschen gequält, welche damals dort lebten. Sie hat auch ein System begründet, das indigene Völker in Sklaverei oder ewiger Armut gefangen hält, während Europa im Wohlstand badet.

Und genau das, solltest du deiner Freundin sagen, ist der Grund, warum so manche von uns die Idee verabscheuen, einen Kolumbus-Tag zu feiern.

Aura Bogado

Übersetzung aus dem Englischen: Patricia Muheim Mikulíková

Originaltext:

Aura Bogado: Here’s the real story of Columbus that people prefer to ignore, Grist, 12.10.2015,

https://grist.org/politics/heres-the-real-story-of-columbus-that-people-prefer-to-ignore/

Quellenverzeichnis:

www.theguardian.com/commentisfree/2015/oct/12/christopher-columbus-sadist-there-shouldnt-be-a-holiday

– Atrocities, Massacres, and War Crimes: An Encyclopedia, by Alexander Mikaberidze

– The Rediscovery of North America, by Barry Lopez

– Blessed Unrest: How the Largest Social Movement in History Is Restoring Grace, Justice, and Beauty to the World, by Paul Hawken

– The Spanish Frontier in North America, by David J. Weber

– Columbus: The Four Voyages, 1492-1504, by Laurence Bergreen

– A History of Jamaica from Its Discovery by Christopher Columbus to the Present Time, by William James Gardner.

– Noble David Cook: Taino (Arawak) Indians. In: Encyclopedia of Genocide and Crimes Against Humanity. Gale Group, USA 2005.

Anmerkung der Übersetzerin:

1) Originaltext: „als Sexsklavinnnen“, ich mag aber diese Bezeichnung nicht, weil sie in der Pornografie verwendet wird und darum nicht mehr klar ist, um was es in Wirklichkeit geht.