Statt wie geplant im Kino startet Michael Venus´ prominent besetzter Debütfilm im Home- statt im richtigen Cinema. Lukas Münich hat ihn sich für graswurzel.net angesehen.
Der Film kann hier angesehen werden. Der Salzgeber-Club beteiligt die Kinos, die ihn jetzt gezeigt hätten, an den Einnahmen.
Nur, damit das klar ist: Als Mensch, der auf dem Land großgeworden ist, kann ich bestätigen, dass ausnahmslos alles, was Twitter-User*innen Anfang des Jahres unter Julia Klöckners misslungenem Hashtag #dorfkinder gepostet haben, zutreffend ist.
Landleben in Deutschland ist auch noch heute von einer zutiefst reaktionären, selbstgefälligen Männerwirtschaft dominiert, die ohne Not aus reinem Selbstverständnis gegen alle Einflüsse von außen rebelliert und sich einen starken Führer herbeisehnt.
Dass das Leben auf dem Land tatsächlich bedrohlich sein kann, davon erzählen zahlreiche Filme. Bestes Beispiel dafür ist wohl nach wie vor Peter Fleischmanns “Jagdszenen aus Niederbayern” von 1969, der berühmteste Anti-Heimatfilm des deutschen Nachkriegskinos.
Einen leider wiederum völlig überspitzten Einblick in das, was sich Städter*innen unter Landleben vorstellen, kann man in Michael Venus’ erstem Langspielfilm SCHLAF erhalten:
bedrückende, undurchdringbare gesellschaftliche Strukturen, existenzielle Aussichtslosigkeit, starke Männer, die ihre faschistischen Vorstellungen herausbrüllen und natürlich zu allem Übel noch Mord und Totschlag.
Trailer zu „Schlaf“, Quelle: Youtube
Protagonistin Mona (Gro Swantje Kohlhof) forscht in der Vergangenheit ihrer traumatisierten Mutter (Sandra Hüller) herum und bucht sich in ein Hotel ein, das von einem Bilderbuchpatriarchen geführt wird. Dort enthüllt sie ihre eigene, von dunklen Geheimnissen umwölkte Familiengeschichte.
Der Ko-Drehbuchautor von SCHLAF, Thomas Friedrich, der David Lynchs “Lost Highway” als wichtige Inspiration nennt, sieht seinen Film als Gegenentwurf zum deutschen Heimatfilm, wobei man sich schon fragen muss, was das heißen soll. Dieses bis in die 1970er Jahre höchst populäre Filmgenre wird derzeit noch von einer handvoll Regisseur*innen gepflegt, bis auf die Werke von Marcus H. Rosenmüller allerdings ohne größere Publikumswahrnehmung .
Im Gegensatz zu Fleischmanns Film, der seinerzeit tatsächlich eine Kriegserklärung an den patriotischen Heimatfilm von Käutner und Harlan (!), den heteromachistischend Lederhosenfilm und generell den deutschen Film darstellte, bleibt hier nur ein müdes Aufbäumen gegen ein Kunstform, die speziell auf eine Bevölkerungsschicht abzielt, die ohnehin schon intellektuell abgehängt ist.
SCHLAF wurde zuletzt in den höchsten Tönen gelobt. Für seine antifaschistische Haltung, die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit, seine starken weiblichen Figuren und seinen mutigen Blick auf die deutsche Gesellschaft.
Vielmehr drängt sich aber die Frage auf, ob SCHLAF überhaupt subversives Potenzial besitzt, oder einfach sich auf seiner moralischen Überlegenheit und der hochpolierten Optik ausruht, die wirklich gut geworden ist und dem durchweg hervorragenden Cast gerecht wird.
Falls Sie auf den Geschmack gekommen sind: in dem österreichischen Horrorfilm HOTEL von Jessica Hausner geht es um eine junge Hotelangestellte, die auf ein dunkles Geheimnis stößt und immer tiefer in einen Strudel aus Ablehnung, Mystik, Gewalt und Tod trifft.
Vielleicht wäre das was für Sie.
Schlaf - Spielfilm, Deutschland 2020 - Regie: Michael Venus - mit Gro Swantje Kohlhoff, Sandra Hüller, August Schmölzer - 102 Min. - Salzgeber Club
Der Film kann hier ausgeliehen werden.
Dies ist ein Beitrag der Online-Redaktion. Schnupperabos der monatlichen Printausgabe zum Kennenlernen gibt es hier