Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume. Blumenbar Verlag, Berlin 2021, 384 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-351-05087-0
In ihrem ersten Roman erzählt Hengameh Yaghoobifarah von der Beziehung zwischen zwei Schwestern. Die Ich-Erzählerin und Protagonistin Nasrin ist um die vierzig, lebt in Berlin, arbeitet in einer queeren Bar und raucht unfassbar viele Zigaretten. Aber ihr unabhängiges Leben wird plötzlich unterbrochen: Ihre Schwester Nushin stirbt bei einem Autounfall, und sie wird die Erziehungsberechtigte für deren 14 Jahre alte Tochter Parvin.
Von diesem Anfangsereignis aus entfalten sich mehrere Erzählstränge. Einer ist die Beziehung zwischen der Protagonistin und ihrer Nichte, die sich pubertätsbedingt als schwierig gestaltet: Wann ist Eingreifen notwendig, wann Laufenlassen? Wie unterscheidet man als Erwachsene zwischen Schutz und Übergriffigkeit? Der zweite Erzählstrang ist eine Art Kriminalgeschichte: Ist die Schwester wirklich bei einem Unfall gestorben? Oder war es Suizid? Oder sogar Mord? Als Nasrin in dieser Richtung zu forschen beginnt, entfaltet sich schließlich der dritte und wichtigste Erzählstrang: Es ist die Erinnerung an die gemeinsame Geschichte der beiden Schwestern. In den 1980er Jahren sind sie als Kinder mit ihrer Mutter aus dem Iran nach Deutschland gekommen, wohingegen der Vater die Flucht nicht überlebt hat. Die Jugend der Schwestern war geprägt von ihrer Situation als neu angekommene nichtdeutsche Personen im Deutschland der 1990er Jahre mit seinem Rassismus, den Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, dem Aufstieg der Neonaziszene. An diese Debatten und Ereignisse wird Nasrin erinnert, als sie versucht, mehr über den mysteriösen Tod der Schwester herauszufinden. Eine spannend geschriebene Geschichte und eine empfehlenswerte Lektüre.