Im Jahr 1986 veröffentlichten die Toten Hosen, die bis dahin bereits zweimal den Schlagzeuger gewechselt hatten, bei Virgin ihr drittes Album „Damenwahl”. 35 Jahre später bringt nun auch die Nürnberger Punkband Akne Kid Joe (AKJ), die eine befremdliche Hassliebe für die Hosen auszeichnet, mit „Die Jungs von AKJ” ihr drittes Album heraus. Mit René Illig sitzt dort ebenfalls die dritte Besetzung an den Drums. Das dürfte aber schon die einzige Gemeinsamkeit der beiden Bands sein. Denn anders als der Düsseldorfer Herrenverein sind Akne Kid Joe, die in den letzten Jahren einen beachtlichen Senkrechtstart hingelegt haben (u.a. Titelstory OX, Namedropping bei Böhmermanns „Fest und Flauschig”), bei keinem Majorlabel wie damals bereits die Toten Hosen, die sich damit im Grunde bereits vom Punk verabschiedet hatten. Stattdessen ist in einem AKJ-Video der Tatortbulle Hosenfan und das sagt wohl alles.
So läuft es für AKJ ganz gut mit der Punk Credibility: Label und Vertrieb werden durch das extrem engagierte Punklabel Kidnap Music erledigt und das Booking machen die Elektropunk-Pioniere von Audiolith. AKJ spielen wohl dieses Jahr noch im legendären Berliner Punk-Laden SO36.
„Die Jungs von AKJ” wurde vorab auf Social Media großspurig mit einem 70-sekündigen Snippet angekündigt, welches koketterweise im Heimstadion des 1. FCN gedreht wurde. In dem kurzen Video sind die „Jungs” auf die Ränge verbannt, während Sängerin Sarah Lohr den Albumtitel alleine skandiert. Eine Replik auf die Single „Sarah (auch in ner Band)” vom letzten Album, bei der mehr Frauen auf Konzertbühnen gefordert wurden.
In voller Besetzung konnte man AKJ übrigens im letzten Jahr auf einer Seitenbühne des Olympiastadions in München bestaunen, eine Stadionrockkapelle werden sie wohl trotzdem eher nicht mehr. Dazu ist der Sound auch von „Die Jungs von AKJ” zu kompakt. Er braucht nur zwei Gitarren, Bass und Drums und die ikonische Orgel-Synth-Kombination, die Peter Derrfuss noch einmal zu neuen Höhen erhebt, um den unverwechselbaren Sound der letzten zwei Alben zu reproduzieren und weiterzuentwickeln.
Nun ja, besonders viel entwickelt sich musikalisch eigentlich nicht, da hilft auch ein Sitarsolo bei „Danke fürs Gespräch” nicht viel.
Immerhin, bei „Mein eigenes Café” darf das Nürnberger Hiphop-Duo „Hartz Angels” einen Abgesang auf hippe Kaffeehäuser abbrennen und die merkwürdige Metrik im Refrain von „Wieso?!” mag Shoegazer*innen im Publikum verstören. Wirklich hörbar wird der Versuch einer etwas neuen Linie aber bei „Nein danke”, das breiter, melodiöser angelegt ist, als die sonstigen Songs. Leider ist der er ungefähr 2 Minuten zu kurz.
Inhaltlich ähnelt „Die Jungs von AKJ“ dem Vorgängeralbum, das Anfang 2020 erschienen ist, die Stimmung in Deutschland hat sich kaum geändert und gegen Bullen, Boomer und Bewerbungsgespräche finden AKJ immer noch genug wütende Worte. Allerdings bewegt sich die Band textlich nicht immer auf befestigten Pfaden, da öffnet sich schon einmal „ein Strudel wie ein großer Schlot” oder „okay” reimt sich auf „Weg”. Das kann man unter Punkattitüde abhaken, man könnte aber auch fragen, ob Endreime immer eine gute Idee sind, oder ob nicht völliger Verzicht auf silbischen Gleichklang viel eher Punk ist.
Sechs von zwölf Titeln hat die Band aus dem Album bereits im Voraus ausgekoppelt. 50% des Materials aus einem noch nicht erschienenen Album auszukoppeln, ist völlig wahnsinnig und dabei ist der Band leider auch noch ein genialer Coup durch die Finger gegangen: die Veröffentlichung von „RiP” und „RaR” hätte, wie auf dem Album, in Form von zwei Singles mehr Sinn ergeben als die tatsächlich erschienene Doppelsingle. Der Gag mit den beinahe identischen Songs auf dem selben Tonträger – allerdings mit einem gewissen Abstand – funktioniert auf dem Album nämlich hervorragend.
In irgendeiner der, ab 28.08. im Handel erhältlichen, Vinylscheiben von “Die Jungs von AKJ” befinden sich, laut Band, übrigens zwei Konzerttickets für das Düsseldorfkonzert der nächsten Hosen-Tour. Als wäre das ein Kaufanreiz!