geld oder leben

„Gewerkschaft braucht Versammlungsfreiheit“

Ein subjektiver Demo-Bericht

| Regionalkoordination West – Orga

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FAU bei der Demo gegen das Versammlungsgesetz NRW in Düsseldorf. Foto: Herbert Sauerwein

Am 26. Juni 2021 fand in Düsseldorf eine als „Großdemonstration“ angekündigte Versammlung gegen das geplante neue Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen (NRW) statt. Ursprünglich sollte diese am DGB-Haus (Nähe Hauptbahnhof) starten. Wenige Tage vorher wurde die Auftaktveranstaltung von den Organisator*innen allerdings auf die Rheinwiesen in Oberkassel (gegenüber der Altstadt) verlegt. Es zeichnete sich nämlich ab, dass mehr Leute kommen würden als ursprünglich erwartet...

Trotz der massiven und dominierenden Beteiligung autoritärer Gruppen und Organisationen waren auch zahlreiche Syndikate der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter*innen Union (FAU) an diesem Tag mit dabei. Sehr kurzfristig hatten wir angefangen, für einen eigenen „anarchistischen und syndikalistischen“ Block zu mobilisieren. Außerdem musste geklärt werden, wo sich unser Block in der Demonstration einreihen sollte. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder direkt hinter dem „Nationalismus ist keine Alternative (NIKA)“-Block (vorderes Drittel der Demo) oder ganz am Ende der Demo. Freundlicherweise konnten wir uns direkt hinter dem NIKA-Block einreihen. Mit uns zusammen liefen noch einige Anarcho-Kommunist*innen der Plattform, Mitglieder der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) und zahlreiche weitere Anarchist*innen, die mit ihren Bezugsgruppen gekommen waren. Die Mitglieder der FAU waren deutlich erkennbar. Zum einen an den FAU-Fahnen (die es nicht nur im klassischen schwarz-rot gibt, sondern auch in schwarz-lila und seit Neuestem auch schwarz-grün), zum anderen an den gelben Streikwesten mit Aufdruck „FAU – Gewerkschaft in Aktion“. Zusammen mit den anderen Anarchist*innen war dies sicherlich eine der größten anarchistischen/syndikalistischen Beteiligungen an einer Demonstration in NRW seit langer Zeit. Dies belegen auch die Reaktionen von einigen Teil-nehmer*innen, die uns immer wieder sagten, dass sie „einen solch großen Block der FAU in Düsseldorf noch nie gesehen“ hätten.

Unsere gute Stimmung kippte, kaum dass wir den Vater Rhein überquert hatten. Offensichtlich hatten Politik und Polizei beschlossen, dass die Demonstration massiv angegriffen werden sollte.

Die Stimmung im anarchistischen/syndikalistischen Block war von Anfang an sehr gut. Während der Sammlungs- und Aufstellungsphase freuten wir uns, alte Bekannte endlich einmal wiederzusehen und die Menschen hinter den neuen Gesichtern kennenzulernen. (Video-Chats ersetzen auf Dauer eben nicht das gute alte Treffen). Mit Start der Demonstration begannen wir, „unsere“ Slogans zu rufen. Während die Slogans der FAU besonders das Recht der Gewerkschaft auf freie Versammlung thematisierten, rückten die anderen Organisationen und die anarchistischen Bezugsgruppen natürlich auch andere Themen in das Zentrum ihrer Aussagen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, wurden die Sprüche immer auch vom gesamten Block aufgenommen. In Ländern wie Frankreich oder Spanien singen die Teilnehmer*innen auf Demos auch immer wieder Lieder aus ihrem reichhaltigen Liedgut – oft mit neuen und thematisch angepassten Liedzeilen. Diese Kultur fehlt in Deutschland noch. Aber die FAU Köln hat in den letzten Jahren einen Anfang gemacht. So brachte sie auch auf diese Demo eine Handvoll Lieder mit, die sie immer wieder anstimmten. Leider waren die Menschen im Block (noch) nicht in der Lage, mit einzustimmen oder „eigene“ Lieder zu singen.

Unsere gute Stimmung kippte, kaum dass wir den Vater Rhein überquert hatten. Offensichtlich hatten Politik und Polizei beschlossen, dass die Demonstration massiv angegriffen werden sollte. Neben diversen Provokationen auf der Brücke kamen die entscheidenden Attacken auf der anderen Rheinseite. Wir selbst haben diese zuerst gar nicht mitbekommen. Nachdem klar war, was im hinteren Drittel des Demozuges passierte, gingen natürlich zahlreiche Menschen aus unserem Block so weit es ging zurück. Eine kleine Gruppe blieb vorne, um – für den Fall, dass die Demo bald weitergehen könnte – als Ankerpunkt für die Reorganisation des Blockes zu dienen. Dazu ist es dann ja leider nicht mehr gekommen. Das Ziel des Demonstrationsweges, der Düsseldorfer Landtag, konnte nicht mehr erreicht werden. Das stundenlange Warten in brütender Hitze, mitten in einer städtischen Betonschlucht, ist nicht gerade dazu geeignet, Fröhlichkeit aufkommen zu lassen. Ganz besonders dann nicht, wenn man weiß, dass Polizei und Politik eine völlig friedlich verlaufende Demonstration massiv angreifen. Positiv zu vermerken ist jedoch die große spontane gegenseitige Hilfe der Demonstrationsteilnehmer*innen. Sie versorgten sich gegenseitig mit Wasser und salzhaltiger Nahrung, um Dehydrierung vorzubeugen, teilten Sonnencreme und spendeten Schatten (indem Fahnen und Transparente so gehalten wurden, das man nicht mehr schutzlos in der prallen Sonne saß). Trotzdem zerfiel die Demonstration im Laufe der Stunden immer mehr, und auch unser Block löste sich nach und nach in seine Einzelteile auf. Auch wenn die Demonstration also wegen der massiven Repression nicht ihren geplanten Verlauf nehmen konnte, wurde damit trotzdem ein kraftvolles Signal des Protests gegen die drohende Verschärfung des Versammlungsgesetzes gesendet.

Nachtrag
Soweit wir wissen, ist von den Menschen, die im anarchistischen/syndikalistischen Block mitgelaufen sind, niemand direkt von polizeilicher Gewalt oder nachfolgender staatlicher Repression im Zusammenhang mit der Demonstration betroffen.

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.