1492 begann mit der „Entdeckung“ Amerikas durch Christoph Kolumbus die brutale Kolonialisierung, Ausbeutung und Zerstörung indigener Gesellschaften und Kulturen in Nord- und Südamerika durch die europäischen Kolonialherren. Nun revanchieren sich die Zapatistas mit einem Besuch in anderen Kontinenten, aber die „Gira por la Vida“ (dt. Reise für das Leben) verfolgt ganz andere Ziele.
Wie einst Kolumbus Amerika erreichten im Sommer 2021 sieben Indigene aus dem mexikanischen Chiapas Europa mit einem Segelschiff. Sie waren als Vorhut einer vielköpfigen Delegation von der Karibikinsel Isla Mujeres aus losgesegelt und betraten am 22. Juni in der spanischen Hafenstadt Vigo Europa. Aber nicht, um es zu kolonisieren, sondern um den Kolonialist*innen den Kolonialismus und Kapitalismus vor die Füße zu pfeffern: „Wir wollen euren Kolonialismus und Kapitalismus nicht!“
Rund 170 weitere Delegierte der zapatistischen Befreiungsbewegung sind mittlerweile in Europa angekommen und touren durch die europäischen Staaten. „Wir sind nicht gekommen, um mit den großen Massen zu sprechen, sondern mit denen, die mit uns sprechen wollen, denen wir zuhören wollen, wie sie kämpfen und sich schlagen und wie sie denken. Was wir denken und was wir wollen, ist, dass sich unsere Augen und unser Verstand öffnen müssen – auf dem Land wie in der Stadt“, so der zapatistische Sprecher Subcomandante Moisés im September 2021 in Wien.
Die meisten Zapatistas sind Indígenas aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas. Sie sehen sich in der sozialrevolutionären Tradition von Emiliano Zapata (1879-1919), dem legendären Protagonisten der Mexikanischen Revolution. Ihre Organisation, die EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional, dt. Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung), trat erstmals am 1. Januar 1994 mit einem bewaffneten Aufstand öffentlich in Erscheinung, verzichtet seitdem aber auf Gewalt. Den Zapatistas geht es um Vernetzung auch mit feministischen Bewegungen. In Europa suchen ihre Delegationen Kontakte und einen regen Austausch mit den sozialen Bewegungen „von unten und links“.
Am 25. September 2021 hatte ich die große Freude, einige der Zapatistas, die gerade durch Europa reisen, kennenzulernen. Zuvor war ich von Mitgliedern des Ya-Basta-Netzwerks gebeten worden, den Compas aus Mexiko ein bisschen etwas über die Geschichte vor allem der hiesigen anarchistischen und der Hausbesetzer*innen-Bewegungen von unten zu erzählen. Das tat ich mit Hilfe einer Diashow und der großartigen Übersetzungsarbeit durch Mitglieder der Gruppe B.A.S.T.A. Erfreut waren die Zapatistas, dass es mit der Graswurzelrevolution seit fast 50 Jahren eine Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft in Deutschland gibt, die regelmäßig auch über die Zapatistas berichtet. Neben mir stellten auch Vertreter*innen mehrerer Antifagruppen und der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter*innen Union (FAU) ihre Arbeit vor. Das war ein toller Nachmittag in Münster. Auch das Kickern mit den Zapatistas hat großen Spaß gemacht.
Auf der Seite des Ya-Basta-Netzwerkes heißt es: „Die zapatistische Delegation, die Deutschland bereist, teilt sich in 13 Teams auf. Diese bestehen meist aus fünf Leuten … Die Zapatistas haben sich entschieden, in dieser ersten Welle der Reise kleinere Treffen mit politischen Gruppen und Bewegungen in den Vordergrund zu stellen und sich mit ihnen vor Ort lokal auszutauschen.“ (1)
Ich kann nur wärmstens empfehlen, sich mit den Zapatistas zu vernetzen.
Fragend schreiten wir voran. Viva Zapata! Anarchie und Glück.
Bernd Drücke
(1) Weitere Infos: https://www.ya-basta-netz.org/termine/
Bernd Drücke war 22 Jahre Graswurzelrevolution-Koordinationsredakteur. Seit Januar 2021 arbeitet er im Archiv für alternatives Schrifttum (afas) in Duisburg. Kontakt: www.afas-archiv.de
Dies ist ein Beitrag der Online Redaktion.
Schnupperabos zum Kennenlernen der Druckausgabe gibt es hier.