Typisch für die offizielle Kriegspropaganda in Jugoslawien ist eine Blut-und-Boden-Mythologie, vor allem was die Darstellungen des Kosovo anbelangt, aber auch was andere Kriegsschauplätze im ehemaligen Jugoslawien betrifft. Den Kosovo sieht man/frau als „Wiege der Nation“. Es liegen dort, so heißt es, die „Wurzeln des Serbentums“ oder auch die „Knochen der Vorväter“. Vermittelt wird, daß man/frau über den Kosovo die Gesellschaft erneuern könne, sozusagen auch gleichzeitig Kraft für die Zukunft erhalte.
Leider bedient sich nicht nur das Regime dieser Mythologie, sondern auch die Opposition reproduziert sie. Die Fernsehspots der Kriegspropaganda sind ein Beispiel für die Mythologisierung des Krieges – und das betrifft nicht nur das jugoslawische Staatsfernsehen, es läßt sich auf die westlichen Medien und ihre Darstellungen des Kriegs leicht übertragen. Dabei lassen sich zwei Stadien erkennen: erstens die Präsentation „unserer“ Streitkräfte und ihrer „Siege“, die die ZuschauerInnen aus einer distanzierten Position aufnehmen. Zweitens eine Art Seifenoper, bei der ein naives Mitgefühl erweckt wird. Im Kriegsfall bezieht sich das auf die Kriegsflüchtlinge, aber natürlich immer nur „unsere“ Flüchtlinge, „unsere“ Toten.
Jede Bewegung, jede Strömung, die wirklich etwas in Jugoslawien verändern will, muß zuallererst versuchen, diese Darstellungen zu demythologisieren.
Gleichzeitig sind aber auch die westlichen Staaten nicht bereit, ein anderes, ein zweites Serbien in der Antikriegsbewegung wahrzunehmen. Dort gibt es meist eine stark vereinfachende Einteilung in „good guys“ und „bad guys“. Für die Lösung der Probleme Serbiens bringt das nichts. Auch behindern die Wirtschaftskrise und die sozialen Probleme, die durch den Krieg und durch die internationalen Sanktionen hervorgerufen wurden, die Arbeit der Antikriegsbewegung. Die Menschen haben sich in ihre privaten Nischen zurückgezogen. Sie sind demotiviert und befinden sich in ständigem Überlebenskampf. Die Mittelschicht ist verarmt, es gibt sie kaum noch. Es ist zu einer Abwanderung der Intellektuellen gekommen. Dies alles hat die kreative Energie und die Widerstandskraft der Gesellschaft gelähmt. Der alltägliche Überlebenskampf ist der schlimmste Feind eines lebendigen politischen Lebens. Für die AktivistInnen der Antikriegsbewegung äußert sich das in einer ambivalenten Einstellung ihrer Arbeit gegenüber. Sie sind ständig hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl der Resignation und neuem Optimismus.