Die kanadische Rockband Danko Jones besticht nicht gerade durch emanzipative Inhalte, ihr ist das oft patriarchale „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“-Grundmuster zu eigen, das sich in den Songtexten zumeist in einer so sexualisierten Grundstimmung äußert, dass es durchaus an Sexismus grenzt.
Zigarren, Pelzmäntel, goldene Pools
Dass das im Wesentlichen eine Rolle ist, die zum Rock’n’Roll-Geschäft gehört, stellt mensch aber immer wieder fest, wenn mensch vom Sänger und Songwriter gleichen Namens etwas liest, seien es Interviews (etwa das kongeniale Gespräch zwischen Danko Jones und Lemmy Kilmister kurz vor dem Tod des zweiten) oder aber auch Kommentare in den virtuellen, so genannten sozialen Medien. Auf Twitter äußert sich Danko regelmäßig zu Trumpismus („Kid Rock is a fascist bastard“), solidarisiert sich als Songwriter of Colour mit Black Lives Matter und kommentiert die offensichtlich auch in der Rockwelt nicht unübliche Corona-Leugnerei.
Kürzlich beschwerte sich Danko via Internet über eine ungenannte schwerreiche Metal-Band, weil deren Videos eigentlich nur noch eine einzige große Schleichwerbung für Marken-Luxus-Produkte seien. Die wissenden Follower:innen kommentierten das fast durchgängig mit der einfachen Floskel „Sad but true“, einem Hit der frühen 1990er-Jahre von Metallica, der wohl namhaftesten Metal-Band. Also, erwischt: Es sind natürlich Metallica, die im Dezember 2021 ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Konzert vor 18.000 Personen in San Francisco feierten, die dort wenig überraschend eines unreflektierten Luxus-Konsums und der Werbung dafür bezichtigt werden.
So weit, so normal. Von den schwerreichen Heavy-Rockern (die Zeichentrickserie South Park machte sich bereits einmal darüber lustig, dass mensch den Pool nicht weiter vergolden könne, wenn sich die Kids weiterhin via Napster die Songs umsonst herunterladen würden) ist nichts anderes zu erwarten. Trotzdem hat mich das mal wieder fragen lassen, wie das eigentlich gekommen ist.
„Es war normal, links zu sein“
Denn: In meiner Jugend, die eben Metallica nicht ganz unwesentlich geprägt haben, war Heavy Metal links. Mille Petrozza, Sänger und Gitarrist der Ruhrpott-Metal-Legende Kreator, hat das mal kommentiert mit „Es war in den 1980ern einfach normal, links zu sein“. Das galt auch für Metallica, die bis heute in der Heavy Rotation (1) auch vieler Linker auf und ab laufen. Lassen wir mal kurz die Themen der letzten „linken“ Platte, „… And Justice For All“ (1988), Revue passieren: Protest gegen den drohenden Atomkrieg („Blackened“), Korruption („… And Justice For All“), Verteidigung der linksliberalen Punkband Dead Kennedys („Eye Of The Beholder“), ein populär gewordenes Antikriegslied („One“) und eine Hasstirade auf das evangelikale Elternhaus des Sängers und Gitarristen James Hetfield („Dyerʼs Eve“) – in deren politische Fußstapfen er sich kurz danach begibt.
Denn Metallica haben, ausgerechnet mit einem ihrer populärsten Alben, dem so genannten schwarzen Album, das 2021 sein 30-jähriges Jubiläum feierte, eine radikale Kehrtwende vollzogen: Das Cover schmückt eine geringelte Klapperschlange, die damals in Europa mangels Internet keiner:m etwas sagte: Es handelt sich um die so genannte Gadsden Flag, Symbol der extrem neoliberal orientierten Neuen Rechten in den USA („Libertarians“ oder sogar „Anarchokapitalisten“). Die Lyrics sind entsprechend: Der Song „Don’t tread on me“ zitiert das Motto der Gadsden Flag und ist Metallicas Bekenntnis zum Patriotismus. „Of Wolf and Man“ ist eine Lobeshymne auf die Jagdpassion Hetfields, und „The Unforgiven“ orientiert sich am Werk der neoliberalen Philosophin Ayn Rand.
Rechtsliberale Kehrtwende
Die hat es Textschreiber Hetfield offenbar besonders angetan: Zwei Fortsetzungen hat die Ballade „The Unforgiven“ (Balladen sind an sich schon ein Unding für eine Thrash-Metal-Band) seitdem erfahren, und auf dem musikalisch als „Rückkehr zu den Wurzeln“ (sprich: als krampfhaften Versuch, an die Erfolge der 1980er-Jahre anzuknüpfen) gefeierten Album „Death Magnetic“ gibt es weitere Reminiszenzen, auf dem bis dato jüngsten Werk „Hardwired … to Self-Destruct“ gar einen Song namens „Atlas, rise!“ in Anlehnung an die Bibel der Neoliberalen, „Atlas Shrugged“ („Atlas wirft die Welt ab“) von Rand. (Da mensch keiner:m zumuten möchte, Ayn Rand zu lesen, sei an dieser Stelle Matt Ruffs „GAS: Die Trilogie der Stadtwerke“ empfohlen, ein Roman, der Rands Thesen kritisch auseinandernimmt und dabei auch noch lustig ist.)
2021 hätten die neurechts-marktradikalen Statements von Metallica einen Aufschrei ausgelöst, den es 1991 mangels Bekanntheit von Konstrukten wie „Anarchokapitalismus“ noch nicht geben konnte. Schlagzeuger Lars Ulrich, Sohn eines dänischen Tennisspielers, erklärt die Texte Hetfields mit einer europäisch-US-amerikanischen Differenz und setzt hinzu, er habe es lange aufgegeben, mit James Hetfield politisch zu diskutieren. Nun gut, das ist gar nicht so unnormal: Es gibt eine Legion von linken Bands, in denen eigentlich nur der:die jeweilige Lyriker:in links war oder ist. Aber so darf Ulrich sich nicht wundern, wenn er für das, was seine Band da so von sich gibt, in Sippenhaft genommen wird.
Viel verwunderlicher finde ich sowieso das Schweigen des Leadgitarristen Kirk Hammet, des einzigen in der Band, dessen Familie einen proletarischen und Latino-Hintergrund hat. Aber auch das schützt nicht vor den Verführungen des autoritären Liberalismus, zumal wenn mensch diese Wurzeln (die ja auch schlechthin die Wurzeln des Rock’n’Roll sind) lange hinter sich gelassen hat …
Repräsentativ für die Metal-Szene
Der inhaltliche Wandel, den Metallica durchgemacht haben, ist – so mein Eindruck – repräsentativ für die Metal- und Hardrock-Szene. Küchensoziologisch müsste wohl das zunehmende Alter der Musiker:innen wie auch der Hörer:innen als Erklärung herhalten. Politisches Schweigen (wie etwa erst kürzlich durch die Ruhrgebiets-Metal-Band Sodom angesichts des Line-Ups eines skandinavischen Festivals mit einer ganzen Horde von Holocaust-Leugner:innen), ästhetisches Fischen in rechten Gewässern (Rammstein) und zahlreiche neurechte oder mindestens problematische Äußerungen von Ted Nugent (der war allerdings schon immer so), Dave Mustaine (Megadeth und ganz früher auch mal Metallica) oder eben Kid Rock weisen darauf hin, dass Metal von einer linken Sub- zu einer konservativen Mainstream-Kultur geworden ist. Zum Glück gibt es Ausnahmen: Die spanischen Angelus Apatrida z. B. lassen die Spanische Revolution hochleben oder besingen den Haymarket Riot. Und Kreator (die dafür in Metal-Foren auch immer eine Menge Kritik der konservativeren Hörer:innenschaft einstecken müssen) veröffentlichen demnächst – so sagt das Plattenlabel – „ihr bis dato politischstes Album“. Immerhin.
Dabei bin ich im Übrigen gar nicht der Meinung, dass Rock politisch sein muss. Sex, Drugs and Rock’n’Roll à la Danko Jones versprüht den ursprünglichen Geist der Rebellion genauso, auch ohne politische Texte.
Törsten Bewernitz
(1) Rotation bezeichnet die Häufigkeit, mit der ein Song (in Sendern) gespielt wird; die höchste Stufe ist A-Rotation (Heavy Rotation).
Törsten Bewernitz hat in dem Heavy-Metal-Kompendium „Hear ʼem all. Heavy Metal für die eiserne Insel“ (hg. von Frank Schäfer, Mainz 2018) Texte zu Anthrax, Sacred Reich und Motörhead geschrieben – das Buch zeigt auch auf, dass keineswegs alle Liebhaber:innen harter Klänge im Alter konservativ geworden sind.