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Gegen Krieg und Heuchelei, gegen Autokraten und Imperien!

Ein Kommentar zum deutschen Umgang mit dem Ukrainekrieg

| Ralf Dreis

Beigragdreis
Foto: Leonhard Lenz, CC0, via Wikimedia Commons

In der Ukraine herrscht Krieg. Seit über einer Woche bombardiert das russische Militär die Städte, zerstört die Infrastruktur, greift die Zivilbevölkerung an und riskiert atomare Verseuchung durch Angriffe auf AKWs. Unzählige Menschen sind tot und verwundet, Millionen auf der Flucht. Andere bleiben, bewaffnen sich und kämpfen, wieder andere werden zwangsrekrutiert.

In Deutschland reibe ich mir verwundert die Augen. Das Tempo, in dem Politik und Wirtschaft Entscheidungen treffen, die unser Leben verändern werden, ist atemberaubend. Entscheidungen, die Menschen, die Wladimir Putin schon lange als Diktator und Kriegsverbrecher bezeichnen, seit Jahrzehnten fordern. Entscheidungen auch, deren unverfrorene Heuchelei kaum zu ertragen ist.

Neu entdecktes Gewissen, friedliche Militärlaster

Da entdecken vier Mitarbeiter-*innen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder ihr Gewissen und bitten ein paar Tage nach Putins Kriegsinvasion darum, aus Schröders Büro im Bundestag versetzt zu werden. Mir bleibt die Spucke weg. Dass ein Privat-Lobbyist, der jährlich Millionen überwiesen bekommt, 18 Jahre nach seiner Abwahl Mitarbeiter*innen aus dem Bundeshaushalt bezahlt bekommt. Und mit welchem Gewissen haben die bisher für Schröder gearbeitet?
Oder Daimler Benz. Der weltgrößte Lastwagenbauer Daimler Truck hat wegen des Ukraine-Krieges die geschäftlichen Aktivitäten in Russland „vorerst“ eingestellt. „Wir stehen als Unternehmen für eine friedliche globale Zusammenarbeit und lehnen jede Form von militärischer Gewalt kategorisch ab“, so ein Sprecher des Unternehmens, dessen Fahrzeuge in allen Kriegen der Welt mitmorden, in der Frankfurter Rundschau vom 28. Februar.

Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr.
Nein zur Reaktivierung des Kriegsdienstzwangs.
Atom- und Kohlekraftwerke abschalten.
Systemwechsel statt Klimawandel!

Oder Dieter Reiter (SPD), der Oberbürgermeister von München, der den Star-Dirigenten und Putin-Freund Waleri Gergijew zuerst öffentlich an den Pranger stellte und dann entließ, als der sich nicht von Putin distanzierte. Derselbe Oberbürgermeister, der Gergijew 2015 eingestellt hatte, obwohl der 2014 die Besetzung der Krim durch russische Truppen begrüßte.

„Vergessener“ Angriffskrieg auf Jugoslawien

Oder Springers Welt, die plötzlich Annalena Baerbock für ihre „feministische Außenpolitik“ lobt. „Feminismus“, der auf der Erwähnung Mias, eines neugeborenen Babys in der Kiewer U-Bahn beruht, das die UN gegen Putin vereint habe. Wäre es nicht feministischer, über erwachsene Frauen zu sprechen? Frauen, die handeln? Zu Recht fragt Doris Akrap in der taz vom 5./6. März: „Warum Mia und nicht Nika, eine Journalistin aus Kiew, die bleibt, weil sie ihre Oma und ihren Mann nicht alleine lassen will, die das Land nicht verlassen können?“ Warum Mia, frage ich, und nicht die Frauen, die bleiben, um ihre Städte zu verteidigen? Oder die Frauen, die sich und ihre Kinder in Sicherheit bringen, um nicht Opfer der patriarchalischen Schlächterei zu werden?
Wie kann es sein, dass Baerbock vor der UN betonte, sie gehöre einer Generation an, die in Frieden aufgewachsen ist? Wo es doch die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder und Josef Fischer war, die die Grünen zur Kriegspartei machte. Die seit Wochen in tagesschau und heute journal vorgetragene Lüge, dass Putins Krieg der erste in Europa seit 1945 sei, wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Auch die deutsche Außenministerin weiß, dass das ehemalige Jugoslawien 1999 völkerrechtswidrig durch die NATO in Schutt und Asche gebombt wurde.

Gegen nationalistische Kriegsrhetorik

So notwendig der Widerstand gegen imperiale militärische Gewalt ist und so sehr ich den aktuellen Druck gegen die russische Regierung, gegen Oligarchen und Banken begrüße, so sehr lehne ich die nationalistische und autoritäre Kriegsrhetorik ab, die die nächsten Kriege schon vorbereitet. Eine NATO, die zu Angriffskriegen und Kriegsverbrechen eigener Mitgliedsstaaten schweigt, wie sie gegenwärtig Recep Tayyip Erdoğans türkische Armee in Nordostsyrien / Rojava verübt, ist verlogen und bekämpfenswert. „Vielen Dank für die starke türkisch-deutsche Partnerschaft, Mevlüt Çavuşoğlu! Wir sind zusammen in der Russlandkrise”, so Baerbock auf Twitter. Doch diese Partnerschaft existiert nicht nur dort. In Rojava bombardiert, mordet, vergewaltigt, vertreibt die türkische Armee mit deutschen Panzern und Waffen die ansässige Bevölkerung. Leisten wir Widerstand dagegen.
Suchen wir nach neuen Wegen, um imperialem Machtstreben, Ausbeutung, Gewalt und Krieg entgegenzutreten. Offene Grenzen für alle, die vor Krieg, Hunger und Gewaltherrschaft fliehen. Es darf keine unterschiedliche Bewertung von Geflohenen geben. Nötig ist Hilfe und Unterstützung für alle, die vor Putins Krieg fliehen, für alle, die noch immer zwischen Polen und Belarus festsitzen, und für alle, die gezwungen sind, über das Mittelmeer zu fliehen, und an den Zäunen der Festung Europa um ihr Leben kämpfen. Setzen wir einen sofortigen Einfuhrstopp für Erdgas, Erdöl und Kohle aus Russland oder anderen Diktaturen durch. Es kann ein Kollateralgewinn des Krieges sein, fossile Brennstoffe früher loszuwerden.
Und seit wann können im deutschen Fernsehen wieder Generäle in vollem Militär-Wichs auftreten? Militaristen raus aus den Nachrichtensendungen! Das 100 Milliarden schwere Aufrüstungspaket für die Bundeswehr bekämpfen! Wir brauchen 100 Milliarden für Bildung, Pflege, Klimaschutz.
Ob Afghanistan, Syrien, Kurdistan oder Ukraine – Menschenrechte sind unteilbar.
Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr.
Nein zur Reaktivierung des Kriegsdienstzwangs.
Atom- und Kohlekraftwerke abschalten.
Systemwechsel statt Klimawandel!

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.