Kein Ausstieg aus dem Ausstieg!

AKW-Laufzeitverlängerungen stoppen – Proteste vernetzen!

| Udo Buchholz

Beitragausstieg
Protest in Brüssel 2007 - Foto: Horst Blume

In Zeiten steigender Energiepreise und zunehmender Liefereng-pässe infolge des Ukraine-Kriegs wittern die Atomkraft-Befür-worter*innen Morgenluft: Seit Monaten werden Laufzeitverlängerungen gefordert und teilweise sogar beschlossen, und die Ausstiegspläne werden nach und nach demontiert. Gegen die Fortführung des atomaren Wahnsinns regt sich aber entschiedener Protest. Udo Buchholz gibt einen Überblick über die aktuelle Situation. (GWR-Red.)

Anfang September wurde bekannt, dass die süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 nicht wie geplant Ende des Jahres 2022 endgültig stillgelegt werden sollen. Je nach Wetter- und Versorgungslage sollen sie bis zum Frühjahr 2023 Atomstrom – und auch Atommüll – produzieren. Das dritte der noch in Betrieb befindlichen AKW in der Bundesrepublik, das AKW Lingen 2 im Emsland, soll wie geplant Ende 2022 vom Netz gehen.
Gemeinsam forderten die Anti-Atomkraft-Initiativen, die sich gegen diese drei Reaktoren engagieren, als Reaktion die sofortige Stilllegung der drei AKW, die schon seit Jahrzehnten am Netz sind. Spontan wurde für den 1. Oktober 2022 zu einer Demonstration in Lingen aufgerufen. Und am 22. Oktober wird beim AKW Neckarwestheim 2 demonstriert.
In Bayern haben Anti-Atomkraft-Initiativen im Sommer mehrfach Ministerpräsident Söder mit der Forderung nach einem umfassenden Atomausstieg konfrontiert, so zum Beispiel am 5. September beim „Gillamoos“, einem Volksfest in Abensberg.

Ein paar Monate – oder Jahre?

Die Initiativen im Bereich der AKW-Standorte, weitere Initiativen und Umweltverbände wie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) warnen vor einer faktischen Abkehr vom Atomausstieg. Schon wurden Stimmen aus der Politik laut, die sogar mehrere Jahre AKW-Laufzeitverlängerung fordern. Diesen Forderungen muss konsequent entgegengetreten werden.
Offizielle Beschlusslage war es bisher, dass die letzten drei Atomkraftwerke in der Bundesrepublik spätestens am 31. Dezember 2022 endgültig stillgelegt werden. Dass dies weiterhin für das niedersächsische AKW Lingen 2 zutreffen soll, erfreut die Anti-Atomkraft-Bewegung. Dennoch sind die Initiativen in und um Lingen solidarisch, fordern konsequent auch das Aus für die beiden süddeutschen Reaktoren und unterstützen die Gruppen in Bayern und Baden-Württemberg.

Vergessene Atomanlagen

Zu beachten ist beim Thema Atomausstieg, dass der sich nicht auf AKW beschränken lässt. So gibt es zum Beispiel in Gronau und Lingen Atomanlagen, die bisher beim Atomausstieg ausgeklammert wurden. Es handelt sich dabei um die Urananreicherungsanlage in Gronau und um die Brennelementefabrik in Lingen. Für beide Anlagen gibt es bisher keine Laufzeitbegrenzungen.
Auch das ist für die Anti-Atomkraft-Bewegung nicht hinnehmbar, und so sind auch diese beiden Anlagen im Nordwesten, nahe der niederländischen Grenze, immer wieder das Ziel von Protestaktionen. In Gronau wurde am 7. August an die Jahrestage von Hiroshima und Nagasaki erinnert, und in Lingen wurde bei der Brennelementefabrik am 12. September gegen drohende Uranlieferungen aus Russland demonstriert. Gerade diese beiden Anlagen sind oft das Ziel von Atomtransporten bzw. deren Startpunkt. Diese rollen oft unerkannt durch das ganze Bundesgebiet, und auch noch darüber hinaus, und gefährden die Bevölkerung an den Transportrouten.

Atommüll, Protest, Vernetzung und folgende Generationen

Ein weiteres Thema, das die Anti-Atomkraft-Initiativen ständig bewegt, ist die ungelöste Atommüllentsorgung. Nach Jahrzehnten der Atomstromproduktion gibt es noch immer kein Endlager. Weder für hochradioaktiven Atommüll noch für sonstigen Atommüll. Wer in dieser Situation Laufzeitverlängerungen für AKW fordert, nimmt in Kauf, dass noch mehr Atommüll produziert wird, der dann wieder in so genannten Zwischenlagern vor sich hindümpeln oder von A nach B und von B nach C transportiert werden soll. Auch das ist nicht hinnehmbar. Es darf kein weiterer Atommüll produziert werden.

Schon wurden Stimmen aus der Politik laut, die sogar mehrere Jahre AKW-Laufzeitverlängerung fordern. Diesen Forderungen muss konsequent entgegengetreten werden.

Um die anstehenden Stilllegungen der letzten AKW in der Bundesrepublik schon zu feiern, aber auch um auf noch laufende Anlagen und auf das Atommüllproblem hinzuweisen, hat die Anti-Atomkraft-Organisation .ausgestrahlt in diesem Sommer zwei mehrwöchige Fahrraddemonstrationen zwischen Atomstandorten im Nordwesten und im Süden durchgeführt. Gemeinsam mit örtlichen Initiativen wurden Kundgebungen und Infoveranstaltungen organisiert. Dabei wurde auch an die lange und einflussreiche Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung erinnert.
Ebenfalls auf die Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung blickt ein Buch zurück, das im Sommer erschienen ist: „Atomkraft – nein danke! 50 Jahre Anti-AKW-Bewegung“. Erhältlich ist das Buch u. a. bei der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, einer der ältesten Mitgliedsinitiativen des BBU, der in diesem Jahr auch seinen 50. Gründungstag hatte.

Ein Fazit der langen Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung: Es ist wichtig, gemeinsam mit Bündnispartner*innen aktiv zu werden. Bedeutung haben dabei Friedensinitiativen und Weltläden, Landwirt*innen, Jugendorganisationen und kirchliche Gruppierungen usw. Und angesichts der ewig strahlenden Atommüllberge ist es wichtig, neue Generationen für das Engagement gegen jegliche Nutzung der Atomenergie zu gewinnen.

Udo Buchholz ((59)) wohnt in der Nähe der Urananreicherungsanlage Gronau, engagiert sich seit 1980 gegen die Atomindustrie und ist u. a. Vorstandsmitglied des BBU.

Weitere Informationen:
bbu-online.de,
www.bbmn.de/wp,
www.bi-luechow-dannenberg.de

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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