Ableistische Polizeigewalt hat System

Mouhamed Lamine Dramé: von der Polizei ermordet

| Laila

In den letzten Monaten haben sich tödliche Polizeischüsse auf marginalisierte Menschen erschreckend gehäuft. Diese mörderischen Einsätze waren oft nicht nur Höhepunkte rassistischer, sondern auch ableistischer Polizeigewalt – unter anderem, aber nicht nur im Fall des in Dortmund erschossenen Mouhamed Lamine Dramé, wie der Artikel von Laila herausstellt. (GWR-Red.)

Am 8. August 2022 wurde der 16-jährige Mouhamed Lamine Dramé im Hinterhof einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt von der Polizei getötet. Mouhamed war erst vier Monate zuvor aus Senegal nach Deutschland geflüchtet und befand sich in einer psychischen Krise. Deswegen hatte er zwei Tage vor seiner Ermordung Hilfe in einer psychiatrischen Klinik gesucht, wo er allerdings wieder nach Hause geschickt wurde. Weil die Betreuer*innen seiner Wohngruppe Angst um ihn hatten und fürchteten, dass er sich selbst verletzen könnte, riefen sie die Polizei.
Nach ihrer Ankunft entschied sich die Polizei, den Hof zu stürmen, in dem Mouhamed in der hintersten Ecke saß. Als erstes griffen sie den Teenager mit so viel Pfefferspray an, dass die Flüssigkeit über seinen Kopf und sein Gesicht lief. Daraufhin stand er auf und versuchte, mit einer Hand seine Augen abzuwischen. Sofort wurde er von der Polizei mit zwei Tasern angeschossen. Entweder sehr kurz danach oder zeitgleich gab ein Polizeibeamter sechs Schüsse aus einer Maschinenpistole ab. Mouhamed wurde von vier Kugeln getroffen und starb kurz darauf im Krankenhaus.

Absolut ungeeignet

Die Polizei ist nicht auf psychische Ausnahmezustände vorbereitet, ja noch mehr: Die Polizei hat in einer solchen Situation nichts verloren. Die Beamt*innen sind überfordert mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Sie sind in Dortmund angerückt ohne jede Vorwarnung, weil sie seine Sprache nicht sprachen. Ein 16-jähriger mit Selbstmordgedanken, der gerade eine für die meisten von uns unvorstellbar schwere Zeit durchgemacht hat, wird als erstes mit Pfefferspray überschüttet.
Wer kommt auf die Idee, dass ein Maschinengewehr in einer solchen Situation dazugehört – ein junger Mensch in einem Krisenzustand, wobei keine Gefahr für Dritte von Mouhamed ausging? Diese Tragödie ist umso bitterer, weil sie so unnötig war.
Und es ist kein Einzelfall. Es gibt viele Fälle von Polizeigewalt und Mord an Menschen in psychischen Ausnahmezuständen, wie in Mannheim am 2. Mai dieses Jahres, als ein Mensch in der Polizeikontrolle öffentlich misshandelt wurde, bis er starb, oder der Mord an Kupa Ilunga Medard Mutombo, der erst am 14. September 2022 von der Berliner Polizei in einem betreuten Wohnheim für seelisch und psychisch kranke Menschen zu Tode geprügelt wurde.

Keine Einzelfälle

Rassistische und ableistische Polizeigewalt sind strukturelle Probleme, die dazu dienen, dieses unterdrückende und ungerechte System aufrechtzuerhalten. Und es sind nicht nur BIPoCs, Geflüchtete, behinderte oder psychisch kranke Menschen, die überproportional oft durch die Polizei in Deutschland wie weltweit ermordet werden; andere marginalisierte Gruppen sind auch davon betroffen: Sexworker*innen, Obdachlose, Queers …
Die am meisten Marginalisierten können von der Polizei keinen Schutz erwarten, weil sie fürchten müssen, von der Polizei ermordet zu werden, falls sie in einer Notlage um Hilfe bitten. Bei einer mehrfachen Marginalisierung steigt die Wahrscheinlichkeit zusätzlich, wie im Fall von Mouhamed, der geflüchtet und in einem psychischen Ausnahmezustand war.
Die Polizei gehört abgeschafft. Es geht auch anders. Notwendige Aufgaben, die jetzt von der Polizei ausgeführt werden, können wir mit anderen Lösungen ersetzen, weit weg vom gefängnisindustriellen Komplex. Dafür gibt es schon funktionierende Beispiele. Viele Ansätze lassen sich unter den Stichwörtern „Transformative Justice“ und „Police Abolitionism“ finden.
Die Polizei schützt Eigentum, nicht Leben – noch weniger, wenn es sich um das Leben marginalisierter Menschen handelt. Es ist Zeit, dass wir uns verbünden, um Polizeigewalt ein für allemal zu beenden!

Am 19. November 2022 gibt es eine bundesweite Demonstration in Dortmund unter dem Motto „Es gibt 1000 Mouhameds: Sie verdienen Gerechtigkeit!“
(Beginn: 13.30 Uhr an der Katharinentreppe).

Weitere Informationen unter: https://justice4mouhamed.org

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