Gemeinsam gegen rassistische Polizeigewalt – aber was tun?

Individuelle Interventionsmöglichkeiten bei rassistischem Profiling

| Copwatch Hamburg

Rassistische Kontrollen und brutale Übergriffe durch Beamt*innen bis hin zu mörderischer Gewalt bei oder nach der Festnahme: Die Erfahrungen, die migrantisierte Menschen und BIPoC (Black, Indigenous, and People of Colour) mit der Polizei machen, sind von Diskriminierung, Demütigungen und Gewalt geprägt. Dagegen richten sich die Aktivitäten der Initiative Copwatch Hamburg, die für die Graswurzelrevolution den polizeilichen Rassismus darstellt und Handlungsmöglichkeiten gegen rassistisches Profiling aufzeigt. (GWR-Red.)

Immer wieder kommt es zu rassistischer Gewalt von Polizist*innen gegen BIPoC. Besondere mediale Aufmerksamkeit bekam der Fall von Mouhamed Lamine Dramé, der am 8. August 2022 von Dortmunder Polizist*innen mit mehreren Schüssen ermordet wurde. Entgegen der wiederkehrenden Behauptungen der Polizei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem. Nur die wenigsten Fälle rassistischer Polizeigewalt werden überhaupt öffentlich wahrgenommen.
Ausdrücklich soll also darauf hingewiesen sein, dass die Polizei als Institution an sich zu kritisieren ist. Die Polizei ist als Teil der Exekutive mit umfassenden Befugnissen ausgestattet. Das erlaubt es ihr, Gewalt anzuwenden und in Persönlichkeitsrechte einzugreifen. Das Vorgehen der Beamt*innen wird dabei von vielen als unfehlbar begriffen und nicht hinterfragt. Jedoch stellt die Polizei für viele Personen keinen Schutz, sondern eine Bedrohung dar: Beispielsweise für obdachlose Menschen, Personen ohne Papiere, psychisch Erkrankte und/oder BIPoC ist Polizeikontakt eine Bedrohungssituation und oft eine Gewalterfahrung.

Polizei als tägliche Bedrohung

Da Copwatch Hamburg sich vor allem um eine solidarische Unterstützung von Betroffenen rassistischer Polizeigewalt bemüht, soll es hier in erster Linie um den Zusammenhang von Polizei und Rassismus gehen, auch wenn eine umfassende Polizeikritik andere Aspekte ebenfalls genauer beleuchten muss. Außerdem ist wichtig zu betonen, dass Rassismus als strukturelle und gewaltvolle Diskriminierung nicht alleine bei der Polizei verortet werden kann. In der Institution der Polizei zeigt sich die strukturelle und institutionelle Komponente des gesamtgesellschaftlichen Rassismus. In einer rassistischen Gesellschaft wird Rassismus auch in ihren Institutionen reproduziert.
Das rassistische Denken und Handeln innerhalb der Polizei wird auf unterschiedliche Weise deutlich, wie beispielsweise durch unverhältnismäßige Gewaltanwendung bei Polizeikontakt. Im Folgenden liegt der Fokus auf so genanntem racial profiling/rassistischen profiling als einer häufigen Form rassistischen Polizierens.
Rassistisches profiling verstößt gegen das Diskriminierungsverbot und den Gleichheitsgrundsatz, der in Art. 3 des Grundgesetzes verankert ist. Dennoch ist es gängige polizeiliche Praxis. Ständig werden Schwarze Menschen kontrolliert, weiße so gut wie nie. Hierbei erkennen die Beamt*innen selbst ihre Kontrollpraxis meist nicht als rassistisch an. Menschen werden ohne einen konkreten Anfangsverdacht kontrolliert. Die Auswahl, wer kontrolliert wird, beruht auf rassistischen Zuschreibungen. Rassifizierte Merkmale wie Hautfarbe, Sprache oder (zugeschriebene) Religionszugehörigkeit werden zu Kriterien gemacht, um Menschen zu kriminalisieren.

Entrechtung durch „gefährliche Orte“

In Hamburg wird dieser Kontrollpraxis insbesondere durch die Einrichtung so genannter gefährlicher Orte in den Stadtteilen St. Pauli und St. Georg Vorschub geleistet. Wenn die Polizei eine Person kontrollieren will, muss sie gewöhnlich einen „konkreten Tatverdacht“ haben. In den so genannten gefährlichen Orten reicht es hingegen, wenn sie gewisse Anhaltspunkte für ein verdächtiges Verhalten angibt, die die Kontrolle begründen.
Auch in anderen Städten gibt es ein vergleichbares Konstrukt der „gefährlichen Orte“, teilweise unter anderem Namen (in Berlin sind es dann z. B. so genannte kriminalitätsbelastete Orte). Je nach Bundesland machen die Innenbehörden nicht einmal öffentlich, ob „gefährliche Orte“ ausgewiesen worden sind (z. B. in Hessen). Egal unter welchem Namen und ob öffentlich bekannt oder geheim gehalten: „Gefährliche Orte“ gehören abgeschafft.

Tipps für eine solidarische Praxis

Rassistische Kontrollen sind häufig nur der Anfang weiterer Gewalt. Auf sie folgt oftmals eine Fest- oder Ingewahrsamnahme. Für illegalisierte Personen besteht außerdem die Gefahr, in Abschiebehaft genommen zu werden. Oft fühlen sich Beobachtende einer Kontrolle hilflos und wissen nicht, wie sie sich in der Situation verhalten sollen. Copwatch Hamburg sowie andere lokale Copwatch-Gruppen geben – neben anderen Formen der Unterstützung – Handlungsvorschläge für Betroffene sowie Zeug*innen rassistischer Polizeikontrollen.
An dieser Stelle soll es vor allem um die solidarische Unterstützung Betroffener gehen. Deshalb sollen mögliche Schritte skizziert werden, um als nicht selbst von der Kontrolle betroffene Person eine Kontrollsituation kritisch zu begleiten.

Während der Kontrolle
  1. Bleibe ruhig und provoziere keine Eskalation der Situation. Dies kann die kontrollierte Person gefährden.
  2. Wenn möglich, frage die kontrollierte Person, ob du dabei bleiben und die Kontrolle dokumentieren sollst. Mache deutlich, dass du mit der betroffenen Person solidarisch bist und in ihrem Interesse handeln möchtest. Wenn sie das nicht will, dann respektiere die Antwort und geh weiter.
  3. Wenn die betroffene Person dich als Beobachter*in dabei haben will, kannst du dich als Beistand nach § 14 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz anbieten. Wenn die betroffene Person dich als Beistand akzeptiert, darf die Polizei dich nicht einfach wegschicken.
  4. Polizist*innen reagieren häufig ungehalten, wenn ihre Arbeit kritisch hinterfragt wird. Lass dich nicht provozieren. Möglicherweise werfen dir die Beamt*innen vor, eine polizeiliche Maßnahme zu stören, und drohen dir einen Platzverweis an. Wenn du aufgefordert wirst zu gehen, dann entferne dich nur so weit, dass du die Kontrolle weiter beobachten kannst. Wenn du als Beistand akzeptiert wurdest, darfst du bei der Kontrolle dabei bleiben.
  5. Frage die Polizist*innen nach dem Grund der Kontrolle und ihren Namen bzw. Dienstnummern und notiere dir diese Angaben. Beamt*innen sind rechtlich dazu verpflichtet, diese Daten mitzuteilen. Tun sie dies nicht, kannst du nach der Einsatzleitung verlangen. Wenn die Kontrolle von Personen in Zivil durchgeführt wird, dann lass dir den Dienstausweis zeigen. Weise die Beamt*innen auf das Verbot von diskriminierenden Kontrollen hin.
  6. Du kannst die Kontrolle fotografieren oder filmen, allerdings nimmt die Polizei dies oft zum Anlass, Handys zu beschlagnahmen und/oder dich anzuzeigen. Wenn du filmst oder fotografierst, dann äußere deutlich, dass du dies zur Dokumentation tust und das Material nicht veröffentlichen wirst.
  7. Wenn die kontrollierte Person von der Polizei mitgenommen wird, dann frage sie nach ihrem Namen, Geburtsdatum und ggf. Meldeadresse. Notiere dir diese Informationen und achte unbedingt auf die korrekte Schreibweise. Frage die Person, ob du jemanden informieren sollst. Das können Freund*innen, Familienangehörige oder Rechtsanwält*innen sein. Lass dir ggf. die entsprechenden Kontaktdaten geben.
  8. Ist die Kontrolle vorbei und die betroffene Person wird nicht mitgenommen, frage sie, ob sie noch Unterstützung braucht. Biete dich auch als Zeug*in an und gib deine Kontaktdaten weiter für den Fall, dass die betroffene Person sich entscheidet, juristisch gegen die Kontrolle vorzugehen.
Nach der Kontrolle
  1. Lege ein Gedächtnisprotokoll an und füge alles, was du während der Kontrolle notiert hast, dazu, inklusive Datum, Ort und Uhrzeit der Kontrolle. Das Gedächtnisprotokoll ist wichtig für den Fall, dass es zu einem Gerichtsprozess kommen sollte.
  2. Es besteht, auch für Zeug*innen polizeilichen Fehlverhaltens, die Möglichkeit, gegen die beteiligten Beamt*innen eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Polizeipräsidentschaft des jeweiligen Bundeslandes einzulegen. Diese läuft jedoch meistens ins Leere. Wenn du Beschwerde einreichen willst, empfiehlt Copwatch, dir vorher Beratung zu suchen.
  3. Vorladungen der Polizei musst du nicht nachkommen, nur Vorladungen der Staatsanwaltschaft. Für Zeug*innen gilt jedoch, dass sie Vorladungen der Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Folge leisten müssen. Suche dir auf jeden Fall Beratung, bevor du etwas unternimmst!
Polizeilichen Rassismus öffentlich machen

Lokale Copwatch-Gruppen oder 
rechtliche Beratungsstellen können gute erste Anlaufstellen sein. Auch Fälle von rassistischen Kontrollen in den eigenen Stadtteilen öffentlich zu machen (wenn die betroffene Person das möchte), Demos zu organisieren und der Polizei zu zeigen, dass es auch eine kritische Öffentlichkeit gibt, sind Möglichkeiten, um über die konkrete Kontrollsituation hinaus auf das Thema aufmerksam zu machen. Zumal ein weiteres Problem ist, dass immer noch viel zu viele Menschen polizeiliches Handeln nicht hinterfragen, sondern darauf vertrauen, dass schon alles seine Richtigkeit hat. Deshalb ist es wichtig, mit Freund*innen, Bekannten, Kolleg*innen, Nachbar*innen über institutionellen Rassismus bei der Polizei zu sprechen.
Die Polizei als Institution ist nicht reformierbar, sie muss abgeschafft werden. Doch bis dahin sind jeden Tag Personen von rassistischem profiling und anderen Formen von rassistischer Polizeigewalt betroffen. Deshalb braucht es eine solidarische Nachbar*innenschaft, die aufmerksam ist und, wenn die betroffene Person es möchte, die Kontrolle beobachtet und dokumentiert. Immer wieder endet Polizeikontakt für BIPoC tödlich – auch in Deutschland.
In Gedenken an Mouhamed Lamine Dramé und alle anderen durch rassistische Polizeigewalt Getöteten. Solidarität statt Polizeigewalt.

Copwatch Hamburg ist seit 2018 aktiv und setzt sich gegen rassistische Polizeigewalt vor allem auf St. Pauli ein.

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