Antimilitaristische Kritik am „Manifest für Frieden“

Schwarzer, Wagenknecht und ihr Kuscheln mit der Querfront

| Wolfram Beyer (IDK)

Manifest

Das „Manifest für Frieden“ schlägt hohe Wellen. Aus graswurzelrevolutionärer Sicht empört nicht nur die deutsch-nationalistische Perspektive der beiden Initiatorinnen und die Tatsache, dass die Petition das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung und Desertion weder fordert noch erwähnt. Wir veröffentlichen hier zum Thema zwei sich ergänzende Beiträge von Martin Firgau und Wolfram Beyer. (GWR-Red.)

Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht, die beiden Initiatorinnen der im Februar 2023 veröffentlichten Petition „Manifest für Frieden“ (1) fordern die Bundesregierung auf, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen. Der Bundeskanzler möge sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze der Diplomatie einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen einsetzen.

68 Einzelpersonen unterschiedlicher politischer Herkunft waren die Erstunterzeichner*innen. Viele Prominente aus Politik, Kunst, Kirchen und Wissenschaft haben das „Manifest für Frieden“ unterschrieben. Am 25. Februar haben bereits über 600.000 Menschen ihre Unterschriften unter diese Petition gesetzt. Auch Einzelpersonen aus Organisationen der Friedensbewegung haben unterschrieben.

Wer sind die Initiatorinnen?

Die Journalistin Alice Schwarzer ist bekannt als Feministin und Herausgeberin des Magazins Emma. Feministische Forderungen von ihr sind gleiche Rechte für Frauen in der Gesellschaft, auch in staatlichen Macht- und Herrschaftspositionen. Aus diesem Gleichheitsgrundsatz forderte sie in den 1990er Jahren „Frauen in die Bundeswehr“. Das wurde von der autonomen Frauenbewegung heftig kritisiert. Ebenso wie ihre immer wieder geäußerten rassistischen und queerfeindlichen Positionen.
2007 sorgte sie für Irritationen, als sie sich für eine Image-Kampagne der Boulevardzeitung BILD als Werbeträgerin zur Verfügung stellte.

Die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (IDK) steht in kritischer Distanz zum Manifest und zur Demonstration am 25. Februar 2023, weil wir keine nationalistischen Tendenzen unterstützen wollen und an keiner nach rechts offenen Veranstaltung teilnehmen.

Sahra Wagenknecht ist eine bekannte Politikerin der Partei Die Linke und war dort für einige Zeit Mitglied der links-autoritären „Kommunistischen Plattform“. Zum Ukraine-Krieg gibt sie der Politik der USA eine Mitverantwortung für die entstandene Lage. Ein zentraler Grund für das schlechte Verhältnis zwischen Russland und dem Westen sei die NATO-Osterweiterung. Sie spricht von einem Wirtschaftskrieg gegen Russland und fordert das Ende der Sanktionen. Dies begründete sie unter anderem mit den Auswirkungen der Russlandpolitik auf die deutsche Wirtschaft. Mit dieser deutsch-nationalen Sichtweise bekam sie politischen Beifall der AfD-Bundestagsfraktion. Auch in anderen Politikfeldern bedient sie nationalistische, menschenfeindliche und AfD-nahe Argumentationsmuster, z.B. in der Flüchtlingsfrage. Diese nationalistische Orientierung führte zu Parteiaustritten von Mitgliedern der Links-Partei.

Wer organisierte die Demo am 25. Februar 2023?

Am 25. Februar kamen ca. 15.000 Menschen zur Demonstration „Aufstand für Frieden“ nach Berlin. Organisiert wurde sie von R. Krämer c/o IPB (International Peace Buro). Die NaturFreunde Berlin haben dafür ein Spendenkonto eingerichtet. Neben den Rednerinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht hat Erich Vad geredet.

Erich Vad, Brigadegeneral a.D. ist ein prominentes Mitglied der CDU. Er ist bekannt für seine politischen Analysen und militärischen Prognosen, die allerdings sehr kontrovers diskutiert werden.
Erich Vad hat eine politische Nähe zur „Neuen Rechten“ in Deutschland. Zum Beispiel hat er als damaliger Berater der CDU-CSU-Bundestagsfraktion im Jahre 2003 bei der extrem rechten Berliner Burschenschaft Gothia referiert. Er war Autor der rechtsextremen Zeitschrift Junge Freiheit und relativierte die Fakten der wissenschaftlich fundierten Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“.
Aktuell müsse man über die Aussetzung der Wehrpflicht erneut nachdenken, so Vad. Die aktuellen Waffenlieferungen an die Ukraine seien aber ohne politisch-strategisches Konzept „Militarismus pur“ und „dieser sinnfreie Aktionismus in der deutschen Politik“ müsse endlich ein Ende finden. Zudem erlebe er eine „Gleichschaltung der Medien“ in Deutschland.

Unsere Kritik:

Wir erkennen in dieser Petition rechts-populistische Töne. Der Manifest-Text zeichnet neben einem apokalyptischen Bild des Krieges und der Politik auch eine deutsch-nationale Sicht.
Deshalb gab es im Vorfeld der Kundgebung kritische Stimmen, weil durch das Manifest selbst und auch durch die Redner*innen sich die AfD und andere rechts-nationalistische Kräfte angesprochen fühlen. Tatsächlich unterzeichneten Personen aus diesem Umfeld das Manifest. Öffentlich wurde diese Offenheit für Mitglieder der AfD und andere Rechtsextreme durch Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht legitimiert. Sie seien willkommen, allerdings ohne ihre Parteifahnen.

Die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (IDK) steht in kritischer Distanz zum Manifest und zur Demonstration am 25. Februar 2023, weil wir keine nationalistischen Tendenzen unterstützen wollen und an keiner nach rechts offenen Veranstaltung teilnehmen. Eine „Querfront“, die Vermischung linker und rechter Positionen, um die Zustimmung zu anitiemanzipatorischen Positionen zu vergrößern, lehnt die IDK ab.

Die IDK ist dem Grundsatz verpflichtet: Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Wir sind daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten. Daraus ergeben sich durchaus politische Schnittmengen zu einigen Forderungen im Manifest für Frieden, wie sie oben genannt sind. Aber die IDK kritisiert drüber hinaus grundsätzlich Rüstungsproduktion, -Exporte und Militär als Kriegsursachen. Militär und Krieg sind keine politischen Optionen für Frieden.

Als Sektion der War Resisters‘ International (WRI) unterstützt die IDK in jedem Krieg Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, Verweigerinnen und Kriegsflüchtlinge. Übrigens ist dies ein Themenfeld, das im Manifest für Frieden nicht genannt wurde, weil es die nationale Manifest-Eintracht stört.
Die IDK setzt dagegen das internationale Netzwerk gegen den Krieg:
#ObjectWarCampaign – Russland, Belarus, Ukraine: Schutz und Asyl für Deserteure und Verweigerer*innen
Am 20. Februar 2023 demonstrierte die IDK zusammen mit anderen WRI-Gruppen und dem Versöhnungsbund vor der Botschaft von Belarus in Berlin. Zeitgleich koordiniert gab es Kundgebungen in London, Amsterdam und Vilnius. Das belarussische Regime steht an der Seite von Russland im Krieg gegen die Ukraine. Wir stellen klar: „Keine belarussischen Truppen für den Krieg in der Ukraine!“

Wolfram Beyer ist Vorsitzender der Internationalen der Kriegs-dienstgegner*innen - IDK e.V. Berlin

Weitere Infos:
www.idk-info.net
www.connection-ev.org/ObjectWarCampaign

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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