Für die Befreiung der Erde

Ausblick auf den World Congress for Climate Justice in Mailand (12.–15.10.2023)

| Alex Foti

Der Weltkongress für Klimagerechtigkeit (World Congress for Climate Justice, WCCJ), der vom 12. bis zum 15. Oktober in Mailand stattfinden wird, strebt die Bildung einer radikalen Front im Klimaaktivismus an, die sich auf Ideen und Strategien beruft, um den fossilen Kapitalismus und sein neokoloniales Projekt zu überwinden. Dafür sollen Bewegungen aus allen Kontinenten zusammenkommen.

Fossiles Kapital ist unvereinbar mit dem Leben auf der Erde. Wir müssen den fossilen Kapitalismus besiegen und ablegen, um die Verbrennung des Planeten zu stoppen und die Möglichkeit aller Menschen zu retten, frei, friedlich und gleichberechtigt in einem nicht kapitalistischen System zu leben, das die Natur, die Menschenwürde und die soziale Selbstverwirklichung schätzt.
Die Hitze, die wir mit Rekordtemperaturen auch an der Meeresoberfläche erleben, und das unkontrollierte Schmelzen der Polkappen deuten auf das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, hin, es sei denn, die materielle Infrastruktur des fossilen Kapitalismus wird innerhalb weniger Jahre abgebaut. Keine politische Revolution ist dringender als diejenige, die die umweltzerstörerische, globale, ökonomische und politische Ordnung ablöst, die die Zukunft der Arten auf der Erde bedroht. Unser eigenes Überleben und das unserer Kinder hängt vom Ausgang dieses Kampfes ab.
Seit 2018 haben massive Klimabewegungen die Welt aufgerüttelt, auch dank Persönlichkeiten wie Greta Thunberg und den Bewegungen, die sie inspiriert hat. Doch obwohl die reformistische Phase der Klimabewegung von den Vereinten Nationen begrüßt wurde und die Unternehmen von Nachhaltigkeit sprachen, hat sie keine Ergebnisse gebracht, denn die Emissionen sind nach der Pandemie weiter stark angestiegen. Nur acht Jahre nach dem Pariser Abkommen haben wir die 1,5°C-Marke überschritten. Klimagipfel und der UN-Prozess sind zu einer Zeitverschwendung geworden: Die nächste COP wird in einer Petromonarchie stattfinden. Es ist Zeit für radikale Aktionen, wie Thunberg selbst einräumt, bei denen sie wegen zivilem Ungehorsam verhaftet wurde, und deshalb müssen sich Radikale zusammenschließen, um Strategien auf dem Niveau und in der Größenordnung zu synchronisieren, die erforderlich sind, um die existenzielle Bedrohung durch das fossile Kapital abzuwehren und der staatlichen Repression gegen Klimaaktivist:innen entschieden zu begegnen. Von Großbritannien bis Frankreich, von Deutschland bis Italien, während der Planet brennt und ganze Regionen entweder von Dürren oder verheerenden Überschwemmungen heimgesucht werden, setzen die Regierungen enorme polizeiliche und rhetorische Macht ein, um Menschen zu verfolgen, die für Klimagerechtigkeit und das Ende von Kohle, Öl und Gas kämpfen.

Der WCCJ will einen starken transnationalen Solidaritätsmechanismus artikulieren. Es beteiligen sich so unterschiedliche Klimabewegungen wie Just Stop Oil, Stop Cop City, Ende Gelände, Soulèvements de la Terre und viele andere anarchistische, autonome, ökotransfeministische Outfits und befreite Zonen, die für eine Welt frei von der Herrschaft der Konzernmacht und der Regierungshierarchien kämpfen. Es bleibt nur wenig Zeit, um entschlossen zu handeln – und das heißt, an die Wurzel der Klimakrise zu gehen, den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang als Selbstzweck angreifen, da die globalen Temperaturen einen Rekord nach dem anderen brechen und die ökologischen Katastrophen einen erschreckenden Tribut fordern.
Wir müssen uns sofort von den fossilen Brennstoffen verabschieden. Nur eine politische Revolution wird ausreichen, um eine echte ökologische Wende herbeizuführen, die das kollektive Überleben sichert. Die Abwendung der Klimakatastrophe geht nur mit einer Revolution, die die physische und finanzielle Infrastruktur des fossilen Kapitalismus sabotiert und demontiert. Diesmal hat das Weltprekariat nichts zu verlieren, wenn es sich gegen den globalen Kapitalismus auflehnt.

Die reichsten 10 % der Welt sind für den Großteil der Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Klimagerechtigkeit beginnt mit sozioökonomischer Gleichheit. Diese Prämisse bedeutet auch, dass Streik- und Klimabewegungen gegen neoliberale Regierungen und autokratische Regime zusammenlaufen müssen. Die Gewerkschaftsbewegung kann nicht fortbestehen, ohne die ökologischen Zwänge zu berücksichtigen: Das Ende der Kohle bedeutet auch das Ende der Bergarbeitergewerkschaft. Die grüne Gewerkschaftsbewegung und der Biosyndikalismus müssen an die Stelle der sozialdemokratischen und unternehmerfreundlichen Gewerkschaften treten. Sie sollen sich auf jene Arbeiter*innen beziehen, die für die soziale Reproduktion unentbehrlich sind: Lieferarbeiter*innen, Transport-
arbeiter*innen, Lebensmittelar-beiter*innen. Es gilt, eine Beschäftigungspolitik voranzutreiben, die auf der Maximierung grüner Arbeitsplätze basiert.
Die Revolution gegen den fossilen Kapitalismus erfordert Strategie, Organisation, Bündelung von Ressourcen und Kampagnen, gemeinsame Slogans und Agenden und die Nutzung eines maximalen gemeinsamen Multiplikators von Protesttaktiken und strategischen Plänen.
Wir kommen aus unterschiedlichen radikalen Traditionen, aber wir haben ein gemeinsames Ziel: die Abschaffung des Systems, das das Leben auf der Erde unerträglich macht, das Ökozid begeht, patriarchale Verbrechen begeht, koloniale Herrschaft aufrechterhält und die Ungleichheit verschärft, während es falsche Bedürfnisse schafft. Seien wir offen für das, was funktioniert, und seien wir bereit, in den zahlreichen Umweltkatastrophen und repressiven Angriffen zu handeln, denen wir mit Sicherheit begegnen werden. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass sich der Faschismus als der bestmögliche Verbündete des fossilen Kapitalismus erweist, insbesondere in Europa.
Als grundlegendes Ergebnis des Kongresses schwebt uns eine gemeinsame Absichtserklärung der WCCJ-Delegierten vor, die eine revolutionäre Bewegung zum Sturz des gegenwärtigen globalen Wirtschaftsregimes darstellt und wirksame organisatorische und mobilisatorische Instrumente zur Erreichung dieses Ziels innerhalb dieses Jahrzehnts umreißt.

Alex Foti, Redakteur, Übersetzer, Aktivist, wurde vor 50 Jahren in Mailand geboren. Er schreibt über die europäische Krise und das Prekariat. Er gründete die Online-Publikation MilanoX und ist Autor von „Anarchy in the EU“ (2009) und „Essere di Sinistra oggi“ (2013).