Nach Trans. Sex, Gender und die Linke

| Maurice Schuhmann

Elizabeth Duval: Nach Trans. Sex, Gender und die Linke, Wagenbach Verlag, Berlin 2023, 224 S., 24 Euro, ISBN 978-3-8031-5195-7

Die im Jahre 2000 geborene spanische Autor_in und Trans-Aktivist_in Elizabeth Duval gilt in Spanien längst als Aushängeschild für den Kampf um Rechte von trans(sexuellen) Menschen. (1) Duval hat bereits mehrere Kurzgeschichten und politische Texte zum Thema in spanischer und französischer Sprache veröffentlicht. Nun wurde endlich auch einer der wichtigsten Texte von Duval zwei Jahre nach seiner Erstveröffentlichung vom Wagenbach Verlag ins Deutsche übersetzt: „Nach Trans. Sex, Gender und die Linke“.

Im eigens für internationale Ausgaben verfassten Vorwort des Essays schreibt Duval: „Der Angriff auf die Rechte von trans Menschen ist ein internationales Phänomenen, und als solches muss es behandelt werden. […] Ich denke, es ist angemessen, für meine internationalen Leser ein Vorwort zu schreiben, das von denen der verschiedenen spanischen Ausgaben inhaltlich etwas abweicht und zugleich wirksame Argumente enthalten kann, wenn es darum geht, bestimmte Gesetzesänderungen in verschiedenen Teilen der Welt zu verteidigen. Gleichzeitig möchte ich solche Reformen, und wie sie meiner Meinung nach aussehen sollten, aus einer globalen Perspektive betrachten und analysieren“ (S. 11).
Der Anspruch ist hoch, aber Duval wird diesem weitgehend gerecht, auch wenn viele der angesprochenen Grundlagentexte noch einer Übersetzung ins Deutsche harren. Und im deutschsprachigen Raum kochen die Debatten um das Selbstbestimmungsgesetz von trans Menschen momentan wieder hoch.
In sechs inhaltlichen Kapiteln nähert sich Duval, z. T. mit autobiographischen Ansätzen, der Thematik, wobei Duval im letzten Kapitel auch Anknüpfungspunkte für „Diskussionen innerhalb der Linken und mögliche Wege für die Zukunft zu finden“ sucht (S. 32). Dabei widmet sich Duval in einem eigenen Kapitel auch explizit der Identitätspolitik, nachdem von Duval bereits über das Selbstbestimmungsgrecht von trans Menschen reflektiert wird.
In einem eigenen Kapitel beschäftigt sich Duval mit den Thesen und „Utopien“ von Paul B. Preciado („Kontrasexuelles Manifest“), dem wohl bekanntesten Aktivisten im Bereich des Kampfes um die Rechte von trans Menschen. Duval und Preciado haben im selben Jahr ihre Transition begonnen – und beide gelten als die wichtigsten Theoretiker_innen im Bereich der Transrechte. Duval erläutert dabei die Differenzen in den Grundannahmen zu Preciado und bricht auch gleich zu Beginn des Kapitels mit dem Mythos, sich über das öffentliche Herunterputzen von Preciado etabliert zu haben. Bei all der von Duval geübten Kritik an Preciado geht es sachlich zu – abgesehen von einem Seitenhieb über die Entfremdung vom spanischen Diskurs. Dieses Kapitel ist unter dem Aspekt, dass zwei Positionen innerhalb des Spektrums dargestellt werden, von Interesse. Dabei verwehrt sich Duval auch explizit gegen eine missverstandene Toleranz von cis-Personen, die von Duval unter Rückgriff auf eine Aussage zu Toleranz von dem italienischen Literaten und Regisseur Pier Paolo Pasolini kritisiert wird.
Aufgrund aktueller Debatten kommt Duval nicht drum herum, sich auch zu aktuellen Tendenzen innerhalb des radikalfeministischen Spektrums, welches von Duval ein bißchen sarkastisch als „böser Feminismus“ bezeichnet wird, auseinanderzusetzen. In jenem Spektrum, zu dem im deutschsprachigen Raum als eine Wortführerin Alice Schwarzer gezählt werden kann, formiert sich eine Form des trans-exklusiven Feminismus, der Menschen, die sich einer Transition unterziehen, das Recht, sich als Frauen zu verorten, abspricht. In einem abschließenden Kapitel reflektiert Duval über „die politische Entwicklung im Umfeld von trans“, bevor Duval in einen Epilog übergeht.
Der Essay regt zum Nachdenken und Diskutieren an. Er ermöglicht neue Blickwinkel auf die Thematik „Rechte von trans Menschen“ und schafft auch mit der Begründung, warum der Begriff „trans“ lediglich in Form eines Adjektivs benutzt werden sollte, neue Perspektiven. Dabei ist es angenehm, dass Duval in der Positionierung nicht in ein Bashing radikalfeministischer Positionen verfällt, sondern unabhängig von jener Strömung eine eigene Positionierung als betroffene und darüber philosophisch-reflektierende Person Stellung bezieht. Eine gewinnbringende Lektüre!

(1) Im folgenden versuche ich möglichst auf geschlechtlich-konnotierte Pronomen zu verzichten. In der öffentlichen Darstellung und eigenen Texten verwendet Duval selber - wenn überhaupt - weibliche Pronomen für sich. Es ist strittig, ob der Begriff „transgender“ oder „transsexuell“ der treffendere ist. Um dies zu umgehen, werde ich im folgenden nur „trans“ als Bezeichnung verwenden.