Laurie Penny: Sexuelle Revolution. Übers. v. Anne Emmert. Edition Nautilus, Hamburg 2022, 384 Seiten, 24 Euro, ISBN 9783960542865
Laurie Pennys Schriften sind in der Regel politische Pamphlete, Wutschriften, gekennzeichnet von Empörung und Ablehnung von Patriarchat, Kapitalismus, Gewalt. Penny gehört nicht umsonst zu den lautesten internationalen Stimmen des Anarchafeminismus. Ihr Ton trifft den Nerv einer Generation, die vor allem frustriert ist, dass sich so wenig so langsam verändert und überall neue Krisenherde um uns herum entstehen, in deren Mitte immer weniger vertrauenswürdige Machthaber stehen. Das Böse gewinnt die Überhand, so scheint es, und alles geht den Bach hinunter, obwohl wir eigentlich genau wissen, was zu tun ist.
Laurie Pennys neues Buch „Sexuelle Revolution“ kehrt diese Perspektive nun um. Statt (nur) auf die Abwärtstrends in unserer westlichen Gesellschaft zu blicken, stellt sie die empowernde These auf, dass wir uns mitten in einer sexuellen Revolution befinden, die von jungen Frauen – vornehmlich Frauen of Colour – vorangetrieben wird und gegen die sich das Patriarchat zwar auflehnt, aber auf lange Sicht nicht erfolgreich sein wird. „Die Tyrannen und Despoten werden den Sieg nicht davontragen. Zumindest nicht langfristig. Sie können nicht gewinnen, weil sie keinerlei sinnstiftende Zukunftsvision anzubieten haben. Sie wollen herrschen, nicht führen. Sie wollen Kontrolle übernehmen, keine Verantwortung. Sie haben kein Interesse daran, menschliches Leben zu bewahren und zu erhalten, und sie haben keinen Plan.“ (13)
Das Böse wird nicht siegen – es klingt wie im Märchen. Und egal, ob dem nun eine valide Diagnostik zugrunde liegt oder vielleicht doch mehr positive Utopie und feministische Hoffnung: I want to believe!
Den „schlappe[n] Papas“ (14), die das Spätpatriarchat anführen, stehen in Pennys Analyse die mächtigen sozialen Bewegungen, vor allem der Frauen und queeren Menschen of Colour, gegenüber, die all das mitbringen, was den Papas fehlt. Damit gestaltet Penny in den einleitenden Bemerkungen einen Blick auf eine Menschheit, die sich kurz mal nicht am Abgrund, sondern an einem Ausgangspunkt befindet. Eine echte Wohltat!
Die folgenden Kapitel sind dann doch wieder eher wütende Abrechnungen im typischen Penny-Ton. Es geht um sexuelle Gewalt, Rape Culture, Harvey Weinstein und Pick-Up-Artists. Es geht um White Supremacy sowie um die Disziplinierung und Ausbeutung weiblicher (Arbeits-)Körper ̶ damit befinden wir uns thematisch im Laurie-Penny-Kerngebiet. Viel Neues steht in diesen Kapiteln nicht unbedingt für erfahrene Penny-Leser:innen. Doch die immer wieder hier und dort formulierte Aussicht auf die Krise des Bösen und dessen unabwendbaren Untergang sowie die große Wertschätzung und Hoffnung, die mit den weltweiten Bewegungen von Frauen und Queeren einhergeht, machen die Lektüre lohnend; insbesondere, wenn es den Lesenden gelingt, etwas mehr von dem empowernden Drive der Einleitung in die einzelnen Kapitel mitzunehmen, als es der Autorin streckenweise gelungen ist.