„Würde ich sofort ficken, auch wenn ich mir danach stundenlang das Klimazeug anhören müsste.“
Dieser misogyne Kommentar unter dem Facebook-Profil von Klimaaktivistin Luisa Neubauer ist nur einer von vielen. Wer sich in Kommentarspalten, Popkultur, Talkshows, auf sozialen Medien, Werbeplakaten und Heckscheiben-Stickern umschaut und dabei auf Misogynie gegenüber Umweltaktivistinnen achtet, wird schnell fündig. Auffällig hoch ist dabei die Schnittmenge mit sich über Fleisch, Benzin und Öl definierender Männlichkeit: Dieses Phänomen wurde von Cara Daggett mit dem Begriff der „Petromaskulinität“ in ihrem gleichnamigen Buch (1) beschrieben. Sie beschreibt darin die „Konvergenz zwischen einem sich in die Ecke gedrängt fühlenden fossilen Brennstoffsystem sowie einer zunehmend fragilen westlichen Hypermaskulinität“. Die Wirkungsmacht jener Hypermaskulinität ist dabei eng an bestehende gesellschaftliche Machtverhältnisse geknüpft: an ein starkes Patriarchat, starre binäre Geschlechterrollen und einen fossilen Kapitalismus. Im Folgenden versuche ich mich an einer Erklärung, wie Petromaskulinität und Misogynie gegenüber Umweltaktivistinnen zusammenhängen. Dazu beginne ich mit der Vorstellung und Erläuterung einiger Kernbegriffe.
Der Begriff der Petromaskulinität setzt sich zusammen aus Petro, griechisch für Stein und wie in Petroleum; und Maskulinität, also Männlichkeit. Die Wahl des Wortes Petro erklärt Cara Daggett mit dem Zusammenspiel aus unflexiblem, verhärteten Gestein und fließendem, schmierigen Erdöl. Ersteres steht für die starre, unflexible, konservative, toxische Männlichkeit und letzteres für fossile Energieträger in all ihren menschlichen Nutzungsformen: Verbrennung, Qualm, dicke Autos, Benzin, Ölplattformen, Kettensägen. Im Zuge der engen Verflechtung von Männlichkeit und fossilen Brennstoffen stellt Daggett eine „Anpreisung fossiler Brennstoffe innerhalb der neuen autoritären Bewegungen des Westens“ fest. Dies liegt in der ideellen und materiellen Beziehung zwischen fossilen Brennstoffen und weißer patriarchaler Ordnung begründet, da sich der westliche, insbesondere der US-amerikanische, Lebensstil um eine Version eben jener Ordnung herum anordnet, bei der der Erfolg hegemonialer Maskulinität auf einen intensiven Verbrauch fossiler Brennstoffe sowie auf Arbeitsplätze in entsprechenden Branchen angewiesen ist. Deren Gewinnung und Verbrauch ist dabei oftmals eine Darbietung von Männlichkeit.
Misogynie meint im Allgemeinen Frauenverachtung oder -hass. Sie geht dabei stets mit der Aufwertung von Männlichem einher, was die Abwertung von Weiblichem impliziert. Diese Abwertung ist dabei nicht nur auf weibliche Subjekte beschränkt, sondern es können auch andere, weniger „maskuline“ Männer/Gegenstände/Aktivitäten/Charaktereigenschaften/u.v.m. als weiblich beschrieben und damit abgewertet werden. Nach Kate Manne (2) ist Misogynie nicht nur als auf Einzelpersonen bezogener und von Einzelpersonen ausgehender Frauenhass zu verstehen, sondern als System innerhalb der patriarchalen Gesellschaftsordnung, das Frauen unterwirft, kontrolliert und die männliche Herrschaft aufrechterhält. Frauen sind gebende Menschen und dürfen nicht – wie Männer – einfach sein. Erfüllt eine Frau die Erwartung des nehmenden Mannes nicht, kann es sein, dass sie dafür bestraft wird. Misogynie ist außerdem als Spektrum zu verstehen, das von Infantilisierung bis zu Vergewaltigungsfantasien und tatsächlicher physischer Gewalt geht. Weiterhin ist Misogynie die „Exekutive des Patriarchats“. Diese agiert speziell gegen Frauen, die in der ihnen zugedachten Rolle im Patriarchat nicht mitspielen und denen „eine Lektion erteilt“ werden soll.
Die Kehrseite aller der Männlichkeits-Narrative ist Misogynie, mit der ‚echte Männlichkeit‘, ‚Heimat‘ und ‚Volk‘ verteidigt werden sollen
Anfangs habe ich bereits Beispiele für Misogynie gegenüber Umweltaktivistinnen angebracht. Weitere finden sich in diesem Interviewausschnitt mit Luisa Neubauer: „Da ist alles dabei: Beleidigungen, sexualisierte Memes, Erniedrigungen. Manchmal schreiben Leute ganze Aufsätze über ein Oberteil von mir, aus dem sie ableiten, dass ich ‚untervögelt‘ sei. Der sexualisierte Hass in den Kommentaren geht irritierend oft über zu Foren, in denen über meine Vergewaltigung fantasiert wird“. Oder ein Werbesticker des kanadischen Ölunternehmens X-Site, welcher einen nackten Frauenrücken und zwei lange, geflochtene Zöpfe zeigt, sowie Hände, die von hinten an diesen ziehen. Auf dem unteren Rücken der gezeichneten Figur steht „Greta“, darunter X-Site Energy Services. Die Liste an Beispielen lässt sich beliebig erweitern.
Maren Behrensen (3) argumentiert, dass sich Klimawandelverharmlosung „ideologisch gut mit anderen populistischen Narrativen verzahnen lässt – mit dem Narrativ der bedrohten Männlichkeit […] und völkisch-nationalen Positionen […]. Die Kehrseite aller dieser Narrative ist Misogynie, mit der ‚echte Männlichkeit‘, ‚Heimat‘ und ‚Volk‘ verteidigt werden sollen.“
Diese enge Verzahnung zeigt sich demnach besonders deutlich in Form von Gewaltfantasien gegenüber jungen Frauen, die als Person oder symbolisch für Umweltaktivismus stehen. Denn dort, wo Frauen den Status quo der patriarchalen Weltordnung infrage stellen und sich nicht nur weigern, ihrer gebenden Rolle nachzukommen, sondern andere sogar dazu auffordern, ihre Aufgaben zu übernehmen, meldet sich die von Kate Manne beschriebene Misogynie als Exekutive des Patriarchats „besonders laut zu den Waffen“. Misogyne Gewaltfantasien gegenüber Umweltaktivistinnen fungieren dann als Strafaktionen, da der Umweltaktivismus als Kampf gegen den Status quo per se zu verstehen ist und somit auch einen Kampf um „bestimmte Formen der Männlichkeit“ impliziert. Cara Daggett ergänzt hier, dass bei der gemeinsamen Analyse von Misogynie und Klimawandelleugnung eine gender anxiety zum Vorschein kommt. Denn hinter der geradezu manischen Proklamation patriarchaler Ideale sowie der Obsession mit Hypermaskulinität liegt demnach eine Angst bezüglich der sozialen Fragilität von Maskulinität sowie die Sorge, den eigens proklamierten Idealen nicht gerecht werden zu können. Daggett erkennt eine tief sitzende Angst vor Schwäche und den emsigen Versuch, die Konfrontation mit ihr unbedingt zu vermeiden. Stattdessen resultiert aus gender anxiety und der Angst vor Schwäche oft frauenfeindliche Gewalt, die sich zuweilen als fossile Gewalt entlädt.
Die hier relevanteste Überschneidung der Ausbeutung(en) von Natur und Frauen ist die Machtdemonstration, die damit einhergeht. Die „Rolling Coal“- Bewegung in den USA ist dafür ein gutes Beispiel: Automotoren werden so modifiziert, dass sie auf Knopfdruck besonders große dunkle, stinkende Rauchwolken produzieren, welche gefilmt und auf Social Media geteilt werden (4). Motivation dafür ist die pure Lust an Verschmutzung und Zerstörung, ein Kommentator nennt die Videos treffenderweise „Verschmutzungspornos“. Was auf den ersten Blick nach purem white trash aussieht, birgt ganz reale Gefahren. Denn auch Dominanz und Befriedigung durch Unterdrückung sind Motivationen fürs coal-rolling, weswegen die Rauchwolken bevorzugt Radfahrer*innen, jungen Frauen und kleinen Autos asiatischer Firmen entgegengeblasen werden. Der Trend ist also nicht nur abgedreht, sondern auch zutiefst misogyn und rassistisch. Daggett schreibt dazu: „Fossile Brennstoffsysteme bieten einen Bereich für den explosiven Kontrollverlust und für all die damit einhergehenden Freuden – Bohren, Graben, Fracking, Gipfelabsprengen, Dieseltrucks.“
Beim Trend des „Rolling Coal“ klingt auch der der Naturzerstörung und Frauenunterdrückung verbindende Sadomasochismus mit. Daggett benennt ihn als Ausdruck des Bedürfnisses, andere zu überwältigen, sie zu unterwerfen und „der Versuche, sekundär zu Stärke zu kommen, wo genuine Stärke fehlt“. Denn präfaschistische Bewegungen koppeln „maskuline Rigidität gleichermaßen mit Gewalt“. Dabei ist das petromaskuline Individuum in zweierlei Arten des Sadomasochismus verstrickt: zum einen als Dominator von Frauen, People of Color, Queers und „schwachen/verweiblichten“ Männern. Zum anderen als unterworfener Handlanger der fossilen Industrie und des fossilen Kapitals. „Um Macht zu bekunden, ist die machtlose autoritäre Persönlichkeit gezwungen, ihr Verlangen nach Dominanz durch Unterwerfung unter eine stärkere, externe Kraft zu subsumieren, sei dies Gott, das Gesetz des Marktes […] oder eben die Verbrennung fossiler Energieträger.“ Kernelement der Misogynie gegenüber Umweltaktivistinnen ist also die Machtdemonstration der Macht wegen. Petromaskuline Individuen profitieren von Patriarchat, Kapitalismus, white supremacy und Heteronormativität. Sie tun deshalb alles dafür, diese Machtstrukturen aufrecht zu halten. Ihre hegemoniale Machtstellung verteidigen sie mit aller Kraft und – nicht nur notfalls – mit Gewalt.
Petromaskulinität äußert sich in physischer, psychischer und struktureller Gewalt gegen Frauen, Queers, nicht ausreichend „maskuline“ Männer, People of Color und gegen die Natur. Sie nutzt und verknüpft verschiedene Unterdrückungsmechanismen, um das vermeintlich „Schwächere“ auszuloten, sich darüber lustig zu machen, es zu unterdrücken und klein zu halten. Sie dominiert aus Spaß an der Dominanz und aus dem unbedingten Willen zum eigenen Privilegien- und Machterhalt. Sich nicht in ihre zugeteilte Rolle einfügende, widerspenstige, sich wehrende Individuen oder Gruppen passen nicht in dieses Weltbild und werden deshalb mit aller Härte bekämpft. Dabei vereinen Umweltaktivistinnen die Gegenwehr mehrerer, von Petromaskulinität zur Zielscheibe gemachter Gruppen miteinander und werden damit zum ultimativen Feindbild. Und je mehr marginalisierte Gruppen und Eigenschaften sie in sich vereinen, desto weiter oben stehen sie auf der Abschussliste – weswegen beispielsweise Indigene Umweltaktivistinnen noch mehr Hass und Gewalt ausgesetzt sind – und regelmäßig tatsächlich getötet werden.
(1) Daggett, Cara: Petromaskulinität. Fossile Energieträger und autoritäres Begehren (Englischer Originaltitel: Petro-masculinity. Fossil Fuels and Authoritarian Desire). Matthes & Seitz Berlin, 2023 (Erstveröffentlichung 2018).
(2) Manne, Kate: Down Girl: Die Logik der Misogynie (Englischer Originaltitel: Down Girl: The Logic of Misogyny). Suhrkamp Berlin, 2020.
(3) Behrensen, Maren: Bedrohte Männlichkeit auf einem sterbenden Planeten: Klimawandelleugnung und Misogynie. Ethik und Gesellschaft Nr. 2, 2020.
(4) YouTube: Umweltverpestung als Sport: Wie Coal Roller mit Abgasen provozieren | Arte Tracks
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.