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Bedrohung Maheshwar-Damm

Deutsche Beteiligung an einem der größten Staudammprojekte in Indien

| G. Hogweed / Ahmedabad, Indien

Die alte Entwicklungspolitik scheint nie dazuzulernen. Die alten Fehler werden heute wiederholt. Schon kurz nach der Unabhängigkeit Indiens hatte die Industrialisierungspolitik Nehrus mit deutscher Hilfe einen "modernen Tempel" - wie er es nannte - geschaffen: die Eisen- und Stahlhüttenstadt Rourkela, quasi ein Abbild des Ruhrgebietes in Indien mit verheerenden Folgen für die lokale Bevölkerung und profitablen Aufträgen für die deutsche Wirtschaft.

Nur kurz zu Beginn der siebziger Jahre schien sich die deutsche Entwicklungspolitik zu wandeln: keine Großprojekte mehr, angepaßte, dezentrale Technologie war in aller Munde, sogar der Begriff „Entwicklung“ begann von offizieller Seite hinterfragt zu werden, nachdem Basisgruppen Druck gemacht hatten. Davon ist heute nichts mehr zu spüren: der deutsche Staat und deutsche Firmen beteiligen sich heute wieder an Großprojekten, als hätte es diese Diskussionen nie gegeben.

Der Maheshwar-Damm

Ein besonders abstoßendes Beispiel ist der sich noch in Anfangsphase befindliche Bau des Maheshwar-Dammes im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh. Er gehört zu dem indischen Wahnsinnsstaudammprojekt von ca. 30 großen und 135 mittelgroßen Dämmen entlang des Riesenflusses Narmada. Vom Großdamm Maheshwar sollen einmal 400 Megawatt Energie gewonnen werden. Dafür sollen 61 Dörfer überflutet werden. Nicht nur über die ökologische, sondern auch über die ökonomische Sinnlosigkeit diese Projektes ließe sich viel sagen: so erbringt der Damm seine Leistung nur zur Regenzeit, in der aber die Nachfrage an Strom als auch an Bewässerung in Indien sowieso gedeckt ist – in der Trockenzeit hingegen kann auch der Damm kaum Strom produzieren oder Felder bewässern, weil dem indischen Staat das gesamte Normada- Staudammprojekt finanziell längst über den Kopf gewachsen ist, hat man/ frau sich Anfang der 90er Jahre im Rahmen der allgemeinen Liberalisierungspolitik dafür entschieden, die Konzessionen einer Privatfirma (S. Kumars) zu übergeben. 1988 beteiligten sich deutsche Konzerne und Banken an der Finanzierung. Bereits 1997 gab die deutsche Regierung eine Grundsatzgarantie, mit Hermes-Bürgschaften diese Privatkredite abzusichern, wenn die indischen Partner Kredite nicht zurückzahlen können. Anfang 1999 kamen 66 % des im Maheshwar-Damm projektierten Geldes aus der BRD. So planten die Energiekonzerne Bayernwerk und VEW jeweils 24″5 % der Aktien zu finanzieren. 51 % des Gesamtaktienpakets hält S. Kumars, an dem aber wiederum die Firma Siemens mit 17 % Aktien beteiligt ist. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 530 Mio. US-Dollar, wofür wiederum die deutsche HypoVereinsbank einen Exportkredit von 257 Mio. Dollar versprochen hat. Der Widerstand der lokalen Bevölkerung begann im Jahre 1997 mit Demonstrationen.

Lokaler Widerstand führt zum ersten Rückzug deutscher Firmen

Nachdem die Regierung dies ignorierte, besetzten im Januar 1998 rund 10 000 Männer und Frauen den Bauplatz, einen Tag später waren es sogar 25 000 Menschen. 20 Tage blieben die BesetzerInnen, einige starteten einen Hungerstreik. Am 30.1.98 wurden die Arbeiten durch Regierungsbeschluß erstmals eingestellt. Eine Untersuchungskommission unter Beteilung der Narmada Bachar Andalan (NBA – Bewegung zur Rettung der Narmada) wurde gebildet. Trotz deren kritischem Bericht nahm die Regierung im April 1998 die Arbeiten wieder auf. Ende April 98 besetzten die Bauern und Bäuerinnen erneut das Gelände, diesmal wurden sie von der Polizei brutal geräumt und zeitweise gefangen genommen. Danach blockierte die Bewegung drei Monate lang die Zufahrtsstraßen und ließ keinen LKW mit Baumaterial durch. Mehrere Wellen und Festnahmen konnten diesen zivilen Ungehorsam nicht brechen. Seither ist der Bauplatz weitere sechs Mal besetzt worden. Im April 1999 gab es schließlich einen Marsch in die Landeshauptstadt Bhopal und ein 26-tägiges Sit- in. In dieser Zeit entschieden sich VEW und Bayernwerk, aufgrund des anhaltenden lokalen Widerstands von der Projektbeteiligung zurückzutreten.

Anfang Dezember 1999 demonstrierte die NBA in Delhi vor der deutschen Botschaft für einen Rückzug der Hermes- Bürgschaften, auf deren Zusicherung nun besonders Siemens stark drängt, nachdem VEW und Bayernwerk abgesprungen sind.

Ein erster großer Erfolg

Das Projekt befindet sich also gerade jetzt, zum Jahrhundertwechsel in einer entscheidenden Phase und es wäre wünschenswert, die Siemens-Beteiligung am Maheswar-Damm in den Siemens Boykott mitaufzunehmen, der derzeit allerdings nur wegen deren Nukleartechnik-Export nach Osteuropa geführt wird. Es wäre auch wünschenswert, Druck auf die deutsche Regierung auszuüben, die Hermes-Bürgschaft für gegebene Kredite zurückzuziehen. Der Widerstandswille der betroffenen Bevölkerung ist jedenfalls ungebrochen. Schon jetzt werden die nächsten Besetzungen geprüft. Das betroffene Gebiet ist sehr fruchtbar und die Menschen haben an Kompensationen nichts zu erwarten. Bei dem Maheshwar- Damm vorausgegangenen Sardar-Sarowar-Großdamm ist den Betroffenen kaum gleichwertiges Ersatzland gegeben worden, auf das Landlose Bauern/ Bäuerinnen sowieso keinen Anspruch hatten. Auch dort war der Widerstand sehr stark. Nur 87 von projektierten 140 Metern hoch konnte der Sardar-Sarovar-Damm bis heute gebaut werden. Bei der jüngsten Teilüberflutung 1999 blieben viele Betroffene in ihren Häusern, bis ihnen das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Halse stand und die Polizei sie räumen ließ. Im Maheshwar-Dammgebiet sind 70 % der Betroffenen Kleinbauern/ – bäuerinnen, aber es gibt auch Fischerfamilien, Landlose und Flußarbeiterinnen, die aus den Fluß Sand gewinnen, der zu Lehmziegeln verarbeitet wird, die ökologisch sehr wertvoll sind. Ihnen allen würde mit dem Damm die Lebensgrundlage entzogen. Die NBA fühlt sich den gandhianischen Prinzipien des radikalen gewaltfreien Widerstands verpflichtet, obwohl sich auch undogmatische MarxistInnen und MaoistInnen als AktivistInnen beteiligen. Es gibt ca. 30 GanzzeitaktivistInnen in der NBA, die die Dörfer organisieren. Obwohl sie das bewußt ablehnen, halten sie auch leicht Führungspositionen inne. Immerhin lassen sie sich nicht von Fremdgeldern finanzieren, sondern nur von innerindischen Spenden. Und wenn ihnen die Bauern/ Bäuerinnen nicht zu essen gäben, könnten sie ihr Leben als – nüchtern betrachtet – BerufsrevolutionärInnen wohl kaum fristen. Trotz dieses Problems ist die Bewegung sehr unterstützenswert – gerade von uns aus der BRD.

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